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Gemeinschaften winziger Tundrapflanzen, hier die Maiglöckchenheide, gehorchen den gleichen Überlebens- und Fortpflanzungsregeln wie Pflanzengemeinschaften in weniger extremen Gegenden  Foto: Dr. Alba Anadon-Rosell
Gemeinschaften winziger Tundrapflanzen, hier die Maiglöckchenheide, gehorchen den gleichen Überlebens- und Fortpflanzungsregeln wie Pflanzengemeinschaften in weniger extremen Gegenden Foto: Dr. Alba Anadon-Rosell

Pflanzen der arktischen und alpinen Tundra haben sich an Extrembedingungen
angepasst. Folgen sie dennoch den gleichen Spielregeln wie Pflanzen aus
milderen Klimazonen? Welche Rückschlüsse lassen sich auf ihre
Überlebenschancen angesichts der Erderwärmung ziehen? Dies untersuchte ein
internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität
Greifswald anhand der bislang größten Datensammlung von Pflanzenmerkmalen
der Flora der Tundra. Das Team analysierte sechs Merkmale und erkannte
einen weltweit gültigen Zusammenhang zwischen der äußeren Erscheinungsform
von Pflanzen und deren Ökosystemfunktionen.

Die Ergebnisse sind in Nature Communications (DOI:
10.1038/s41467-020-15014-4) erschienen.

Die Pflanzen der Tundra überstehen lange, kalte Winter und nutzen die
teilweise extrem kurze Sommerzeit für Wachstum und Ausbreitung. Im Laufe
der Evolution haben sich Tundrapflanzen daher optimal an die extremen
Umweltbedingungen angepasst. Aber die Arktis ist stärker vom Klimawandel
betroffen als andere Teile der Erde, denn die Erderwärmung verläuft hier
doppelt so schnell. Halten die unter Extrembedingungen lebenden Pflanzen
der Tundra den zusätzlichen Stress durch die Erderwärmung stand? Haben die
Pflanzen im Laufe der Evolution ausreichend Strategien entwickelt, um den
gegenwärtigen Klimawandel zu überleben? Um diese Fragen zu beantworten,
analysierten Forschende in einer vom Deutschen Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) <https://www.idiv.de/de/index.html>
geförderten Studie sechs weltweit gut beprobte Pflanzenmerkmale speziell
in Tundrapflanzen. Diese Pflanzenmerkmale sind eng mit Ökosystemfunktionen
wie Produktivität, Kohlenstoffspeicherung und Nährstoffkreislauf verknüpft
und geben Aufschluss darüber, wie die Pflanzen auf Umweltveränderungen
reagieren können.

Das internationale Forschungsteam hat Daten über die Höhe der Pflanzen,
die Blattfläche, die Blattmasse pro Fläche, die Blatttrockenmasse, den
Blattstickstoffgehalt und die Samenmasse gesammelt und mit jenen von
Pflanzen aus der gemäßigten Zone und den Tropen verglichen. Die
Untersuchungen bestätigen nun einen Zusammenhang, der für Pflanzen aus
gemäßigten und tropischen Klimazonen bereits nachgewiesen war. Professor
Martin Wilmking vom Institut für Botanik und Landschaftsökologie fasst das
so zusammen: „Unterschiede hinsichtlich der sechs genannten
Pflanzenmerkmale sind nicht nur zwischen verschiedenen Pflanzenarten
erkennbar, sondern bestimmen auch Variationen innerhalb einer Pflanzenart.
Dadurch können sich einzelne Pflanzenarten besser an Klimaschwankungen
anpassen.“ Humboldt-Stipendiatin Dr. Alba Anadon-Rosell, die für zwei
Jahre in Greifswald zu Tundrapflanzen forscht, ergänzt: „Tundrapflanzen
zeigen dieselbe Verteilung der Variationen zwischen verschiedenen Arten
und innerhalb einer Art wie Pflanzen aus milderen Klimazonen. Damit
handelt es sich hierbei um weltweit gültiges Prinzip. Beobachtungen über
die Anpassungsfähigkeit an Umweltbedingungen aufgrund von äußeren
Merkmalen von Pflanzen aus gemäßigten Zonen und den Tropen lassen sich
damit auch auf arktische und alpine Pflanzen übertragen. Das hilft uns in
der Abschätzung der Klimawandelfolgen in diesem extremen Gebiet der Erde.“

Weitere Informationen

Originalpublikation: Thomas H.J.D. et al. (2020): Global plant trait
relationships extend to the climatic extremes of the tundra biome. Nature
Communications 11, 1351. DOI: 10.1038/s41467-020-15014-4.

Tundra Trait Team (TTT) <https://tundratraitteam.github.io/>

Gemeinschaften winziger Tundrapflanzen, hier die Maiglöckchenheide
(Cassiope tetragona), gehorchen den gleichen Überlebens- und
Fortpflanzungsregeln wie Pflanzengemeinschaften in weniger extremen
Gegenden der Erde. – Foto: Dr. Alba Anadon-Rosell