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Satellitenaufnahmen vor und nach dem Taifun zeigen die immense Erosion. Der Sturm beeinflusste damit sogar die Erdbebenaktivität.  LANDSAT  NASA, LANDSAT
Satellitenaufnahmen vor und nach dem Taifun zeigen die immense Erosion. Der Sturm beeinflusste damit sogar die Erdbebenaktivität. LANDSAT NASA, LANDSAT

Intensive Erosion kann die Erdbebenaktivität (Seismizität) einer Region
vorübergehend deutlich ändern. Das haben Forschende des Deutschen
GeoForschungsZentrums GFZ gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und
Kollegen jetzt in Taiwan nachgewiesen. Sie berichten darüber in der
Fachzeitschrift „Scientific Reports“.

Die Erde steht ständig unter Spannung. Ab und an entlädt sich diese in
schweren Erdbeben, zumeist ausgelöst durch die Bewegung von tektonischen
Platten. Es gibt jedoch einen Einflussfaktor, der bislang wenig beachtet
war: Intensive Erosion kann die Erdbebenaktivität (Seismizität) einer
Region vorübergehend deutlich ändern. Das haben Forschende des Deutschen
GeoForschungsZentrums GFZ gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und
Kollegen jetzt in Taiwan nachgewiesen. Sie berichten darüber in der
Fachzeitschrift „Scientific Reports“.

Die Insel im westlichen Pazifik ist ohnehin eine der tektonisch aktivsten
Regionen der Welt, da die Philippinische Platte mit der Eurasischen Platte
kollidiert. Vor 11 Jahren erreichte der Taifun Morakot die Küste Taiwans.
Dieser tropische Wirbelsturm gilt als einer der schlimmsten in der
Geschichte Taiwans. Innerhalb von nur drei Tagen im August 2009 fielen
dreitausend Liter Regen pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In Berlin und
Brandenburg fallen im Schnitt rund 550 Liter pro Quadratmeter in einem
Jahr. Die Wassermassen verursachten Überschwemmungen und zahlreiche
massive Erdrutsche. Mehr als 600 Menschen starben, der wirtschaftliche
Schaden belief sich auf umgerechnet rund 3 Milliarden Euro.

Das internationale Team um Erstautor Philippe Steer von der Universität
Rennes in Frankreich werteten die Erdbebentätigkeit nach diesem
Erosionsereignis statistisch aus. Ihre Analysen ergaben, dass es in den
zweieinhalb Jahren nach dem Taifun Morakot wesentlich mehr kleinräumige
und flache Erdbeben gab als zuvor und dass diese Veränderung nur in dem
Gebiet auftrat, das umfangreiche Massenverluste aufwies. GFZ-Forscher und
Letztautor Niels Hovius sagt: „Wir erklären diese Veränderung der
Seismizität durch eine Zunahme der Krustenspannungen in geringer Tiefe,
weniger als 15 Kilometer, in Verbindung mit der Oberflächenerosion.“ Die
zahlreichen Erdrutsche hätten enorme Lasten bewegt, Flüsse das Material
aus den verwüsteten Regionen transportiert. „Die fortschreitende
Beseitigung dieser Last verändert den Zustand der Spannungen im oberen
Teil der Erdkruste so stark, dass es zu mehr Erdbeben in geologischen
Verwerfungen kommt“, erläutert Hovius.

So genannte aktive Gebirgsketten, wie es sie in Taiwan gibt, sind durch
„Überschiebungen“ im Untergrund geprägt. In der Regel ist es der
fortwährende Druck der sich bewegenden und verhakten Erdkrustenplatten,
der zum Bruch führt. Die so entstandenen Erdbeben wiederum verursachen oft
Hangrutschungen und verstärkte Erosion. Die Arbeit der GFZ-Forschenden und
ihrer Kolleginnen und Kollegen zeigt jetzt erstmals, dass auch der
umgekehrte Weg möglich ist: Massive Erosion beeinflusst die Seismizität –
und das in geologisch extrem kurzer Zeit. Niels Hovius:
„Oberflächenprozesse und Tektonik sind in einem geologischen Wimpernschlag
miteinander verbunden.“ Der Forscher weiter: „Erdbeben gehören zu den
gefährlichsten und zerstörerischsten Naturgefahren. Ein besseres
Verständnis der Erdbebenauslösung durch die Tektonik und durch externe
Prozesse ist entscheidend für eine realistischere Einschätzung der
Erdbebengefährdung, insbesondere in dicht besiedelten Regionen.“