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Über den Saharastaub, der aktuell auch über Mitteldeutschland
hinweg zieht, wird gerade viel in den Medien berichtet. Darunter findet
sich oft die Behauptung, der Staub würde für besonders kräftige, rote
Sonnenuntergänge sorgen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Je mehr Staub
in der Atmosphäre ist, umso mehr werden farbige Lichtanteile
herausgefiltert. Übrig bleibt eine besonders blasse, weiße Sonne. Hier
erklären wir dieses optische Phänomen.

Dr. Ulla Wandinger vom TROPOS lehrt seit über 20 Jahren Streutheorie und
Atmosphärische Optik an der Universität Leipzig. Die Ursachen erklärt sie
so: „Dass Saharastaub spektakuläre, farbige Sonnenauf- und -untergänge
verursacht, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Dafür sind die Staubpartikel
schlicht zu groß. Mit einigen Mikrometern Durchmesser entsprechen sie etwa
der Größe feiner Nebeltröpfchen. Wie diese streuen sie alle Farben gleich
stark. Wenn das Sonnenlicht lange Wege durch die hochreichenden
Staubschichten zurücklegt, entsteht wie im Nebel ein weißliches Licht.
Auch die Sonne selbst ist beim Auf- und Untergang eher blass, weil aus
ihrem Spektrum keine Farbe bevorzugt gestreut wird.

Farbige Sonnenuntergänge entstehen durch Streuung an Luftmolekülen und
sehr kleinen Aerosolpartikeln, die beispielsweise aus Verkehrs- und
Industrieabgasen entstehen und zehn- bis hundertmal kleiner sind als die
Saharastaubkörnchen. Moleküle und kleine Partikel streuen blaues Licht
sehr viel stärker als gelbes und rotes Licht. Das gestreute Licht, das wir
als Himmelslicht sehen, erscheint blau. Das direkte Sonnenlicht verliert
immer mehr Blauanteile, je länger die Strahlwege durch die Atmosphäre
sind. Dadurch erscheint die Sonne am Horizont rot. Wolken und andere
Objekte, die von der tief stehenden Sonne angestrahlt werden, leuchten
dann ebenfalls rot.

Die Erscheinung des Sonnenauf- und -untergangs und die Farbvielfalt hängen
aktuell immer davon ab, welche Art von Partikeln und Wolken sich
gleichzeitig in der Atmosphäre befinden und wie sie sich in verschiedenen
Höhenschichten verteilen. Oft überlagern sich die Farben verschiedener
Streuprozesse, auch Absorption spielt eine Rolle. Spektakuläre
Sonnenuntergänge können so beispielsweise durch Aerosolschichten in der
Stratosphäre verursacht werden, die von Vulkanausbrüchen oder großen
Waldbränden eingetragen werden. Wenn diese Schichten von der unter dem
Horizont stehenden Sonne beleuchtet werden, vermischen sich rotes und
blaues Streulicht zu faszinierenden Purpurfarben.“

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig
untersucht den Einfluss von Staub auf die Atmosphäre seit seiner Gründung
1992. Seit über 25 Jahren finden dazu Laser-Messungen mit Lidar-Geräten
weltweit statt. Diese „Lichtradare“ können die Menge und Höhe des Staubs
in der Atmosphäre durch das zurückgestreute Licht messen. Im Laufe der
Jahre wurden Methoden weiterentwickelt, um die Art der Partikel zu
bestimmen. So kann zum Beispiel anhand der Polarisation des reflektierten
Lichts festgestellt werden, ob Mineralstaub oder Rauch in der Luft
schwebt. TROPOS koordiniert ein Netzwerk von Lidar-Geräten an
verschiedenen Standorten. So messen PollyNet-Stationen außer in
Deutschland auch in Finnland, Griechenland, Polen, Portugal, Südkorea,
Tadschikistan und Zypern kontinuierlich per Laser den Staub in der
Atmosphäre. Weitere Stationen sind in u.a. auf den Kapverdischen Inseln
vorgesehen. Dazu kommen Kampagnenmessungen u.a. in Chile oder der Arktis.
TROPOS ist so zusammen mit seinen Partnern in der Lage, Extremereignisse
wie Saharastaubtransport, Ausbreitung von Waldbrandaerosol oder
Vulkanasche zu erfassen. Die Messungen sind Teil der Europäischen
Forschungsinfrastruktur für Aerosol, Wolken und Spurengase (ACTRIS). Durch
die Kooperation vieler Forschungseinrichtungen in Europa werden künftig
bessere Vorhersagen sowohl für die Luftqualität als auch für Wetter und
Klima möglich. Tilo Arnhold

Aktuelle Messwerte:

Messungen von Lidar und Wolkenradar am TROPOS
https://www.tropos.de/entdecken/atmosphaerische-messdaten/lidar-und-
wolkenradar
>
http://polly.tropos.de/calendar/location/1

Weitere Informationen:

Blutregen am Schalttag über Leipzig - Reste des großen Saharasandsturms
ziehen über Deutschland (Pressemitteilung, 29.02.2020)
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/blutregen-am-
schalttag-ueber-leipzig


Hitzewelle bringt Temperaturrekorde und Saharastaub (Kurzmeldung, 26.06.
2019)
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/kurzmitteilungen
/hitzewelle-bringt-temperaturrekorde-und-saharastaub


Gut zu Wissen: Staub im Fokus
https://www.tropos.de/entdecken/gut-zu-wissen/staub-im-fokus

Modellierung des Transports von Saharastaub
https://www.tropos.de/institut/abteilungen/modellierung-atmosphaerischer-
prozesse/transportprozesse/transport-von-saharastaub


Natürliche und anthropogene Staubquellen im Erdsystem
https://www.tropos.de/institut/abteilungen/modellierung-atmosphaerischer-
prozesse/transportprozesse/staubquellen


Europäischen Forschungsinfrastruktur für Aerosol, Wolken und Spurengase
(ACTRIS)
https://www.actris.eu/

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der
Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen
verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und
Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften
bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich
gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den
übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten
wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte
Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im
Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und
informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen -
u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen
Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und
unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen
Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft
gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen,
darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die
Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS)
wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem
Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen.
Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom
Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
http://www.leibniz-gemeinschaft.de
https://www.bmbf.de/
https://www.smwk.sachsen.de/