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Gesundes Essen kann so viel Spaß machen  K. Baumeister / TUM
Gesundes Essen kann so viel Spaß machen K. Baumeister / TUM

Die aktuelle Corona-Epidemie betrifft fast alle Bereiche der Medizin und
des täglichen Lebens. Häufig tauchen Fragen zum Stellenwert der Ernährung
auf, etwa welche Ernährung einen Schutz vor der Corona-Infektion bieten
kann und welche Bedeutung die Ernährung im Krankheitsverlauf hat. Hans
Hauner, Professor für Ernährungsmedizin am Else Kröner-Fresenius-Zentrum
(EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München (TUM),
gibt im Interview einen Überblick.

Welchen Einfluss hat die Ernährung auf das Immunsystem?

Stark vereinfacht lässt sich sagen, dass eine Mangelernährung, die durch
niedrigkalorische Kost entsteht, die Aktivität des Immunsystems schwächt.
Dabei sinkt auch die Fähigkeit des Körpers, Entzündungen zu bekämpfen.

Eine kalorienreiche Ernährung mit hohem Anteil tierischer Lebensmittel,
wie sie für die deutsche Bevölkerung typisch ist, hat eine leicht
entzündungsfördernde Wirkung. Eine pflanzlich betonte Kost wirkt eher
entzündungshemmend.

Welche Ernährungsempfehlungen können Sie zum Schutz vor COVID-19 geben?

Grundsätzlich empfehle ich eine bedarfsgerechte, ausgewogene Ernährung.
Gleichwertige Alternativen sind eine vegetarische Ernährung und die
Mittelmeerkost. Diese Ernährungsformen können zwar nicht vor Infektionen
schützen, machen aber das Immunsystem fit und bringen den Körper in eine
gute Verteidigungsposition.

Menschen mit Unter- oder Mangelernährung zählen zu den Risikopersonen mit
erhöhtem Infektionsrisiko und schlechterer Prognose. Eine Mangelernährung
findet sich häufig bei schweren Erkrankungen, aber auch bei älteren
Menschen.

Was empfehlen Sie Personen mit nachgewiesener Infektion im Hinblick auf
Ernährung?

Der Körper muss weiterhin ausreichend mit Energie und allen wichtigen
Nährstoffen, einschließlich der Mikronährstoffe, versorgt werden. Bei
Krankheiten mit Fieber steigt der Energiebedarf um rund 13 Prozent pro
Grad Temperaturerhöhung.

Gibt es Studien, die einen Zusammenhang von Ernährung und möglichen
Corona-Infektionen zeigen?

Erste Publikationen legen nahe, dass Adipositas ein bedeutsamer
Risikofaktor für schwere Verläufe der COVID-19-Erkrankung ist.

Eine aktuell publizierte rückblickende Analyse an 3.615 Patienten mit
COVID-19 aus New York ergab, dass Adipositas, definiert als BMI ≥ 30
kg/m2, vor allem bei Patienten im Alter unter 60 Jahren ein zweifach
erhöhtes Risiko mit sich bringt, in eine Klinik bzw. auf eine
Intensivstation aufgenommen zu werden. Bei einem BMI ≥ 35 kg/m2 und Alter
unter 60 Jahren war das Risiko 3,6-fach erhöht, auf eine Intensivstation
zu kommen.

Eine Analyse von COVID-19-Patienten der Uniklinik der RWTH Aachen zeigte,
dass Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) häufig eine Adipositas
aufweisen.

Derzeit wird jeden Tag eine neue Studie veröffentlicht, die ähnliche
Befunde zeigt.

Ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (Supplementierung)
sinnvoll?

Es gibt plausible Argumente für Selen oder Vitamin D, die allerdings
überwiegend aus Zellkultur- oder tierexperimentellen Studien stammen. Die
Daten für den Menschen sind noch sehr dünn. Es gibt allerdings Hinweise,
dass Vitamin D das Risiko für Lungenentzündungen reduzieren könnte.
Daneben werden besonders sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole und
Karotinoide empfohlen, die die Abwehrkräfte stärken sollen und auf
ähnlichen experimentellen Methoden basieren.

Es fehlen aber gute kontrollierte Interventionsstudien am Menschen, sodass
der Nutzen für Menschen mit einer Virusinfektion fraglich ist. Ich würde
daher von einer Supplementierung eher abraten, wenn es keinen wirklichen
medizinischen Grund gibt.

Die aktuellen Empfehlungen für die Zufuhr von Mikronährstoffen beim
gesunden Menschen haben Sicherheitsmargen, sodass selbst bei einem
erhöhten Bedarf keineswegs zwangsläufig ein Mangel droht. Eine ausgewogene
Ernährung stellt dem Körper die benötigten Mikronährstoffe in
ausreichender Menge zur Verfügung.

Mehr Informationen:
Prof. Hans Hauner ist Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrum für
Ernährungsmedizin (EKFZ). Dies wurde im Jahr 2003 an der TUM eingerichtet.
Die Anschubfinanzierung erfolgte durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung
(EKFS). Durch eine weitere Förderung der EKFS im Jahr 2018 kann der Status
des EKFZ als national und international anerkannte Einrichtung auf dem
Gebiet der Ernährungsmedizin weiter gefestigt werden. Das Zentrum besteht
aus zwei Lehrstühlen und einer Fachgruppe. (https://www.ekfz.tum.de/)