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V. l. n. r.: Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke (Frankfurt UAS), Dr. Sylke Klein (Merck), Stefan Nowak (Wingcopter)  (c) Meinhard Lerch
V. l. n. r.: Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke (Frankfurt UAS), Dr. Sylke Klein (Merck), Stefan Nowak (Wingcopter) (c) Meinhard Lerch

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert
praxisorientiertes Forschungsprojekt von Frankfurt University of Applied
Sciences, Merck und Wingcopter

In einem bundesweit einzigartigen Projekt konzipieren und testen die
Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), Merck und der
Drohnen-Hersteller Wingcopter derzeit den Einsatz von Lieferdrohnen in der
standortübergreifenden Werkslogistik. Dabei werden Pigmentproben mit einer
Spezialdrohne aus dem Merck-Werk Gernsheim zum Labor im rund 25 km
entfernten Stammsitz des Wissenschafts- und Technologieunternehmens in
Darmstadt geflogen, wo sie zur Sicherstellung der Qualität im laufenden
Produktionsprozess analysiert werden müssen. Bislang übernimmt den
Transport ein Kleintransporter, der zweimal werktags die Strecke zwischen
den Werken befährt. Am 5. Februar 2020 fand der offizielle Drohnen-
Erstflug erfolgreich statt.

Kernaufgabe des Projekts „ProGeDa – Probentransport zwischen Gernsheim und
Darmstadt“ ist es, diesen Transportfall werksübergreifend zu evaluieren
und daraus ein langfristiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Dabei werden
u.a. die Aspekte Zeitersparnis, Nachhaltigkeit, Kosten und Flexibilität
berücksichtigt. Das Research Lab for Urban Transport (ReLUT) der Frankfurt
UAS evaluiert es unter Leitung von Direktor Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke,
Professor für Logistik und Produktionsmanagement am Fachbereich Wirtschaft
und Recht, mit Unterstützung von Keimer Aviation. Schwerpunkt des ReLUT
sind die Entwicklung von wirtschaftlichen und ökologischen Lösungen für
Liefer- und Frachtdienste. Das Startup Wingcopter hat die Spezial-Drohne
entwickelt, plant und führt den Flugbetrieb durch und koordiniert alle
luftfahrtrechtlichen Fragen. Merck steuert den Gesamtprozess und stellt
die zu transportierenden Güter. Das laufende Projekt wird im Rahmen der
Förderrichtlinien Modernitätsfonds („mFUND“) mit insgesamt 107.000 Euro
durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
gefördert. Diese Förderung erhalten Wingcopter und die Frankfurt UAS.
Wingcopter wurde für das Projekt ausgewählt, da seine Drohnen alle
Eigenschaften für den Luftfrachtverkehr zwischen zwei oder mehreren Werken
aufweisen: Sie können auf kleinstem Raum senkrecht starten und landen,
dank ihres Schwenk-Rotor-Mechanismus aber auch größere Strecken deutlich
effizienter, schneller und leiser zurücklegen als herkömmliche
Multicopter.

Im Mittelpunkt des Projekts steht die Bestimmung einer optimalen Route
zwischen den beiden Standorten unter Berücksichtigung verschiedenster
Rahmenbedingungen (Luftfahrtrecht, Umweltschutz, geeignete Start- und
Landeflächen, Bodenprozesse, Kosten etc.). Die drei Kooperationspartner
gehen davon aus, dass sich der Transport per Drohne nicht nur als
schneller und nachhaltiger, sondern auch als kostengünstiger und flexibler
erweisen wird. „Mit diesem Projekt werden wir die Nachhaltigkeit von
Drohnenflügen zu kommerziellen Zwecken im öffentlichen Raum in allen drei
Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales –
nachweisen. Wir gehen von einer weitreichenden Skalierbarkeit und
Übertragbarkeit auf andere Branchen aus“, sagt Schocke.

Tom Plümmer, CEO von Wingcopter, ergänzt: „Wir haben bereits vielfach
bewiesen, dass unsere Lieferdrohnen in verschiedensten, insbesondere
lebensrettenden Anwendungsfällen in entlegenen Regionen diverser
Entwicklungsländer einen signifikanten Vorteil gegenüber herkömmlichen,
bodengebundenen Transportmitteln oder auch bemannten Luftfahrzeugen
bieten. Dank dieses einzigartigen Projekts können wir zeigen, dass dies
auch für kommerzielle Lieferungen in Ballungsräumen von Industrienationen
gilt.“

Stefan Nowak, verantwortlicher Projektmanager bei Wingcopter,
unterstreicht: „Uns ist weltweit kein anderes Projekt bekannt, bei dem
Güter über eine solche Distanz und dabei außerhalb der Sichtweite per
Drohne in einer Metropolregion geliefert werden – über Strom- und
Zugtrassen, Autobahnen und Bundesstraßen sowie Produktionsinfrastruktur
hinweg. Das Projekt markiert mit dem heutigen Flug einen Meilenstein in
der Geschichte der unbemannten Luftfahrt und der intermodalen Logistik.“
Darüber hinaus stellt das Projekt hinsichtlich der luftfahrtrechtlichen
Abstimmungs- und Zulassungsverfahren ein Vorbild für ähnliche Vorhaben
weltweit dar.

Auch Jens Klatyk, Leiter des Merck-Standorts Gernsheim, sieht Vorteile des
Projekts: „Nicht alle relevanten analytischen Parameter werden im
Analytik-Labor in Gernsheim umgesetzt. Spezialuntersuchungen werden im
Labor im Werk Darmstadt durchgeführt. Anstatt die Proben mit dem Auto zu
transportieren, bietet der Drohnentransport die Möglichkeit einer
schnelleren und staufreien Transportmöglichkeit.“ Dabei ist eine
Zeitersparnis zwischen einer Stunde bis zu einem Tag möglich. Zudem können
so Leerfahrten und Emissionen vermieden werden.

Auf Basis der Daten, die während der Lieferflüge und der Erhebung der
Gesamtprozesse gewonnen werden, legen die Kooperationspartner nach
Abschluss der Projektphase im März 2020 einen Abschlussbericht vor. Der
Bericht soll darlegen, unter welchen Bedingungen der Einsatz von Drohnen
in der Werkslogistik ökonomisch und ökologisch nachhaltig betrieben werden
kann. Daraus werden sich Empfehlungen, mögliche weitere Anwendungsfälle
und Betriebskonzepte ergeben.

Vor dem Projektstart war das Startup Wingcopter bereits im StartUp-
Programm des House of Logistics and Mobility (HOLM) am Flughafen Frankfurt
sowie Teil des Accelerator-Programms im Innovationszentrum von Merck. In
dieser Zeit arbeitete das Team intensiv im Makerspace des
Innovationszentrums und entwickelte mithilfe des Rapid-Prototyping-Labors
seine vertikal startende und landende Drohne weiter. Durch den ständigen
Austausch mit internen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstand die Idee
des ProGeDa-Projekts, das im weiteren Vorgehen durch den Merck Accelerator
und das Innovationszentrum unterstützt und begleitet wurde. Das Projekt
ist ein Beispiel für die Vielfalt an Kooperationen, die Startups im Rahmen
des Accelerator-Programms von Merck initiieren können.