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Prof. Dietrich von Schweinitz während seiner Ringvorlesung an der WLH
Prof. Dietrich von Schweinitz während seiner Ringvorlesung an der WLH

Ringvorlesung der Wilhelm Löhe Hochschule am 16.01.2020 | Kindermedizin
fordere jede Gesellschaft heraus, sich bewusst zu machen, welche
Verantwortung wir als Gesellschaft für unsere Zukunft einnehmen wollen, so
das Fazit im Sinne der UN Kinderrechtskonvention von Prof. Dietrich von
Schweinitz, Direktor des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der LMU München
im Rahmen der Ringvorlesungsreihe der WLH „Was ist uns Gesundheit wert?“.

Die Medienberichte nehmen deutlich zu, dass Abteilungen für Pädiatrie oder
insbesondere Kinderchirurgie abgebaut werden bzw. diese kleine
Patientinnen und Patienten ablehnen müssen, weil etwa nicht ausreichend
ärztliches und pflegerisches Potenzial zur Verfügung steht. Am Beispiel
eines Behandlungsfalls eines kleinen Jungen, der in einer anderen Uni-
Klinik schon viermal erfolglos behandelt wurde und notfallmäßig im
Haunerschen Kinderspital vor Weihnachten eingeliefert wurde und
mittlerweile erfolgreich operiert werden konnte, zeichnete Dietrich von
Schweinitz die Herausforderungen der Kindermedizin, insbesondere der
Kinderchirurgie nach. Diese sei im Vergleich zur Erwachsenenmedizin schon
aufgrund der physiologischen Entwicklung der Kinder schwieriger. Man habe
hier geringere Fallzahlen und das Vorhalten etwa von Experten in
ausgesuchten kinderchirurgischen Fragestellungen unterstreiche den hohen
Spezialisierungsgrad, der für eine hochwertige Versorgung notwendig sei.
Exemplarisch zeige das etwa die Abrechnungsmöglichkeiten für ein malignes
Neuroblastom, wusste Prof. von Schweinitz zu berichten. Die begleitende
Chemo-Therapie würde über Zusatzentgelte finanziert werden, für die hoch-
komplexe Operation, die sehr langwierig und schwierig sei, habe es bis vor
kurzem jedoch keine eigene DRG gegeben. Kliniken müssten aber hier Kosten
zwischen 20.000 bis 60.000 € einkalkulieren. Die Möglichkeit für
Kinderkliniken bestand somit nur darin, eine Fehler-DRG zu kodieren, was
im Durchschnitt zu ca. 7.000 € Vergütung geführt hätte. Durch eine Eingabe
beim zuständigen Institut zur Fortentwicklung des DRG-Systems sei nun eine
eigene DRG-Ziffer eingeführt worden, die etwa 13.200 € umfasse.
In der sehr engagierten Diskussion wurde deutlich, dass die Entwicklung
der Kindermedizin die Bedeutung eines umfassenden Blicks auf medizinisch-
pflegerische Herausforderungen zeige. Eine einfache Übertragung der durch
die Erwachsenenmedizin geprägten Vergütungslogik der DRGs auf die
Kindermedizin sei so von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen, so
von Schweinitz weiter. So müsse festgehalten werden, dass in vielen
anderen Ländern, auch im DRG-Referenzland Australien, die Kindermedizin
nicht Teil der standardisierten DRG-Vergütung sei.
Von einigen Diskutanten wurde in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung
der Zentrenbildung adressiert, die gerade zur Qualitätssicherung von
Hochleistungsmedizin in der Kinderchirurgie bedeutsam ist. Somit schließe
sich auch der Kreis zu einem Finanzierungsmix auf gesundheitspolitischer
Ebene, wo etwa auch die zu DRGs ergänzende Investitionsfinanzierung durch
die Bundesländer in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren wurde. Mit
Prof. von Schweinitz war sich das Plenum darin einig, dass der Status quo
und die Frage der Weiterentwicklung der Kindermedizin pars pro toto für
die gesellschaftspolitisch relevante Frage stehe, welche Prioritäten und
welchen Gegenwert Investitionen in eine bessere Gesundheits- und
Pflegeversorgung haben müsse. Letztendlich würden in dieser Hinsicht
gerade die Investitionen in gute Versorgungs- und Personalstrukturen und
adäquate Strukturen an Qualität orientierter Versorgungskonzepte die
weitaus größere Herausforderung darstellen. Vizepräsident Prof. Jürgen
Zerth dankte Prof. von Schweinitz abschließend für seinen Vortrag und den
Diskussionsimpuls für den letzten Termin der Vortragsreihe „Was ist uns
Gesundheit wert?“, die gerade die Zielsetzung der WLH, Gesundheit und
Soziales zu gestalten, in idealerweise gespiegelt habe. Er wusste Prof.
von Schweinitz aber auch bei künftigen Veranstaltungen an der WLH
verortet, sei doch dieser vom Hochschulrat der WLH gerade frisch zum neuen
Präsidenten der WLH gewählt worden. Prof. von Schweinitz wird sein neues
Amt zum 1. April dieses Jahres übernehmen.