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Stresstest für die internationale Logistik

Wie die Corona-Krise internationale Warenströme herausfordert und welche
Lösungsansätze die Wissenschaft bietet

„Die internationale Logistik steht aktuell vor großen Herausforderungen,
die Industrie, Politik und Forschung nur gemeinsam lösen können“, so Prof.
Dr.-Ing. Frank Straube, Leiter des Fachgebiets Logistik an der TU Berlin.
Bereits im Januar 2020, als das Corona-Virus die Produktivität Chinas
stark dämpfte, wurde klar, dass internationale Logistiknetze vor neuen
Herausforderungen stehen.

China zählt nicht nur zu den bedeutendsten Beschaffungsmärkten, sondern
auch zu den wichtigsten Absatzmärkten der Welt. Mittlerweile ist das Virus
ein globales Thema und nahezu jedes Logistiknetz spürt die Auswirkungen –
selbst dann, wenn es keine Verbindung zu China aufweist. Überall auf der
Welt entstehen Lieferunterbrechungen, die gesamte Logistiknetze zum
Erliegen bringen und die Verfügbarkeit von Endprodukten gefährden. „Wir
müssen feststellen, dass etablierte Prognosemodelle für Kundennachfrage,
Rohstoffbedarfe, Kapazitäten, Lieferzeitpunkte und damit verbundene
Produktionsplanungen an ihre Grenzen stoßen“, beschreibt Frank Straube.
Dabei sind diese Themen für die Logistik-Wissenschaft nicht neu – wenn
auch in dem jetzigen Ausmaß einzigartig. „Lösungsansätze zur Planung und
Steuerung widerstandsfähiger Logistiknetze existieren und wurden bereits
in schwierigen Situationen erprobt. Sie müssen nun auf den aktuellen
Prüfstand gestellt werden“, so Frank Straube.

Frei zugängliches Logistik-Planungstool

Dabei sollten Unternehmen im Umgang mit der Krise vor allem die Robustheit
ihrer Logistiknetze analysieren, ein dynamisches Störfall- und
Risikomanagement etablieren sowie intelligente Zuverlässigkeitsprognosen
entwickeln, rät Frank Straube, dessen Fachgebiet bereits seit Jahren an
Lösungsansätzen für die Planung und Steuerung robuster, internationaler
Logistiknetze arbeitet. Er leitet unter anderem das von der Schweizer
Kühne-Stiftung geförderte Competence Center for International Logistics
Networks. Dessen Forschungsergebnisse, wie zum Beispiel ein Mess- und
Management-Instrumentarium für den Umgang mit starken Schwankungen, wurden
bereits erfolgreich in Industrieunternehmen eingesetzt. Daraus entstanden
ist ein frei zugängliches Logistik-Planungstool, der „TUB Logistics
Navigator“ (https://navigator.logistik.tu-berlin.de/), welches
Optimierungen akteursübergreifend fördert und Benchmark-Lösungen
bereithält. So ermöglicht es verschiedenen Unternehmen, ihre aktuellen
Ansätze auf den Prüfstand zu stellen und an die Gegebenheiten anzupassen.

Ein weiteres Forschungsthema ist das dynamische Event- und
Risikomanagement, welches Störungen in Lieferketten frühzeitig erkennt und
Gegenmaßnahmen ableitet. In dem Zusammenhang hat das Fachgebiet Logistik
im Rahmen des Forschungsprojekts „Smart Logistic Grids“ ein Konzept für
einen smarten Supply Chain Operations Room (Lieferketten-Leitstand) und
eine globale Lieferketten-Cloud zur Bereitstellung und Verarbeitung von
Echtzeitinformationen über Störfälle entwickelt und in der Praxis erprobt.

Intelligentes Assistenzsystem für maritime Transportketten

„Viel wird in der Zukunft von intelligenten Zuverlässigkeitsprognosen
abhängen“, so Frank Straube. Wenn Logistiknetze ins Wanken geraten und die
Warenverfügbarkeit nur schwer sichergestellt werden kann, sind dynamische
Prognosemodelle immer relevanter, um Planungssicherheit zu generieren. Im
Forschungsprojekt „Smart Event Forecast for Seaports“ (SMECS) entwickelte
das Fachgebiet Logistik durch die Anwendung von Verfahren der künstlichen
Intelligenz (Machine Learning) ein intelligentes Assistenzsystem für
maritime Transportketten. Die Prognosegenauigkeit der Ankunftszeit
globaler Lieferketten beim Endkunden konnte durch diese Anwendung
drastisch erhöht werden. Die entwickelten Algorithmen werden bereits in
der Praxis eingesetzt und die Anpassung auf weitere Anwendungsgebiete wird
aktuell erprobt. „Wir planen noch vor Ostern einen frei zugänglichen KI-
Prototypen dieser Logistik auf unserer Webseite zu veröffentlichen, der
dann von Unternehmen und Institutionen genutzt werden kann“, so der
Logistik-Experte

Mehr Informationen: <https://www.logistik.tu-
berlin.de/menue/fachgebiet_logistik/>