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"Das System Bioökonomie", SpringerSpektrum (2020)

Die Bioökonomie hat die Hoffnung genährt, Lösungsbeiträge für globale
Zukunftsfragen wie Klimawandel, Degradierung von landwirtschaftlichen
Flächen und Verlust der Biodiversität anbieten zu können. Sie trat mit dem
Anspruch an, eine umfassende Transformation in ein neues Wirtschaftssystem
einzuleiten. Gleichzeitig wuchs die Sorge, dass Bioökonomie als
vermeintlich grünere Wirtschaft die Plünderung des Planeten weiter
beschleunigt. Pünktlich zum „Wissenschaftsjahr 2020 Bioökonomie“ haben
Prof. Daniela Thrän und Urs Moesenfechtel vom Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung (UFZ) nun das Buch „Das System Bioökonomie“
veröffentlicht, das einen Überblick über dieses wichtige Zukunftsthema
bietet.

Das Fahrrad aus Bambus statt aus Stahl, das T-Shirt aus Milchproteinen
statt aus Polyester, der Turnschuh aus Kork statt aus Plastik, der
Fahrradhelm aus Pilzen statt aus Styropor: Die Bioökonomie hat viele neue
Produkte hervorgebracht. Aber es sind Nischenprodukte, die nur wenigen
bekannt sind. Und dennoch: Sie sind die ersten sichtbaren Ergebnisse
vieler kleiner Veränderungen. Sie deuten an, wie sich unsere bisherige
Wirtschafts- und Lebensweise ändern könnte und sie sind vor allem
Hoffnungsträger: Nachhaltigkeit ist ohne Konsumverzicht möglich und
eröffnet neue Möglichkeiten des Komforts. Eine Transformation in ein neues
Wirtschaftssystem kann gelingen.

Doch stimmt das? Was und wer steckt hinter diesen Produktinnovationen? Wie
werden sie ermöglicht? Und: Löst die Bioökonomie zentrale Zukunftsfragen?
„Innovationen sind natürlich die sichtbarsten Vertreter von
Transformationen, aber dadurch lassen sich die Transformationen, die die
Innovation hervorgebracht haben, noch nicht verstehen. Das ist nur durch
eine systemische Betrachtung möglich“, sagt Prof. Daniela Thrän, Leiterin
des Departments Bioenergie am UFZ und Herausgeberin des Buches.

Unter einer systemischen Betrachtung verstehen die Autorinnen und Autoren
des Buchs vor allem das Zusammenspiel von Wirtschaftsprozessen, neuen
wissenschaftlichen Erkenntnissen und Anwendungen, rechtlichen
Rahmenbedingungen, gesellschaftlichen Ansprüchen sowie die Nutzung
ökologischer Ressourcen. „Die systemische Perspektive zeigt auf, wie all
diese Ebenen zusammenhängen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und
welche Dynamiken dort bestehen“, erklärt Daniela Thrän. „So lassen sich –
über einzelne Innovationsbeispiele hinaus – die Potenziale von
Transformationen verstehen und einschätzen.“

Entsprechend beleuchten die Autorinnen und Autoren – Expertinnen und
Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft – in
dem Buch verschiedene Teilbereiche der Bioökonomie und setzen sie
miteinander in Bezug. Ausgangspunkt ist dabei die Beschreibung
bioökonomietypischer Ressourcen wie Pflanzen, Holz, Mikroorganismen,
aquatische und tierische Biomasse sowie von Daten und Informationen.
Entlang dieser Ressourcen haben sich Branchen entwickelt, Prozesse und
Verfahren etabliert und Akteure eingefunden. Sie werden anhand von
Beschreibungen und Portraits konkreter Personen, Netzwerke und Cluster
vorgestellt. Darüber hinaus erfolgt eine Beschreibung der Handlungsrahmen,
in denen sich die Bioökonomie entwickelt – also Innovationsverständnisse,
nationale und internationale Governance, Szenarien und Modelle,
Monitoringaktivitäten, Berufsfelder oder Bioökonomie-Diskurse.

„Die systemische Sichtweise macht Strukturen deutlich, sodass sich alle
jetzigen und künftigen Akteurinnen und Akteure der Bioökonomie neu über
ihre Bedeutung, Relevanz und Möglichkeiten verständigen können“, betont
der Co-Herausgeber Urs Moesenfechtel. Damit lasse sich Bioökonomie nicht
nur besser verstehen, sondern auch besser gestalten. „Und es lässt sich
besser abschätzen, ob die Bioökonomie zur Lösung unserer drängenden
Zukunftsfragen beiträgt. Schließlich ist es nicht allein entscheidend, ob
sich einzelne Produkte verändern, sondern ob, wie und mit welchen Folgen
sich Systeme verändern“, sagt er. Dr. Christian Patermann, Wegbereiter der
Bioökonomie in Europa, ergänzt: „Das Buch ist nicht nur eine prägnante
Gesamtschau auf den Status quo der Bioökonomie, sondern vor allem auf ihre
zukünftigen Entwicklungen – in Deutschland und darüber hinaus. Das gilt
besonders für die Herausforderungen in der Zeit nach Covid19.“