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Diskussion der Podiumsteilnehmenden  Fotograf: Markus Scholz  Copyright: IAMO
Diskussion der Podiumsteilnehmenden Fotograf: Markus Scholz Copyright: IAMO

Podiumsgäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten über
Ernährungssicherung
Schwankende Niederschlagsmengen, Extremtemperaturen und Bodendegradierung
stellen die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Der Klimawandel
aber auch regionale und weltweite Krisen, wie die COVID19-Pandemie und
Afrikanische Schweinepest, verunsichern die Produzenten und Konsumenten
gleichermaßen. Vor diesem Hintergrund nahmen am 22. Januar 2021 fast 500
Zuschauerinnen und Zuschauer online an der Podiumsdiskussion zum Thema „Im
Wandel wachsen: Neue Ansätze für robuste Ernährungssysteme gegenüber
Pandemien und Klimaschocks“ teil. Die Veranstaltung fand im Rahmen des
Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) statt und wurde von der
German Agribusiness Alliance (GAA) in Kooperation mit dem IAMO
organisiert.

Das Fachpodium wurde von der Moderatorin Julia Harnal, Co-Vorsitzende der
German Agribusiness Alliance und Vice President Sustainability &
Governmental Affairs Agricultural Solutions, BASF SE, eröffnet. In ihrer
Einführungsrede wies sie darauf hin, dass die COVID19-Pandemie im Jahr
2020 gezeigt habe, wie anfällig die Lebensmittelsysteme, insbesondere in
den aufstrebenden Ländern, seien. Zudem nehmen die Auswirkungen des
Klimawandels einen immer stärkeren Einfluss auf die Landwirtschaft. Vor
diesem Hintergrund kamen internationale Vertreter der Politik, Wirtschaft
und Wissenschaft zusammen, um darüber zu diskutieren, wie der Agrarsektor
zukünftig resilienter und nachhaltiger gestaltet werden kann.

In einem Impulsvortrag erörterte der Wissenschaftler Dr. Daniel Müller,
stellvertretender Leiter der Abteilung Strukturwandel des IAMO, dass
Krisen wie die COVID19-Pandemie und der Klimawendel große Unsicherheiten
im Agrarsektor schaffen. Vor allem der Klimawandel, darunter Wetterextreme
wie Starkregen und Dürren, trage dazu bei, dass „Produktionsschocks“
verstärkt werden, die wiederum erhebliche Auswirkungen auf die
Lebensmittelsysteme haben. Diese erheblichen Unsicherheiten nehmen
Einfluss auf die Konsumenten, Renditen, Investitionen, Betriebsmittel und
somit auf die Produktionsmengen der Landwirtschaft. Um auf diese Situation
adäquat reagieren zu können, müssen Wissen und Technologien verbessert
werden. Müller schlug vor, dass Produktionsportfolio zu diversifizieren,
um nicht auf wenige Grundnahrungsmittel angewiesen zu sein. Es sollten
agronomische Innovationen, darunter verbessertes Landmanagement und
Biotechnologien, verbreitet und der internationale Handel mit
Lebensmitteln gefördert werden. In vielen Regionen müsse man stärker in
die Infrastruktur investieren und die Lagermöglichkeiten von Lebensmittel
ausbauen. Des Weiteren wäre es wichtig, Frühwarnsysteme für
Extremwetterereignisse sowie das Risikomanagement durch digitale
Datenermittlung und Indexversicherungen zu verbessern. Müller empfahl den
Regierungen Rahmenbedingungen und Anreize für die Landwirtinnen und
Landwirte zu schaffen, um klimafreundlich und nachhaltig zu produzieren.

Vizeminister Taras Kachka, Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung,
Handel und Landwirtschaft der Ukraine, erklärte, die COVID19-Pandemie und
der Klimawandel habe die Ukraine im letzten Jahr vor einige
Herausforderungen gestellt. Langanhaltende Dürreperioden im Süden des
Landes führten zu niedrigen Ernteerträgen und setzten damit die
Lebensmittelpreise und das Exportsystem unter großen Druck. Dennoch
verfolge die Ukraine auch weiterhin das Ziel, im nächsten Jahrzehnt ihre
Exporte zu verdoppeln. Hierfür seien die Europäische Union (EU), wo
bereits jetzt 70 Prozent der Exporte hingehen, und China die beiden
größten Partner der Ukraine. Um das Exportziel zu erreichen, werden
Strategien zur Bodenbewässerung, zu Logistiksystemen und zum Einsatz von
Betriebsmitteln nach EU-Vorgaben, wie Düngemitteln und Pestiziden,
entwickelt. Zudem solle in der Ukraine die Biolandwirtschaft ausgebaut und
die strategischen Partnerschaften mit der EU in den Bereichen Wissens- und
Technologietransfer intensiviert werden. Vizeminister Kachka unterstrich,
dass die gesicherte Versorgung der ukrainischen Bevölkerung mit
Grundnahrungsmitteln und die Stabilisierung der Lebensmittelpreise im
Mittelpunkt stehen.

Dr. Thomas Kirchberg, Vorstandmitglied der Südzucker AG, verwies auf die
bereits heute übliche Praxis in der Zuckerindustrie, neben dem Endprodukt
Zucker auch alle weiteren Pflanzenbestandteile der Zuckerrübe, wie Wasser,
Ballaststoffe, Proteine und Eiweiße, zu verwerten. Innerhalb der
Wertschöpfungskette erfolge zudem ein sehr intensiver Austausch mit den
Landwirtinnen und Landwirten sowie der Wissenschaft. Im Fokus stehe dabei
die effiziente, nachhaltige und umweltfreundliche Produktion durch den
Einsatz widerstandfähiger Pflanzensorten, der Verwendung von Wetter- und
Bodenanalysen, die Entwicklung eines geeigneten Wasser- und
Schädlingsmanagements sowie der Nutzung alternativer Energiekonzepte auf
den landwirtschaftlichen Betrieben. Kirchberg fügte hinzu, dass das
Unternehmen Südzucker gemeinsam mit Bauernverbänden und der
Zuckerrübenforschung zu all diesen Schwerpunkten kontinuierlich Konzepte
für die praktische Umsetzung in den Betrieben erarbeite.

Als Vertreter von The Nature Conservancy, einer der größten
Umweltschutzorganisationen weltweit, sprach Michael Wironen, TNC Center
for Sustainability Science, über die Bedeutung widerstandsfähiger Böden
innerhalb eines regenerativen Ernährungssystems. So nehme eine verbesserte
Bodenqualität einen entscheidenden Einfluss auf die landwirtschaftliche
Produktionsleistung und eine nährstoffreiche Versorgung in der
menschlichen Ernährung ein. Kooperationsprojekte zur Bodenverbesserung
gäbe es insbesondere in den Ländern, die als sogenannten „Brotkörbe der
Welt“ bezeichnet werden. Beispielsweise konnten gezielte politische
Maßnahmen der zunehmenden Bodendegradation auf den Hochebenen Chinas
entgegenwirken und die langfristige Lebensmittelproduktion stärken. In
Indien sei es vor allem die Puncharegion im Nordwesten des Landes, wo die
Bodenfruchtbarkeit der Reis- und Weizenfelder durch eine mangelnde
Grundwasserversorgung und Pflanzenrückstände beeinträchtigt werde.
Abschließend ergänzte Wironen, dass man die Herausforderungen in Hinsicht
der Ernährungssicherung, Klimaresilienz und öffentlichen Gesundheit nur
unter Betrachtung eines ganzheitlichen Systems und mit dem Einsatz
innovativer Technologien bewältigen könne.

Die Aufzeichnung des Fachpodiums 17 GAA/IAMO finden Sie hier: www.gffa-
berlin.de/aufzeichnungen

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Über das GFFA

Das 13. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) fand virtuell vom 18.
bis 22. Januar 2021 unter dem Titel „Pandemien und Klimawandel: Wie
ernähren wir die Welt?“ statt. Das GFFA ist eine internationale Konferenz
zu zentralen Zukunftsfragen der globalen Land- und Ernährungspolitik. Es
wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in
Kooperation mit dem Senat von Berlin, der Messe Berlin GmbH und dem GFFA
Berlin e.V. veranstaltet. Allgemeine Informationen zum GFFA 2021 erhalten
Sie auf der Konferenzwebseite: www.gffa-berlin.de.

Über das IAMO

Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien
(IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und
politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft
sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich
von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-,
Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet
dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen,
strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es
die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor
sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung
werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik
abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das
IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft
an.