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Zwei Schüler bestimmen im Wild-Park Klaushof Pflanzen mit einer App.  Sonja Fiedler / Universität Würzburg
Zwei Schüler bestimmen im Wild-Park Klaushof Pflanzen mit einer App. Sonja Fiedler / Universität Würzburg

Sonja Fiedler, Doktorandin der Biologie-Didaktik, erforscht neue Wege, um
das Thema „Nachhaltigkeit“ aus den Klassenzimmern ins Freiland zu bringen.
Dabei kooperiert sie mit dem Wild-Park Klaushof in Bad Kissingen.

Landwirt Markus hat einen ganz schön schwierigen Job. Beim Bestellen
seiner Felder muss er auf viele Dinge achten. Und der Faktor „Geld“ spielt
stark in seine Entscheidungen hinein. Das und mehr erfahren Fünftklässler
aus bayerischen Gymnasien, die ab Mai 2020 ins Promotionsprojekt „Grünland
– ein Einstieg in nachhaltiges Handeln“ der Biologie-Didaktikerin Sonja
Fiedler von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg eingebunden
werden.

In dem Projekt lernen die Schülerinnen und Schüler aber nicht nur Landwirt
Markus kennen, sondern auch Biobäuerin Isabell. Und Kommunalpolitikerin
Kathrin sowie Klaus, der sich für den Naturschutz engagiert. In diese
fiktiven Akteurinnen und Akteure sollen sich die Kinder intensiv
hineindenken. Und gleichzeitig etwas über das Ökosystem Grünland lernen.
Dieses Thema ist laut dem LehrplanPLUS im Unterricht der fünften Klasse im
Fach „Natur und Technik“ zu behandeln.

Positive Einstellungen zur Nachhaltigkeit

Die aktuellen Kontroversen um die Landwirtschaft machen das
Forschungsprojekt von Sonja Fiedler hoch aktuell. Viele Kinder bekommen
mit, dass Bauern auf die Straße gehen, um gegen rigide Vorschriften, das
schlechte Image der Landwirtschaft und das Verramschen von Lebensmitteln
zu protestieren. Auch die Fridays-For-Future-Bewegung prägt die Teenager.

„Dem Thema Nachhaltigkeit gegenüber sind sie tendenziell positiv
eingestellt“, sagt die 27-Jährige Doktorandin. Das fand sie im Juni 2019
heraus, als sie im Wild-Park Klaushof in Bad Kissingen mit Fünftklässlern
arbeitete – allesamt Pilotschüler für ihr Dissertationsprojekt. Mit dem
Wild-Park pflegt die Biologie-Didaktik der JMU seit 2008 eine enge
Kooperation in Lehre und Forschung.

Das Ökosystem Grünland im Wild-Park ergründen

Fiedler hat für ihr Projekt ein Konzept entwickelt, das verschiedene
landwirtschaftliche Methoden vergleicht. Die Schülerinnen und Schüler
sollen in einem praktischen Teil extensive und intensive
Bewirtschaftungsstrategien anhand ausgewählter Kriterien wie Artenvielfalt
und Düngung erfassen und bewerten. Dafür wurden in Zusammenarbeit mit dem
Wild-Park spezielle Grünflächen angelegt.

In einem eher theoretischen Teil befassen sie sich in Gruppen entweder mit
dem Landwirt, der Biobäuerin, der Politikerin oder dem
Naturschutzaktivisten. Danach wird gemeinsam diskutiert. Was zum Beispiel
bedeutet es, wenn Böden zu intensiv gedüngt werden? Warum tut das die
Biobäuerin nicht? Und warum ist Markus, der konventionelle Landwirt,
dringend auf Düngung angewiesen? Nach der Diskussion geht es zurück in die
Stammgruppen und jede gestaltete ein Poster, auf dem Maßnahmen für mehr
Nachhaltigkeit aufgelistet werden.

Mit ihrem Projekt will Fiedler neue Impulse für den Biologieunterricht
geben. Im Kern interessiert sie die Frage, ob es an einem einzigen Tag
möglich ist, die Einstellung von Schülern zum Thema „Nachhaltigkeit“ zu
verändern. Weiter möchte sie Kompetenzen zur Bestimmung von Pflanzenarten
und Standortfaktoren vermitteln. Wie viel Wissen über Pflanzen bringen
Fünftklässler mit? Gibt es hier Unterschiede zwischen Stadt- und
Landkindern? Und noch ein anderer Aspekt interessiert die Doktorandin: Sie
vergleicht analoge und digitale Lernmethoden in der Biologie.

Fünfte Klassen aus Gymnasien in Unterfranken eingebunden

Nach der Pilotstudie vom Juni 2019 sollen im Lauf des Mai 2020 rund 550
Fünftklässler aus Unterfranken in den Wild-Park kommen.

Einige sind aus der Stadt Würzburg; andere aus ländlichen Regionen, etwa
aus den Landkreisen Main-Spessart und Bad Kissingen. Bei allen wird vorab
sowie am Projekttag selbst die aktuelle Einstellung zur Nachhaltigkeit
erhoben. Sechs Wochen später wird Fiedler dann in die Schulen gehen und
ergründen, ob sich die Einstellung durch den Projekttag verändert hat.

Ist die Motivation, sich auf Landwirt Markus und die anderen drei Akteure
einzulassen, geringer oder größer, wenn die Schüler davor praktisch
gearbeitet haben? Auch das interessiert Sonja Fiedler: „Eine Schülergruppe
ist zuerst auf der Wiese, um Pflanzen zu bestimmen und den Boden zu
untersuchen, und geht danach ins Grüne Klassenzimmer. Bei der anderen
Gruppe ist es umgekehrt.“ Das Ergebnis kann für Biologielehrkräfte
interessant sein – zu wissen, inwieweit es einen Unterschied macht, ob
Schüler zuerst theoretischen oder praktischen Input erhalten.

Viele Anregungen für den Schulunterricht

Fiedlers Projekt bietet viele Anregungen für die Praxis. Die Promovendin
untersucht auch, ob sich analoge und digitale Lehr- und Lernmethoden
hinsichtlich des Wissenszuwachses unterscheiden. „Eine Schülergruppe
durchläuft das Programm rein analog, die andere rein digital“, erläutert
sie. Die digitale Gruppe bestimmt die Pflanzen auf der Wiese zum Beispiel
mit einer App. Bauer Markus erlebt sie in einem Video, Biobäuerin Isabell
in einer interaktiven Präsentation. Die andere Gruppe ist auf der Wiese
mit einem herkömmlichen Bestimmungsbuch zugange. Auch den vier Akteuren
begegnet sie nur in Papierform, über Arbeitsblätter.

Projekt läuft in bayerischem Elitestudiengang

Sonja Fiedler treibt ihr Dissertationsprojekt im Rahmen des bayerischen
Elitestudiengangs MINT-Lehramt PLUS voran. Betreut wird sie von Professor
Franz Xaver Bogner, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für
Didaktik der Biologie innehat, und vom Fachdidaktiker Dr. Thomas Heyne von
der Professional School of Education der JMU.

Zur Kooperation der JMU mit dem Wild-Park Klaushof

Bad Kissingens Oberbürgermeister Kay Blankenburg bezeichnet die
Zusammenarbeit zwischen Wild-Park und JMU als einzigartig: „Die
Kooperation mit der Universität Würzburg ist für uns ein weiterer Schritt
auf dem Weg zu dem hier von der Staatsregierung geplanten
populärwissenschaftlichen Naturerlebniszentrum." Axel Maunz, Leiter des
Wild-Parks, bekräftigt das: „Für uns ist es eine Win-Win-Situation zum
weiteren Ausbau des Wild-Parks als Umweltbildungseinrichtung".

Im universitären Ausbildungsbetrieb bietet der Wild-Park Studierenden die
Möglichkeit, an einem von Schulen regelmäßig genutzten außerschulischen
Lernort mit Schülerinnen und Schülern authentische Unterrichtssituationen
zu erfahren. Diese Lehr-Lern-Szenarien werden von der JMU und von
geschultem Personal des Wild-Parks unterstützt.