Pin It
Mithilfe der Hochdurchsatz-Sequenzierung, so wie hier von Melanie Schlapkohl (MTA) gezeigt, können am CCGA innerhalb kurzer Zeit große Mengen an genetischen Daten analysiert werden.  S. Franzenburg  © S. Franzenburg, Uni Kiel
Mithilfe der Hochdurchsatz-Sequenzierung, so wie hier von Melanie Schlapkohl (MTA) gezeigt, können am CCGA innerhalb kurzer Zeit große Mengen an genetischen Daten analysiert werden. S. Franzenburg © S. Franzenburg, Uni Kiel

Um die Ausbreitung von Mutationen deutschlandweit engmaschiger zu
überwachen, soll das SARS-CoV-2-Viruserbgut (Virusgenom) jede Woche bei
mindestens fünf Prozent der durch die Routinediagnostik bestätigten Fälle
sequenziert werden. Veränderungen des Viruserbguts sind damit frühzeitig
zu erfassen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin sammelt die
Ergebnisse zentral, um zeitnah auf das Auftreten und die Ausbreitung neuer
Virusvarianten reagieren zu können. Das Universitätsklinikum Schleswig-
Holstein (UKSH) hat die aufwändige Methode, die nur von wenigen Laboren
angeboten werden kann, in kürzester Zeit entwickelt und kann die
Virusgenomsequenzierung ab sofort routinemäßig anbieten.

Im nördlichsten Bundesland ergibt das Coronavirus-Infektionsgeschehen
Anfang Februar ein gemischtes Bild. Gerade die Nähe zu Dänemark mit
steigenden Nachweisen der neuen SARS-CoV-2-Mutationen erhöht die Sorge,
dass Schleswig-Holstein sich vom Bundestrend sinkender Zahlen abkoppeln
könnte.

Das UKSH kann die Virusgenomsequenzierung ab sofort routinemäßig anbieten.
Die Genomsequenzierungen werden durch das Institut für Klinische Chemie in
Zusammenarbeit mit dem Institut für Klinische Molekularbiologie in Kiel
organisiert. Die Untersuchung wird nicht nur für Patientinnen und
Patienten des UKSH eingesetzt, sondern steht auch Patientinnen und
Patienten anderer Krankenhäuser, Gesundheitsämter und anderer
Einrichtungen zur Verfügung. „In dieser Woche haben wir die ersten Genome
an das RKI gemeldet", sagt Prof. Dr. Ralf Junker, Ärztlicher Direktor des
Diagnostikzentrums am UKSH. "Es entspricht unserem Selbstverständnis als
universitäres Labor an dieser wichtigen Fragestellung mitzuwirken und
damit auch anderen Laboren und Kliniken zu helfen, die diese Methode nicht
in der kurzen Zeit aufbauen können oder nicht den entsprechenden Durchsatz
haben."

Die schnelle Umsetzung wurde auch durch die Expertise und Kooperation des
Kompetenzzentrums für Genomanalyse (CCGA) an der Christian-Albrechts-
Universität zu Kiel ermöglicht. Das CCGA ist eines von nur vier Zentren
für Hochdurchsatz-Sequenzierungen, die seit 2018 durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft gefördert werden, und zählt zu den größten
akademischen Sequenzierstandorten deutschlandweit. „Bereits seit fast
einem Jahr haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKSH und CCGA, auch
in Zusammenarbeit mit dem Leibniz Forschungszentrum Borstel, die
grundlegenden Strukturen für die jetzt vorgeschriebenen
Virusgenomsequenzierungen aufgebaut“, sagt Prof. Dr. Andre Franke,
Direktor am Institut für Klinische Molekularbiologie und Mitglied im
Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen
(PMI).

„Dieses zunächst als wissenschaftliches Projekt konzipierte Zusammenspiel
war Grundlage für die schnelle Einsatzbereitschaft – in engem
Schulterschluss zwischen Krankenversorgung, Forschung und moderner
Sequenzier- und Computertechnologie.“
„Veränderungen des Viruserbgutes über die Zeit sind ein normales
Geschehen, das schon früh auch in der SARS-CoV-2-Pandemie beobachtet
wurde. Die jetzt neu aufgetretenen Varianten tragen aber viele
unterschiedliche Veränderungen und haben sich in mehreren Ländern sehr
schnell verbreitet. Daher ist es wichtig, jetzt genau hinschauen zu
können“, sagt Prof. Dr. Philip Rosenstiel, ebenfalls Direktor am Institut
für Klinische Molekularbiologie, Sprecher des CCGA und Mitglied im
Exzellenzcluster PMI. Die neuen Virus-Mutationen, die zuerst in Südafrika
und Großbritannien aufgetreten sind, sind am UKSH bisher noch nicht
nachgewiesen worden.

„Gerade für den Erfolg der Impfstrategie ist ein Verständnis der
vorherrschenden Virusvarianten und deren Veränderung über die nächsten
Wochen hinaus bedeutsam“, sagt Prof. Dr. Jens Scholz,
Vorstandsvorsitzender des UKSH. „Auch wenn es derzeit erste positive Daten
gibt, dass die zugelassenen Impfstoffe auch bei nun aufgetretenen
Varianten aus England und Südafrika weiter wirksam sind, gibt es keine
Garantie, dass dies mit neuen Mutationen in der Zukunft so bleibt. Es ist
daher anzunehmen, dass die Virussequenzierung auch langfristig bei der
Eindämmung der Pandemie zum Einsatz kommt“.