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Freiburger Kulturwissenschaftler Michael Fischer veröffentlicht neues Buch
über ländliche Diskotheken im Schwarzwald

Es gab sie in Buggingen, Kirchzarten, Freiamt, Hausach oder auch in
Schönwald: ländliche Diskotheken. Eine neue Studie des Freiburger
Kulturwissenschaftlers Dr. Dr. Michael Fischer vom Zentrum für Populäre
Kultur und Musik (ZPKM) der Albert-Ludwigs-Universität beleuchtet diese
Szene der Unterhaltungs- und Freizeitkultur im Südwesten Deutschlands.
Dabei werden die Diskotheken in erster Linie als „populäre Orte“
verstanden. „Es geht zum einen um die Räume, die dort angebotenen
Programme und schließlich um Konfliktsituationen, die sich mit dem Betrieb
von Tanzlokalen verbanden“, betont Fischer. Auf 256 Seiten beschreibt und
analysiert er, wie die ländlichen Lokale zwischen den 1970er und 1990er
Jahre wahrgenommen wurden.  So versprachen sie nicht nur Unterhaltung,
sondern boten auch Möglichkeiten der Begegnung, vom Cliquen-Treffen bis
hin zum erotischen Abenteuer.

Um Informationen zu den damaligen Diskotheken zu erhalten, hat Fischer
verschiedene Archive besucht und in alten Akten gestöbert, etwa in
Waldkirch zur ehemaligen Diskothek „Arche“. Viele Konflikte waren
zeittypisch und bei nahezu allen Betrieben vorzufinden: Nachbarinnen und
Nachbarn beschwerten sich über Lärm und die lautstark anfahrenden
Jugendlichen, die Polizei kümmerte sich um die Eindämmung des
Drogenkonsums oder um die Durchsetzung des Gaststättenrechts.
„Gleichzeitig lässt sich anhand der geführten Interviews auch ein anderes
Bild zeichnen: Discjockeys, Betreiber sowie Fans beschreiben die
Faszination an der Musik, die eingesetzte Technik oder den Spaß beim
Tanzen und Ausgehen“, erläutert der Kulturwissenschaftler. Die Studie will
diese beiden Aspekte – die Wahrnehmungen, die aus amtlichen Unterlagen
hervorgehen, und die der Akteurinnen und Akteure – zusammenbringen.

Bisher standen Diskotheken im ländlichen Raum selten im Fokus der
Forschung. Die Wissenschaft meide solche Themen, selbst die
Populärkulturforschung konzentriere sich eher auf städtische, avantgar-
distische oder subkulturelle Phänomene, räumt Fischer ein. So gebe es mehr
Studien zu angesagten Clubs oder Musikrichtungen wie Techno oder Hip-Hop
als zu Disko, zumal auf dem Lande. Das sei schade, so Fischer, erzählten
gerade die scheinbar unspektakulären Orte der ländlichen Freizeitkultur
ein Stück regionaler Gesellschafts- und Kulturgeschichte: „Die
Diskotheken im Schwarzwald waren zentrale Orte jugendlicher Sozialisation,
noch heute schwärmen die Ältergewordenen von ihren Musik-, Tanz- und
Freundschaftserlebnissen.“ Und nicht zuletzt zeigten diese Betriebe, wie
sich die ländliche Gesellschaft modernisierte und wie sie jungen Menschen
neue Erlebnisangebote machten.

Fischers Forschungsschwerpunkte beziehen sich auf die Geschichte und
kulturanthropologische Bedeutung populärer Musik sowie auf deren
Medialisierung. Er lehrt an der Universität Freiburg in den Fächern
Kulturanthropologie und Medienkulturwissenschaft.

Originalpublikation:
Fischer, M. (2020): Diskotheken im ländlichen Raum. Populäre Orte des
Vergnügens in Südwestdeutschland (1970–1995). Münster.