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Professor Thomas Bezold lehrt am Campus Künzelsau BWL und Sportmanagement. Die sportlichen Entwicklungen sieht er durch COVID-19 kritisch.  HHN
Professor Thomas Bezold lehrt am Campus Künzelsau BWL und Sportmanagement. Die sportlichen Entwicklungen sieht er durch COVID-19 kritisch. HHN

„Corona-bedingte Insolvenzen sind leider nicht auszuschließen“ –
Der Experte Professor Thomas Bezold spricht über die sportlichen Einbußen
durch COVID-19.
Er lehrt am Künzelsauer Campus der Hochschule Heilbronn (HHN)
Betriebswirtschaftslehre und Sportmanagement.

Professor Bezold, was erleben derzeit eine Fifa und Co.?

Die Sportbranche, insbesondere der Profifußball, durchlebt gerade eine
fundamentale wirtschaftliche Krise. Die FIFA ist aktuell nur indirekt
betroffen, weil 2020 kein großes FIFA-Event ansteht. Problematischer ist
die Situation für die UEFA, das Internationale Olympische Komitee und die
nationalen Profiligen in allen Sportarten. Aber auch die
Amateuersportvereine und kommerziellen Sportanbieter sind unterschiedlich
stark betroffen.

Was ist das Schlimmste, das jetzt auf die Sportmanagement-Branche zukommt?

Es gibt einige negative Effekte: Die Erkrankung vieler Sportler*innen und
die Unsicherheit über den Fortgang der Saison mit einhergehenden Ausfällen
der Einnahmen aus Ticketing, Catering, Sponsoring und TV-Vermarktung. Zu
erwarten sind nach der Krise veränderte Konsum-Muster, Rückgang der
Sponsoring-Leistungen, verminderte Medien-Erlöse, Einsparungen der
privaten Haushalte aufgrund der finanziellen Einbußen, die sich dann
beispielsweise negativ auf die Nachfrage nach Tickets oder Pay-TV-Abos
niederschlagen können.

Gibt es trotz Krise auch etwas Positives zu erwarten?

Positiv zu erwarten sind – das wäre dringend zu wünschen – eine
Marktkorrektur nach unten, was die Transfersummen und Spielergehälter im
Profifußball anbelangt. Gerade im Profisport erlebt man aktuell eine große
Solidarität zwischen Vereinen, Spielern und Mitarbeiter*innen.

Wie empfinden Sie es, dass Events, wie die Fußball-EM verschoben werden?

Die Entscheidung war alternativlos und richtig. Es ist sehr schade, dass
die EURO nicht wie geplant stattfinden kann. Es wäre in diesem Jahr das
60-jährige Jubiläum dieser Veranstaltung angestanden. Durch das gewählte
paneuropäische Veranstaltungsformat mit zwölf Stadien in zwölf
europäischen Ländern hatte die EURO 2020 einen besonderen, einmaligen
Stellenwert. Wir dürfen uns aber auf die Neuansetzung im Jahr 2021 freuen.

Welche Hilfen gibt es, seitens der Regierung, explizit für die Sport-
Branche? Gibt es da ebenfalls die Möglichkeit auf „monetäre Geschenke“,
wie sie ja derzeit für Unternehmen in der Diskussion stehen?

Die Sport-Branche zeichnet sich durch eine große Heterogenität aus. Von
der Ein-Mann-Agentur bis zur börsennotierten Aktiengesellschaft sind alle
Größenklassen vertreten. Dazu kommt der gemeinnützige Vereins- und
Verbandsport. Deswegen trifft die Krise die Sportbranche in
unterschiedlicher Härte. Man muss zwischen Profisport, kommerziellen
Sportanbietern, wie Fitness-Studios und dem Amateuersport unterscheiden.
Die Profisportabteilungen in den großen Mannschaftssportarten Fußball,
Basketball, Eishockey und Handball sind größtenteils in
Kapitalgesellschaften ausgelagert oder als wirtschaftliche
Geschäftsbetriebe organisiert, so dass ihnen die gleichen Fördermaßnahmen
zustehen wie allen anderen Unternehmen. Das gleiche gilt für die
kommerziellen Sportanbieter. Für Vereine im Amateursportbereich versuchen
die Landessportbünde aktuell finanzielle Hilfen zu organisieren.

Welche Maßnahme würden Sie sich für die Sport-Branche wünschen?

Ähnlich wie es einen finanziellen Zuschuss für Einzelunternehmer und
kleine Betriebe gibt, sollten entsprechende staatliche Förderungen auch
für Amateursportvereine angeboten werden, die durch die Corona-Krise
unverschuldet in eine existenzbedrohende Situation gekommen sind.

Es droht einigen Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichsten Branchen
derzeit die Kurzarbeit oder womöglich sogar eine Entlassung. Sehen Sie
diese Gefahr auch in Vereinen oder Sportclubs?

Diese Gefahr ist mancherorten schon bittere Realität. Erste Profivereine
haben Kurzarbeit für Spieler und Mitarbeiter beantragt. Beim FC Sion in
der Schweiz wurden Spieler gekündigt, weil sie das Angebot auf Kurzarbeit
mit entsprechenden Lohnkürzungen abgelehnt hatten. Andere Profivereine,
insbesondere im Fußball, reagieren mit solidarisch ausverhandelten
partiellen Gehaltsverzichten der Spieler, Manager und Angestellten, um
einen Beitrag zur Senkung der Fixkosten zu leisten. Auch Corona-bedingte
Insolvenzen sind leider nicht auszuschließen.

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Mit ca. 8.400 Studierenden ist die Hochschule Heilbronn eine der größten
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und Schwäbisch Hall bietet die Hochschule mehr als 50 Bachelor- und
Masterstudiengänge an. Die Hochschule pflegt enge Kooperationen mit
Unternehmen aus der Region und ist dadurch in Lehre, Forschung und Praxis
sehr stark vernetzt.