Pin It
Dr. Martin Schreiber, Leitender Oberarzt der Abteilung für Plastische- und Handchirurgie des UniversitätsCentrums für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie (OUPC) schaut auf die noch leicht gerötete Stelle des Eingriffs.  Holger Ostermeyer  Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Dr. Martin Schreiber, Leitender Oberarzt der Abteilung für Plastische- und Handchirurgie des UniversitätsCentrums für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie (OUPC) schaut auf die noch leicht gerötete Stelle des Eingriffs. Holger Ostermeyer Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Das Karpaltunnelsyndrom ist eine der häufigsten Gründe für einen
handchirurgischen Eingriff. Etwa jeder sechste Erwachsene ist von dieser
Form der Nervenkompression betroffen. In der Regel verstärken sich die
Symptome schleichend. Viele Betroffene nehmen den in der Frühphase mit
einem nächtlichen Kribbeln in den Fingerspitzen bemerkbaren Druck auf den
Nervenstrang nicht ernst. Doch sie riskieren irreparable Schäden, warnen
die Handchirurgen des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.
Auch wenn Diagnose und Entscheidung über die richtige Therapie gemeinsam
mit anderen Spezialisten getroffen wird, sollte im ersten Schritt ein
Handchirurg konsultiert werden.

Etwa jeder sechste Deutsche wird mit den Folgen eingeengter oder
eingeklemmter Nervenstränge des Arms konfrontiert. Bei stärkerer
Ausprägung können so alltägliche Aktivitäten einschränkt werden, da diese
Nerven Bewegung und das Gefühl der Hände vermitteln. Dass aus einem
anfänglichen, vor allem beim Schlafen auftretenden Kribbeln – vor allem an
Daumen, Zeige- und Mittelfinger sowie der daumenzugewandten Hälfte des
Ringfingers – ein ernsthafteres Problem werden kann, hat die Dresdnerin
Maria E. erlebt. Bereits als 18-Jährige weckte dieses mit einem
Taubheitsgefühl verbundene Kribbeln sie ab und an. Wie die meisten
Menschen nahm sie dieses Zeichen nicht weiter ernst.

Fast zehn Jahre später hat sich daraus jedoch ein ernstes Problem
entwickelt, das sogar ihre Berufstätigkeit in Frage stellte. Denn aus der
nächtlichen Störung, die sich anfangs mit dem Ausschütteln der Hand
abstellen ließ, ist ein Taubheitsgefühl in den Fingern geworden.
Schließlich hielt dieses Handicap über mehrere Tage an. Der Kellnerin
fielen Gläser aus der Hand, so dass ihr andere Aufgaben übertragen werden
mussten. Zu dieser Zeit kannte die heute 28-Jährige bereits die Diagnose
„Karpaltunnelsyndrom“. „Deshalb habe ich mich geradezu auf die OP
gefreut“, sagt Maria E. rückblickend. Der Erfolg des ambulanten Eingriffs
in der Abteilung für Plastische- und Handchirurgie des
UniversitätsCentrums für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie
(OUPC) gab ihr recht. Nach einer kurzen Zeit der Wundheilung konnte sie
wieder behände mit Tellern, Tassen und Gläsern umgehen. Das Kribbeln und
die Taubheitsgefühle sind seitdem komplett verschwunden.

Dr. Martin Schreiber möchte nicht, dass die Patienten einen Arzttermin und
die möglicherweise notwendige OP so lange rauszögern wie Maria E. „Die
Nervenstränge werden von Blutgefäßen begleitet. Sorgt der Druck im
verengten Karpaltunnel für eine Unterbrechung des Blutstroms, besteht die
Gefahr, dass die von ihnen versorgten Nervenfasern absterben.“ Die Folgen,
so der Handchirurg des OUPC, reichen von einem dauerhaft pelzigen Gefühl
bis zu dem, was seine Patientin erlebt hat. Beispielsweise sorgt der
fehlende Tastsinn dafür, dass den Betroffenen immer wieder etwas aus der
Hand fällt. Auch die Fingerfertigkeit leidet: Mit einem Schlüssel eine Tür
zu öffnen, wird zur Herausforderung.

Um dem Kribbeln in den Fingern frühzeitig auf die Spur zu kommen, sollten
Betroffene nicht zögern, die Symptome abklären zu lassen. „Die
rechtzeitige Beratung durch eine Chirurgin beziehungsweise einen Chirurgen
mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie ist wichtig, um sich möglichst
viele Behandlungsoptionen zu erhalten“, sagt Prof. Adrian Dragu, Direktor
für Plastische- und Handchirurgie am OUPC des Dresdener Uniklinikums. Als
erste Maßnahme wird das betroffene Handgelenk über Nacht mit einer Orthese
ruhiggestellt. Bleibt dabei ein Erfolg aus und Missempfindungen, Kribbeln
und Taubheitsgefühle oder auch Lähmungserscheinungen verschwinden nicht,
könnte eine Operation notwendig werden.

Um die Ursache für die kribbelnden Hände herauszufinden, gibt es einige
einfache Tests. Dabei stimuliert der Arzt den Nerv mit sanftem Druck oder
die Patienten drücken ihre Hände vor der Brust gegeneinander. Fängt es
dann nach wenigen Minuten an, in den Fingerspitzen zu kribbeln, ist das
ein weiterer Hinweis auf das Karpaltunnelsyndrom. Ein Neurologe kann diese
Vermutung durch die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit bestätigen. In
einem ersten Schritt ist dann bei allen leichten bis mittelschweren
Krankheitsfällen die konservative, also nicht chirurgische Therapie der
beste Weg. Dabei wird das Handgelenk nachts mit einer speziellen Schiene
in einer Mittelstellung fixiert. Geht mit der Einengung des Nervs eine
Entzündung einher, ist Kortison eine Option. Ärzte können das Medikament
ins Handgelenk spritzen oder Tabletten verordnen. Rühren die Beschwerden
von einer übermäßigen Belastung her – etwa beim Bau durch die Arbeit an
stark vibrierenden Geräten oder in der Gastronomie durch häufiges Tragen
schwerer Lasten – muss die Hand unbedingt geschont werden, um eine weitere
Überbeanspruchung zu vermeiden.

Ziel jeder Therapie ist es, Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit und
Muskelkraft der Hand wiederherzustellen. Sollten konservative
Therapiemethoden nicht den gewünschten Erfolg haben, kann ein
chirurgischer Eingriff notwendig werden. „Bei Nervenkompressionen gilt es,
den richtigen Zeitpunkt für eine Operation zu erkennen“, sagt der Leitende
Oberarzt Dr. Martin Schreiber. Sie erfolgt in der Regel ambulant bei
örtlicher oder regionaler Betäubung. Der eigentliche Eingriff dauert
häufig nicht länger als 20 Minuten. Trotzdem handelt es sich hierbei um
einen mikrochirurgischen Eingriff, der unter Lupenbrillenvergrößerung und
nur von Handchirurgen vorgenommen werden sollte, um auch kleineste, aber
sehr wichtige abgehende Nervenfasern während der Operation erkennen und
schonen zu können. Dabei wird der Gewebestrang, der die zur Hand führenden
Nerven umgibt, über mehrere Zentimeter vollständig durchtrennt. Der dazu
notwendige Schnitt verläuft am unteren Bereich der Hand ausgehend von der
sogenannten Lebenslinie. Damit ist er nach der Wundheilung kaum noch zu
sehen. Nach der OP muss die Hand zwei Wochen geschont werden. Danach
treten in der Regel keine Einschränkungen mehr auf, sofern sich die
Patienten nicht zu spät operieren lassen und die betroffenen Nerven ohne
irreversible Schäden geblieben sind.

Maria E. hat Glück gehabt. Trotz der starken Symptome kann sie wieder ohne
jede Einschränkung kellnern. Teller, Tassen und Gläser hat sie dabei
wieder voll unter Kontrolle.