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IESE-Professor Reiche: “Ergebnisse kontrollieren statt Mitarbeiter”  IESE Business School
IESE-Professor Reiche: “Ergebnisse kontrollieren statt Mitarbeiter” IESE Business School

Homeoffice bricht mit antiquierten Arbeitsstrukturen - IESE-Professor
Reiche: “Ergebnisse kontrollieren statt Mitarbeiter”.
“Der Zwang zum Home Office bricht mit antiquierten Arbeitsstrukturen und
verbessert sie dauerhaft”. Sebastian Reiche, Professor an der IESE
Business School mit Campus in München, sieht “die Krise als eine riesige
Chance, herauszufinden, welche Aufgaben auch in Zukunft besser online
erledigt werden sollten”.

Durch die Ausbreitung des Coronavirus hätten noch nie so viele Menschen
auf allen Ebenen ortsunabhängig gearbeitet. Der unternehmerische Erfolg
hänge daher mehr denn je von der Effektivität virtueller Teams ab. Manager
seien physisch, operativ und emotional von ihrem virtuellen Team und der
Arbeit, die es leistet, weit entfernt. “Die Aufgabe besteht darin, diese
Distanz zu überwinden, damit das Team funktioniert”, so Reiche, Chef des
Managing People in Organisations Department der IESE Business School.

Die größte Herausforderung sei der Mangel an “Tiefenwahrnehmung”. “Leiten
Sie ein Team von Tauchern und befinden sich gerade im Wasser, haben Sie
ein gutes Gefühl für die Tiefe des Ozeans. Sind Sie aber oben auf dem
Boot, fehlt Ihnen die Wahrnehmung. Das Gleiche gilt für Manager von
virtuellen Teams.”

Die geographische Entfernung dürfe nicht “aus den Augen, aus dem Sinn”
bedeuten. Die Forschung zu sozialen Netzwerken zeige, dass mit zunehmender
Entfernung die Bereitschaft zum Netzwerken abnehme. Sei ein Team über die
Zeitzonen hinweg verstreut sollten Zeiten für wöchentliche Meetings
rotieren, um alle Teammitglieder einzubinden. “Der Manager eines
virtuellen Teams muss auch nach Feierabend für seine Mitarbeiter da sein”,
so IESE-Profesor Reiche.

Manager empfänden oftmals eine Form von Kontrollverlust und befürchteten,
ihre Mitarbeiter würden online nicht so effizient arbeiten wie im Büro.
Dies könne dazu führen, dass Manager gegenüber der Leistung ihrer
Mitarbeiter voreingenommen seien. Umgekehrt sähen sich auch Mitarbeiter
einer völlig veränderten Situation gegenüber mit allen Problemen, die das
Arbeiten von zuhause aus mit sich bringe. “Klären Sie den
Kommunikationsstil im Team, Videokonferenzen für die täglichen
Besprechungen, aber Instant Messaging bei dringenden Aufgaben”, so IESE-
Professor Reiche.
“Vertrauen Sie Ihrem Team. Kontrollieren Sie Ergebnisse statt Mitarbeiter.
Wichtig ist, dass jemand seine Arbeit macht, nicht wo. Die alte
Arbeitswelt mit Stechuhr und Großraumbüro gibt es nicht mehr, wer das
nicht kapiert, wird nicht überleben”, so IESE-Professor Sebastian Reiche:

Der Manager benötige Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis, wenn
Arbeit und Privatleben der Teammitglieder immer mehr verschwimmen. Anstatt
Mitarbeiter und Arbeitsprozesse kontrollieren zu wollen, sollten sich
Manager auf eine outputbasierte Kontrolle konzentrieren. “Ich möchte, dass
Sie x bis z liefern", diese Vorgabe sei gleich, ob nun im Büro oder in
Fernarbeit. Homeoffice dürfe keine negative Auswirkungen auf die
Produktivität haben. “Mitarbeiter bringen, wenn sie mehr Flexibilität
erhalten, mehr persönliche Opfer für das Unternehmen. Überwachen Sie
Mitarbeiter zu sehr, geht dieses zusätzliche Engagement verloren”.

Die Forschung belege, dass physische Isolation oftmals dazu führe, dass
sich Teammitglieder nicht genug respektiert fühlten. Insbesondere
extrovertierte Menschen litten kurzfristig stärker unter erlebter
Einsamkeit. Das Potenzial für Missverständnisse sei in einer virtuellen
Umgebung viel höher, da nonverbale Hinweise fehlten. Die emotionale und
soziale Distanz zu überwinden, setze voraus, die Alltagsrealität der
Kollegen zu kennen. Führungskräften rät Sebastian Reiche zu
Einzelgesprächen. “Als Chef müssen Sie herausfinden, wie es jedem
einzelnen Mitarbeiter geht. Bitten Sie Teammitglieder um virtuelle
Führungen durch ihre Arbeitsräume, interessieren Sie sich für die Welt
ihrer Teamkollegen”. Ein persönliches Arbeitsklima im Homeoffice sei
besser als die virtuelle Umgebung für Videoanrufe so steril wie möglich zu
gestalten. “Eine unvorhergesehene Unterbrechung, wenn eines der Kinder auf
der Suche nach Mama oder Papa ins Homeoffice stürmt, ist nichts Schlimmes.
Es vermittelt einen Teil des persönlichen Lebens, das ist menschlich,
nicht peinlich”, so Sebastian Reiche.