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Professor Wolfgang Lubitz, Direktor emeritus am Mülheimer Max-Planck-
Institut für Chemische Energiekonversion, berichtet im Interview, warum er
die künstliche Photosynthese als Königsweg zur nachhaltigen
Energieversorgung der Menschheit betrachtet.

Ein wichtiger Baustein für die Energiewende ist eine nachhaltige
Energiespeicherung. „Das große Vorbild dafür ist die natürliche
Photosynthese, bei der Sonnenenergie umgewandelt und gespeichert wird,“
sagt Wolfgang Lubitz, „auch wenn von der einfallenden, reichlich
vorhandenen Sonnenenergie viel verloren geht.“ Die Menschheit verdanke der
Photosynthese ihre gesamte Nahrung, alle nachwachsenden Rohstoffe und
fossilen Brennstoffe.

Ein zentraler Schritt in der Photosynthese ist die lichtinduzierte
Spaltung des Wassers, wobei Sauerstoff als Abfallprodukt entsteht. Dieser
hat zur Ausbildung der sauerstoffreichen Erdatmosphäre und auch der
schützenden Ozonschicht in der Stratosphäre geführt und damit die
Voraussetzung zur Entstehung höheren Lebens auf unserem Planeten
geschaffen. Durch die Photosynthese werden enorme Mengen von Kohlendioxid
aus der Luft aufgenommen und in Kohlenhydrate umgewandelt, in denen
letztlich die Sonnenenergie gespeichert ist. Speicherung in chemischen
Verbindungen – in Brennstoffen – ist bei weitem die effizienteste
Speicherform für Energie.

Zwar liefern Sonne und Wind prinzipiell mehr als genug saubere Energie, um
den weltweiten Bedarf zu decken, aber dort wo sie gebraucht werden, steht
diese nicht immer in ausreichender Menge zur Verfügung. „Daher,“ so
Wolfgang Lubitz, „suchen wir an unserem Institut nach Wegen, wie man
Energie effizient in speicherbare, nutzbare und über weite Strecken
transportfähige Formen umwandeln kann. Die künstliche Photosynthese ist
eine Möglichkeit, die von uns und vielen anderen Arbeitsgruppen intensiv
erforscht wird.“

Inzwischen hat die Wissenschaft eine ziemlich genaue Vorstellung davon,
wie die natürliche Photosynthese funktioniert. Diese Erkenntnisse sind
unter anderem wichtig, um eine effiziente Spaltung von Wasser in seine
Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff im Labor zu realisieren. Eine
Schlüsselstellung nehmen dabei die notwendigen Katalysatoren ein: In der
Natur sind das die Enzyme Wasseroxidase und die Hydrogenasen.

Natürlich vorkommende Enzyme enthalten häufig vorkommende und preiswerte
Metalle wie Mangan, Eisen und Nickel. Für den chemisch-technischen Einsatz
jedoch werden heute fast ausschließlich Edelmetalle wie Platin als
Katalysatoren eingesetzt, die sehr gut funktionieren, deren Vorkommen aber
leider begrenzt sind. Dem Vorbild der Natur folgend wird daher nach neuen
Metall-Katalysatoren gesucht, um die künftige Erzeugung von Wasserstoff im
großen Maßstab ebenso effizient wie umweltfreundlich zu machen. Das Ziel
ist also der sogenannte grüne Wasserstoff, der nicht nur für die
Energieversorgung der Zukunft eine zentrale Rolle spielt, sondern auch als
einer der wichtigsten Grundstoffe in der Industrie.

Auf dem Weg zur technischen Umsetzung seien bereits beachtliche Erfolge
erzielt worden, sagt Wolfgang Lubitz: „Katalytische Wasseroxidation und
Wasserstofferzeugung sind weltweit sehr intensiv bearbeitete
Forschungsgebiete. Doch den perfekten Katalysator, der alle Ansprüche
bezüglich Effizienz, Stabilität, Skalierbarkeit, Umweltfreundlichkeit,
Materialverfügbarkeit und Preis erfüllt und sich in der Praxis bewährt
hat, gibt es bisher noch nicht. Es bleibt noch viel Raum für gute Ideen
und Entwicklungen auf diesem heißen Forschungsgebiet.“

Mit Blick auf eine künftige Wasserstoffwirtschaft hebt Wolfgang Lubitz die
Technologien zur Erzeugung von regenerativem Strom hervor. Etwa die
Photovoltaik (PV), die heute Wirkungsgrade um die 25 Prozent für
Siliziumzellen und mehr als 45 Prozent für komplexere PV-Zellen erziele.
Ein Problem bleibe die Speicherung. Batterien seien gesellschaftlich zwar
weithin akzeptiert, beispielsweise in der Elektromobilität, aber sie seien
nicht sehr effizient und auch nicht umweltfreundlich. Lubitz: „Wasserstoff
kann ein Vielfaches an Energie speichern und bei seiner Verbrennung
entsteht ausschließlich Wasser.  Er eignet sich für die großtechnische
Nutzung und bildet eine sehr gute Brücke vom fossilen in ein nachhaltiges
Energiezeitalter.“

Mit Blick auf die Energiewende ist Wolfgang Lubitz auch die
gesellschaftliche Diskussion über die Tragweite wissenschaftlicher
Erkenntnisse wichtig. Oft führten diese zu historischen Umwälzungen, so
bei der Entdeckung der Uranspaltung und ihre Folgen in Gestalt der
Atombombe und der Kernkraft. Unser modernes Leben sei von Forschung und
Technik geprägt – ohne sie gäbe es weder Internet noch moderne
Telekommunikation, keine Antibiotika und Impfstoffe und keinerlei
Erkenntnisse zum Umwelt- und Klimaschutz oder zu erneuerbaren Energien.
Wissenschaftler veränderten die Welt, betont Lubitz und fügt hinzu: „Was
mir auch am Herzen liegt ist mehr Verständnis für die Methodik der
Wissenschaft. Ihre Ergebnisse entwickeln sich in sorgfältig geplanten und
durchgeführten Experimenten, die oft fehlerbehaftet sind und mehrfach
validiert werden müssen, bis ein zuverlässiges Ergebnis vorliegt. Auf
Knopfdruck funktioniert das alles nicht, es braucht seine Zeit. Dafür ein
Bewusstsein zu schaffen und mehr Vertrauen in die Wissenschaft aufzubauen,
dazu trage ich gerne bei.“

Das vollständige Interview finden Sie auf www.gdnae.de

Zur Person
Professor Wolfgang Lubitz (71) ist Direktor emeritus des Max-Planck-
Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Seine
Leitungsposition, die er seit dem Jahr 2000 innehatte, gab er mit der
Emeritierung 2017 ab. Vor seiner Zeit als Wissenschaftliches Mitglied der
Max-Planck-Gesellschaft wirkte der gebürtige Berliner von 1991 bis 2000
als Professor für Physikalische Chemie an der Technischen Universität
Berlin, von 1989 bis 1991 als Professor für Experimentalphysik an der
Universität Stuttgart und von 1986 bis 1989 als Professor für Organische
Chemie an der Freien Universität Berlin, wo er auch Chemie und Physik
studiert, promoviert und sich habilitiert hatte. Von 1983 bis 1984
forschte Lubitz an der University of California San Diego in der
Biophysik.
Einen sehr persönlichen Lebensrückblick hat der Wissenschaftler anlässlich
seines 65. Geburtstags auf Anfrage des „Journal of Physical Chemistry“
verfasst. Darin schildert er seinen Weg, der ihn aus einfachen
Verhältnissen im Berlin der Nachkriegszeit in eine beeindruckende
wissenschaftliche Karriere führte, mit vielen interessanten
Persönlichkeiten zusammenbrachte und ihm lebenslange Freundschaften
bescherte.
In seiner Forschung beschäftigt sich Wolfgang Lubitz mit der
Energiekonversion in der natürlichen und künstlichen Photosynthese und der
Wasserspaltung, Wasserstofferzeugung und -nutzung. Ein weiteres
Forschungsfeld ist die Entwicklung und Anwendung von spektroskopischen
Verfahren, insbesondere der Magnetischen Resonanz. Seine Ergebnisse sind
in mehr als fünfhundert wissenschaftlichen Arbeiten publiziert und mit
vielen Preisen ausgezeichnet worden.
Mitglied der GDNÄ ist Wolfgang Lubitz seit vielen Jahren; seit 2017 ist er
Mitglied des Vorstandsrats der Gesellschaft. Darüber hinaus engagiert er
sich seit bald zwei Jahrzehnten im Kuratorium der Lindauer
Nobelpreisträgertagungen, dessen Vizepräsident er seit 2014 ist.

Über die GDNÄ
Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e. V. (GDNÄ) ist die
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die naturwissen-schaftlichen, technischen und medizinischen
Fachdisziplinen hinweg allen an ihrer Zielsetzung Interessierten, auch
Schülern, Studenten und  naturwissenschaftlichen Laien für eine
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von Akademien und Fachgesellschaften geprägte Landschaft
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Wichtige Ziele der GDNÄ sind:
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gegenüber einer informierten Öffentlichkeit und besonders auch jungen
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