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Die europäischen Staaten haben seit den 1970er Jahren wiederholt
Gemeinschaftsanleihen auf dem privaten Kapitalmarkt ausgegeben. Die
Anleihen wurden durch die Mitgliedsländer garantiert und an Krisenländer
ausgeschüttet. Coronabonds, wie derzeit diskutiert, stünden daher in einer
langen Tradition der europäischen Solidarität und Haftung.
Gemeinschaftsanleihen haben sich in vergangenen Krisen bewährt und wurden
stets voll zurückgezahlt.

„Die Geschichte zeigt, dass die europäischen Regierungen in tiefen Krisen
immer wieder bereit waren gemeinschaftliche Anleihen auszugeben und dafür
zu haften, wenn auch nur für begrenzte Zeit. Die dafür notwendigen
Institutionen wurden flexibel und kurzfristig entwickelt. Die EU sollte
jetzt dieses bewährte und wirkungsvolle Instrument nutzen, um Länder wie
Italien bei der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie zu
unterstützten“, sagte IfW-Forschungsbereichsleiter Christoph Trebesch.
Gemeinsam mit Josefin Meyer und Sebastian Horn vom IfW Kiel hat er die
historische Entwicklung europäischer Kriseninstrumente analysiert.

Die erste Gemeinschaftsanleihe wurde 1976 zugunsten Italiens und Irlands
emittiert, um dem wirtschaftlichen Schock der Ölkrise zu begegnen.
Insbesondere Italien war stark betroffen und rutschte in eine tiefe
Rezession, mit einer BIP-Schrumpfung von -2% im Jahr 1975. Neben den
europäischen Krediten an Italien zeigte Deutschland auch bilateral
Solidarität und vergab 1974 einen zwischenstaatlichen Milliardenkredit
nach Rom.

In den 1980er und 1990er Jahren folgten weitere europäische Anleihen für
Frankreich, Griechenland und Portugal sowie, nach 2008, für Ungarn,
Lettland und Rumänien. Zusätzlich wurde 2012 der ESM für Eurozonen-Länder
etabliert.

Insgesamt hat die Europäische Gemeinschaft bislang nominal, also nicht
inflationsbereinigt, 38,8 Milliarden Euro an Krediten über
Gemeinschaftsanleihen eingesammelt und an Krisenländer ausgeschüttet. In
der Summe nicht enthalten sind die Kredite des EFSF und ESM. „Die
Hilfskredite waren zum Teil sehr hoch, mit über 5 Prozent des BIPs der
Empfängerländer, und alle Kredite auf europäische Gemeinschaftsanleihen
wurden zurückgezahlt“, so Trebesch.

Tabelle: Überblick über die vergebenen Kredite (siehe Anhang)

Der Weg für Gemeinschaftsanleihen wurde 1975 mit dem sogenannten Community
Loan Mechanism (CLM) geebnet, den unter anderem der deutsche Kanzler
Helmut Schmidt unterstütze. Ziel war es, europäische Gemeinschaftsanleihen
über den privaten Kapitalmarkt aufzunehmen, um Krisenländer zu stützen.
1981 wurde das Instrument zur sogenannten Balance of Payment Facility
reformiert.

Die Gemeinschaftsanleihen wurden vorwiegend über den EU-Haushalt
garantiert. Darüber hinaus gab es Garantieverpflichtung der
Mitgliedsländer. Sollte ein Krisenland seinen Verbindlichkeiten gegenüber
der Gemeinschaft nicht nachkommen, so garantierten die übrigen
Mitgliedstaaten den Schuldendienst nach festgelegten Quoten, wobei.
Deutschland übernahm dabei eine Bürgschaft über 22,02%.

Trebesch: „In der Debatte um die europäische Krisenrettung wird oft
behauptet, Coronabonds, also gemeinschaftliche europäische Schulden, wären
ein Tabubruch. Ein Blick in die Historie zeigt jedoch, dass dies nicht
richtig ist. Seit den 1970er Jahren wurden wiederholt europäische
Gemeinschaftsanleihen emittiert und erfolgreich zur Krisenbewältigung
einzelner Staaten eingesetzt.“