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Das sogenannte Kontaktverbot hat das Leben aller Menschen in Deutschland
stark verändert. Die Sozialpsychologin Dr. Jennifer Eck von der
Universität Mannheim beschäftigte sich schon vor der Coronakrise mit den
Folgen sozialer Isolation. Sie ist unter anderem Mitherausgeberin des
Sammelbandes Social Exclusion: Psychological Approaches to Understanding
and Reducing Its Impact, in dem die neuesten psychologischen Ansätze zur
Abfederung der schwerwiegenden negativen Folgen von sozialer Ausgrenzung
zusammengefasst sind. Im Interview beantwortet sie Fragen und gibt Tipps,
wie man mit dem Mangel an persönlichem Kontakt am besten umgehen kann.

Was wirken sich die Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens auf unser
Wohlbefinden aus?

Bisher waren wir es gewohnt, unser Privatleben frei nach unseren Wünschen
und Bedürfnissen gestalten zu können. Diese Gestaltungsfreiheit haben wir
jetzt nicht mehr. Der Verlust von Kontrolle kann Gefühle wie Frustration
und Ärger hervorrufen. Außerdem sind wir gezwungen, Aktivitäten
aufzugeben, die sonst eine zentrale Rolle in unserem Leben spielen,
beispielsweise unsere Familie und Freunde treffen oder Sport treiben. All
dies kann Unzufriedenheit schüren und sich negativ auf unser Wohlbefinden
auswirken. Darüber hinaus sind sehr viele Menschen einer höheren
psychischen Belastung ausgesetzt als sonst. Für diese Belastung kann es
verschiedene Gründe geben: gestiegene Anforderungen im Beruf (z. B. für
Pflegekräfte), das Arbeiten bei gleichzeitiger Kinderbetreuung oder
Existenzängste aufgrund von Verdienstausfällen.

Und welche konkreten Folgen hat soziale Distanzierung für unsere Psyche?

Der Mensch besitzt ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Mit anderen Worten:
Wir brauchen persönliche, soziale Kontakte, damit es uns gut geht. Sind
wir von für uns wichtigen sozialen Kontakten längere Zeit räumlich
getrennt, kann es schnell passieren, dass wir uns einsam fühlen. Mit
anderen zu telefonieren, Textnachrichten zu schreiben oder sich per
Videochat auszutauschen kann gegen die empfundene Einsamkeit helfen.
Persönliche, soziale Kontakte können dadurch aber nicht dauerhaft ersetzt
werden. Fühlen wir uns über einen längeren Zeitraum einsam und ist ein
Ende der Einsamkeit nicht in Sicht, kann dies in einer Depression münden
und sogar die körperliche Gesundheit beeinträchtigen. Ist die soziale
Distanzierung aber auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, können wir
diese Zeit ganz gut überstehen.

Welche Möglichkeiten gibt es, die psychische Belastung in dieser
Ausnahmesituation möglichst gering zu halten?

Wenn unsere gewohnte Routine unterbrochen ist, sollten wir uns eine neue
tägliche Routine aufbauen. Statt sich die ganze Zeit mit den aktuellen
Geschehnissen zu beschäftigen, sollten wir uns auf das fokussieren, was
wir gerade tun. Wichtig ist eine gesunde Balance zwischen Medienkonsum und
den anderen Dingen in unserem Leben. Es ist auch ratsam, nicht über das zu
grübeln, was wir nicht ändern können. Vielmehr sollten wir die Situation
für den Moment so akzeptieren, wie sie ist. Um die Situation erträglicher
zu machen, können auch Pläne für die Zukunft helfen: Auf was freut man
sich, sobald die Situation überstanden ist?

Werden die aktuell notwendigen Maßnahmen unsere Gesellschaft langfristig
verändern?

Für manche Menschen mag die aktuelle Situation die Gelegenheit bieten,
sich einmal Gedanken darüber zu machen, was für einen selbst eigentlich
wichtig ist im Leben. Der Mensch ist allerdings ein Gewohnheitstier und
somit werden viele schnell wieder in gewohnte Verhaltensmuster
zurückfallen, wenn die Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens
aufgehoben sind.

Kann man aus früheren Erfahrungen schließen, wie sich das Leben nach der
Corona-Pandemie verändern wird?

Vor 17 Jahren gab es bereits eine SARS-Pandemie. Betroffen waren vor allem
China, Kanada, Singapur und Taiwan. In diesen Ländern wurden damals auch
öffentliche Einrichtungen geschlossen, Zwangsquarantänen verhängt sowie
Reisewarnungen und -verbote beschlossen, um die Ausbreitung einzudämmen.
Nach Aufhebung der Beschränkungen kehrte relativ schnell wieder Normalität
ein. Allerdings sind von der aktuellen Corona-Pandemie deutlich mehr
Länder betroffen als damals. Es bleibt also abzuwarten, wie schnell alles
wieder seinen gewohnten Lauf nehmen kann.