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Meisterin Chen Shaoqing in ihrer Werkstatt beim Signieren einer Vase.  Franca Wohlt, 2018
Meisterin Chen Shaoqing in ihrer Werkstatt beim Signieren einer Vase. Franca Wohlt, 2018

Es schimmert in vielfältigen Grün- und Blautönen, blickt auf eine über
tausendjährige Tradition zurück und erlebt derzeit eine neue Blüte: das
Seladon-Porzellan aus der chinesischen Provinz Zhejiang. Eine Ausstellung
im Völkerkundemuseum der Universität Zürich bietet Einblicke in
Geschichte, Technologie und Wissen rund um das Handwerk in der Seladon-
Metropole Longquan.

China kennt verschiedenartige Porzellane, die mit lokalen Tonarten und
Erden seit Jahrhunderten in spezialisiertem Handwerk hergestellt werden.
Dazu zählt das zart grün-blau schimmernde Seladon, in dem sich die tief
grünen Landschaften und der blaue Himmel der Provinz Zhejiang in Südwest-
China spiegeln. Diesem jadeähnlichen Porzellan und den Fertigkeiten seiner
Meisterinnen und Meister widmet sich die neue Ausstellung des
Völkerkundemuseums der Universität Zürich. Als Gastkuratorin wurde die
Sinologin und Keramikerin Anette Mertens aus Berlin eingeladen. Anhand
exemplarischer Meisterstücke präsentiert sie die Ergebnisse ihrer Seladon-
Forschung und lässt Meister aus Longquan sowie deren Schüler zu Wort
kommen. In Zusammenarbeit mit ihnen sowie mit der Sinologin Mareile
Flitsch, die an der UZH zu handwerklicher Könnerschaft lehrt und forscht,
ist so eine Zusammenschau von Traditionen, Technologien und Kenntnissen
entstanden.

Die Seladon-Könnerschaft blickt auf eine lange Tradition zurück

Seit spätestens dem 9. Jahrhundert ist die chinesische Provinz Zhejiang
bekannt für ihr Seladon-Porzellan. Wer dieses herstellte, brauchte
Expertise in der Verarbeitung der Rohstoffe und vor allem auch in den
komplexen, mit vielen Unwägbarkeiten verbundenen Techniken des Brennens.
Die erste Blütezeit erlebte das Longquan-Seladon vom 11. bis ins 14.
Jahrhundert, als es Eingang in die kaiserlichen Sammlungen fand. Mit
wachsender Popularität wurde es zum globalen Exportgut. Heute verfügen die
grossen Museen in aller Welt über kostbare Seladone der Song-, Yuan- und
Ming-Zeit.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts geriet das Longquan-Seladon mehr und mehr in
Vergessenheit. Doch Gelehrte entdeckten es wieder: Mit ihren
Forschungsberichten und auf Initiative des chinesischen
Ministerpräsidenten Zhou Enlai konnte die Produktion von Seladon in den
1950er-Jahren in staatlichen Manufakturen neu lanciert werden.

Ein altes Kunsthandwerk erlebt eine neue Blüte

Eine erste Generation von Keramikern und seit jüngerer Zeit auch
Keramikerinnen wuchs heran, ausgebildet in staatlichen Betrieben und
Forschungsinstituten. Mit dem marktwirtschaftlichen Wandel in den 1990er-
Jahren gründeten viele von ihnen Privatbetriebe. Ein Meilenstein und eine
grosse Herausforderung für das komplexe Handwerk stellte dabei der
Übergang von mit Holz befeuerten Drachenöfen zu Gasöfen dar. Mit Seladon-
Glasuren der Spitzenklasse – nun im Zeichen des UNESCO-Weltkulturerbes und
des chinesischen Kulturerbeschutzes – positionierten sich einige Keramiker
seither erfolgreich als national anerkannte Meister. In Werkstätten am
Seladon-Museum in Longquan spezialisieren sie sich heute auf Glasurfarben
und Krakelees und entwickeln ihre eigenen Stile. «Das Seladon-Porzellan
erlebt eine neue Blüte», hält Kuratorin Anette Mertens fest.

Was macht das perfekte Seladon aus?

Ebenso interessant wie der Wandel und die Modernisierung des Handwerks
erschien den Kuratorinnen die Frage nach den Kriterien, anhand derer die
Meister heute Wert und Qualität von Seladon bemessen. Welches Spektrum an
Tonarten, Glasuren und Dekoren bietet ihnen Spielraum für ihre
Könnerschaft und Kreativität? «Die Handwerkerinnen und Handwerker richten
ihr Augenmerk auf historische Stücke und Stile», erklärt Anette Mertens.
«Die Seladone der Song-Dynastie etwa gelten bis heute als unerreicht.» Das
entsprechende Wissen blieb in Keramiken, aber auch in Scherbenfragmenten
in der Umgebung historischer Ofenstandorte bewahrt. Sie dienen den
Keramikerinnen und Keramikern im heutigen Longquan als Inspirationsquelle.
«Die Gefässe, die wir in der Ausstellung zeigen, repräsentieren das
Repertoire dieser modernen Seladon-Künstler», sagt Mareile Flitsch. «Die
Besucherinnen und Besucher sollen sie als Glasurliebhaber kennenlernen,
die unermüdlich nach dem perfekten Seladon streben.»

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«Seladon im Augenmerk. Jadegleiche Porzellane und ihre Meister in
Longquan, VR China.»
Ausstellung im Völkerkundemuseum der Universität Zürich
24. November 2019 bis 22. November 2020, Eintritt frei
www.musethno.uzh.ch

Vernissage
Sonntag, 24. November 2019, 11:30 Uhr
Völkerkundemuseum der Universität Zürich

Publikation zur Ausstellung
Anette Mertens mit Mareile Flitsch: Seladon im Augenmerk. Jadegleiche
Porzellane und ihre Meister in Longquan. Stuttgart: arnoldsche Art
Publishers und Völkerkundemuseum der Universität Zürich, 2019.