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Ein Projekt der TH Nürnberg erforscht die Interaktion zwischen Musikerinnen und Musikern mit intelligenten Maschinen.  Jan Pfitzer
Ein Projekt der TH Nürnberg erforscht die Interaktion zwischen Musikerinnen und Musikern mit intelligenten Maschinen. Jan Pfitzer

Nürnberger Hochschulen und Steinway & Sons kooperieren in einzigartigem
KI-Forschungsprojekt

Kann ein Flügel mithilfe Künstlicher Intelligenz in einem Jazz-Quartett
mitspielen und sich damit in einen kreativen Schöpfungsprozess einbringen?
Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich das interdisziplinäre
Forschungsprojekt der TH Nürnberg und der Hochschule für Musik Nürnberg
gemeinsam mit dem Konzertflügelhersteller Steinway & Sons. Im LEONARDO –
Zentrum für Kreativität und Innovation forschen sie auf dem Gebiet des
maschinellen Klang- und Sprachverständnisses.

Nürnberg, 25. Mai 2020. Die Technische Hochschule Nürnberg und die
Hochschule für Musik Nürnberg kooperieren mit Steinway & Sons in dem
interdisziplinären Forschungsprojekt „Spirio Sessions“ zu Künstlicher
Intelligenz – konkreter: zu Künstlicher Kreativität. Als erste akademische
Institution europaweit wird LEONARDO – Zentrum für Kreativität und
Innovation, an dem unter anderem die TH Nürnberg und die HfM Nürnberg
beteiligt sind, mittels des neuartigen Steinway & Sons-Flügels, Modell
Spirio R, die Interaktion zwischen Musikerinnen und Musikern mit
intelligenten Maschinen erforschen.
„Ein klassischer Konzertflügel auf höchstem Exzellenzniveau und ein
hochinnovatives robotisches Digitalinstrument: Der Spirio R ist beides in
einem“, erklärt Prof. Dr. Martin Ullrich, Professor für interdisziplinäre
Musikforschung an der HfM Nürnberg. „Damit ist er für uns das ideale
Werkzeug, um neue Welten der künstlichen Kreativität zu erschließen.“ Das
analog-digitale Hybrid-Instrument des weltweit führenden Herstellers für
Konzertflügel Steinway & Sons bildet den Mittelpunkt des
interdisziplinären Forschungsprojekts. Dank der erarbeiteten Expertise in
Forschungsprojekten zur Co-Kreation von Mensch und Maschine war es
möglich, eine Entwicklungspartnerschaft zwischen LEONARDO und Steinway &
Sons zu schließen und so den neuartigen Spirio R Flügel bereits mehrere
Monate vor Markteinführung zu erhalten.
Die Sensorik des Instruments erlaubt es nicht nur, Tastenbewegungen in
einer bisher unübertroffenen Präzision und Komplexität zu erfassen und
wiederzugeben – der Flügel bietet auch digitale Analysewerkzeuge sowie
eine Schnittstelle, anhand derer der Flügel mit einer Künstlichen
Intelligenz erweitert werden kann. Ursprünglich wurde das Instrument
entwickelt, um Live-Konzerte aus der Ferne zu geben, nun beschreitet ein
Forschungsteam aus Professoren der TH Nürnberg und der HfM Nürnberg neue
Wege und versucht stattdessen, die Potentiale der Schnittstelle zwischen
dem Flügel und Künstlicher Intelligenz auszuloten.
Dabei kooperieren die Fachgebiete der Interdisziplinären Musikforschung
der HfM Nürnberg – welche erst kürzlich im KI-Wettbewerb des Bayerischen
Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst mit einer Professur für
„Künstliche Kreativität und musikalische Interaktion“ erfolgreich war –
mit Wissenschaftler*innen für Maschinelles Lernen an der Fakultät
Informatik der TH Nürnberg.
Das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte und
finanzierte LEONARDO – Zentrum für Innovation und Kreativität ist ein
Kooperationsprojekt von drei Nürnberger Hochschulen: der Technischen
Hochschule Nürnberg, der Hochschule für Musik und der Akademie der
Bildenden Künste. Der Fokus des Innovationszentrums liegt in diesem Jahr
auf dem Themenfeld „Künstliche Intelligenz und Mensch-Maschine-
Interaktion“. Genau darum dreht sich das Forschungsprojekt „Spirio
Sessions“.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln innovative
technologische Lösungen für ein Zusammenspiel zwischen Mensch und
Maschine. In der jüngsten Vergangenheit gab es wiederholt Bestrebungen,
eine KI auf Basis von Datenmaterial neue Kompositionen erschaffen zu
lassen. Auch der Einsatz von KI als Werkzeug in der Musikproduktion wird
stetig vorangetrieben. Doch klassische Herangehensweisen des maschinellen
Lernens stießen dabei schnell an ihre Grenzen. „Die Ergebnisse konnte man
bestenfalls als 'interessant' bezeichnen", so Prof. Dr. Korbinian
Riedhammer, Professor für Softwarearchitektur und Maschinelles Lernen an
der TH Nürnberg. Ein Treffen auf Augenhöhe, wie es etwa beim Schach schon
lange problemlos möglich ist, hielt man in der Musik bisher noch für
Science Fiction. „Darum wollen wir uns in diesem gemeinsamen
Forschungsprojekt einen Schritt weiter bewegen", erläutert Prof. Dr.
Korbinian Riedhammer die Kooperation zwischen LEONARDO und Steinway &
Sons. „Im Mittelpunkt wird die Entwicklung künstlicher Kreativität in der
Interaktion zwischen menschlichen Musizierenden, innovativen
Musikinstrumenten und Künstlichen Intelligenzen stehen. Bisher
konzentrierte sich die Forschung auf eine symbolische Repräsentation der
Musik wie etwa MIDI, eine Art Notenschrift für Computer. Mit dem Spirio
können wir nun mit der tatsächlichen Interpretation der Musik arbeiten.”
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich komplexen Fragen:
Kann eine Künstliche Intelligenz auf gleichem Niveau mit einem Menschen in
einem kreativen Schöpfungsprozess in Echtzeit zusammenarbeiten – und wie
kann eine solche Kooperation aussehen? Kann der Flügel in einem Jazz-
Quartett improvisieren? Gar seine persönliche Note hinzufügen? Und welche
Erkenntnisse erlangen wir dadurch über den vermeintlich exklusiv
menschlichen Kreativprozess? Die Antworten auf diese Fragen sind dabei
nicht nur für die Musik interessant: Erkenntnisse auf dem Gebiet
maschinellen Klang- und Sprachverständnisses könnten langfristig auch auf
andere Anwendungsszenarien wie beispielsweise die Medizin übertragen
werden, so die Hoffnung des Projektteams.

Am 29. Mai 2020 werden Marcus König, neuer Oberbürgermeister der Stadt
Nürnberg, und Prof. Dr. Julia Lehner, 2. Bürgermeisterin der Stadt
Nürnberg und zuständig für den Geschäftsbereich Kultur, die Hochschule für
Musik Nürnberg besuchen und dort unter anderem auch den Spirio R-Flügel
von LEONARDO – Zentrum für Innovation und Kreativität präsentiert
bekommen.