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Eine „soziale Preisbindung” gilt für die meisten Wohnungen in der Nürnberger Wohnanlage St. Ludwig der Joseph-Stiftung.  Joseph-Stiftung Bamberg
Eine „soziale Preisbindung” gilt für die meisten Wohnungen in der Nürnberger Wohnanlage St. Ludwig der Joseph-Stiftung. Joseph-Stiftung Bamberg

Sozialer Wohnungsbau kostet. Gäbe es ihn nicht, würden der Gesellschaft in
anderen Bereichen Kosten entstehen. Gemeinsam mit der Bamberger Joseph-
Stiftung untersucht die Hochschule Coburg, was Sozialer Wohnungsbau der
Gesellschaft bringt.

Die Zinsen sind niedrig, Immobilien gelten als gute Investition. Und die
Preise steigen weiter. Aber Wohnraum ist nicht nur ein Finanzobjekt.
„Leider bleiben soziale Auswirkungen beim finanziellen Renditekalkül außen
vor“, sagt Marcus Hentschel. Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt an der
Hochschule Coburg unter anderem Investitionsrechnung und Finanzierung für
verschiedene Studiengänge. Mit einer Gruppe Studierender aus den
Studiengängen Soziale Arbeit und BWL hat er zwei Semester lang die
wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Sozialwohnungen
untersucht. „Soziale Arbeit hat das Menschenwohl im Fokus, BWL den
unternehmerischen Gedanken. Es ging darum, beides zu verbinden.“ Im
Zentrum der Untersuchung stand die Frage „Lohnt sich sozialer
Wohnungsbau?“
Dazu wurde der „Social Return on Investment”-Ansatz herangezogen – SROI
oder auch „Sozialrendite“ genannt: Soziale Projekte und Maßnahmen erzeugen
einen gesellschaftlichen Mehrwert und diese Vorteile werden in Geld
bemessen. „Übertragen auf den Sozialen Wohnungsbau bedeutet das
beispielsweise, dass die Menschen in einer angemessenen Wohnsituation
seltener krank werden als wenn sie unter schlechten Bedingungen leben
müssten. Das vermeidet Kosten im Gesundheitssektor.“
Bei dem Forschungsprojekt arbeitete die Hochschule Coburg mit der Joseph-
Stiftung zusammen. Rund die Hälfte der Wohnungen des kirchlichen
Wohnungsunternehmens der Erzdiözese Bamberg sind öffentlich gefördert:
123.000 m² Wohnfläche. Nach einem Semester Theoriearbeit waren die
Studierenden bereit für den Praxisteil. In Bamberg und Nürnberg befragten
sie Bewohner und Bewohnerinnen von Sozialwohnungen der Joseph-Stiftung, um
herauszufinden, wie sich sozialer Wohnungsbau auswirkt.
„Was wäre, wenn es keine Sozialwohnungen gäbe?“ Die Bewohnerinnen und
Bewohner hätten weniger Geld, weniger Möglichkeiten für Konsum, ein
selbstbestimmtes Leben, und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wäre
erschwert. Sie wären weniger zufrieden. „Soziale Beziehungen zu Familie
und Freunden sind besser, als wenn man in einer Bruchbude leben würde.“
Auch für Kinder hat der Soziale Wohnungsbau positive Effekte, denn sie
haben beispielsweise bessere Rahmenbedingungen um zu lernen und einen
guten Schulabschluss zu machen. Ein wichtiger Faktor für ältere oder
behinderte Menschen ist außerdem die Barrierefreiheit dieser Wohnungen.
„Überraschend ist, dass viele ungern darüber reden, dass sie in
geförderten Wohnungen leben“, sagt Hentschel. Es gebe viele Vorurteile –
zum einen den Bewohnern gegenüber: „Aber in eine schwierige Situation kann
jeder kommen, das betrifft häufig Alleinerziehende, Kranke oder Menschen
mit geringem Einkommen. Darunter sind oft Berufe, von denen wir jetzt
gelernt haben, dass sie systemrelevant sind: zum Beispiel im Einzelhandel
oder der Krankenpflege.” Auch von den Anlagen selbst hätten viele Menschen
ein falsches Bild: „Man denkt bei Sozialwohnungen an alte,
heruntergekommene Häuser. Aber das sind gepflegte Wohneinheiten.”
Im ersten Schritt wurde die Lebenssituation der Bewohner beleuchtet. „Man
muss in Folgerechnungen vergleichen, wie es ohne diese Wohnungen wäre.”
Dafür müssten sämtliche Investitionen und Folgekosten betrachtet und ein
Messverfahren entwickelt werden. „Die große Herausforderung ist, die
individuellen und gesellschaftlichen Vorteile und die vermiedenen Kosten
in Geldeinheiten zu bemessen – das ist die Voraussetzung, um an dem Thema
weiter zu forschen.”