Pin It

Jenaer Studierende erarbeiten Online-Ausstellung über Kinder und
Jugendliche im Konzentrationslager

Bereits vor Beginn des Zweiten Weltkriegs befanden sich vereinzelt auch
jugendliche Häftlinge im Konzentrationslager Buchenwald. Ab dem Frühjahr
1944 brachte die SS zahlreiche Kinder und Jugendliche aus den
Vernichtungszentren und Zwangsarbeitslagern im Osten nach Buchenwald und
zum KZ Mittelbau-Dora. Auch aus Westeuropa verschleppte sie viele
Jugendliche hierher. Im Dezember 1944 war jeder dritte Insasse des KZ
Buchenwald jünger als 21 Jahre – in den Frauenaußenlagern war der Anteil
doppelt so hoch. Etwa 2.000 Kinder und Jugendliche starben in Buchenwald
und Mittelbau-Dora an Entkräftung oder Krankheiten, wurden erschlagen oder
erschossen.

Studierende der Friedrich-Schiller-Universität haben diesen Schicksalen
nun nachgespürt und ihnen die Online-Ausstellung „Jugend im KZ. Buchenwald
und Mittelbau-Dora“ gewidmet, in enger Zusammenarbeit mit der von Prof.
Dr. Jens-Christian Wagner geleiteten Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und
Mittelbau-Dora. Anlässlich des 76. Jahrestages der Befreiung der
Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora wurde die Website
https://www.jugend-im-kz.de nun freigeschaltet, deren Gestaltung und
Realisierung das Berliner Studio IT’S ABOUT übernommen hatte. An der
digitalen Eröffnung am Freitag (9.4.) nahm unter anderem der Thüringer
Ministerpräsident Bodo Ramelow teil. Der 1933 geborene Zeitzeuge Shraga
Milstein, der das KZ Buchenwald als Kind überlebt hat, schickte eine Live-
Grußbotschaft aus Israel.

Hunger, Tod – und Weiterleben ohne Kindheit

Zum einen bieten die Ausstellungsmacherinnen und -macher zeitgemäß
aufbereitete, allgemeine Informationen zu den beiden Konzentrationslagern
und Themenkomplexen wie „Jugend im Nationalsozialismus‘“. Zum anderen
eröffnen sie auf vielfältige Weise Zugänge zu einzelnen
Häftlingsbiografien. „Die Studierenden haben die Hintergründe zu diversen
Häftlingsgruppen recherchiert und die Informationen für die Ausstellung
anschaulich dargestellt“, informiert der Ko-Kurator Dr. Daniel Schuch von
der Universität Jena. „Außerdem haben wir schriftliche
Erinnerungsberichte, Zeichnungen, Fotos sowie Video- und Tondokumente
eingebunden.“ Das eindrucksvolle Material ermöglicht persönliche Einblicke
in die Erfahrungsräume der jungen Gefangenen, wie sie mit der alltäglichen
Bedrohungssituation, mit Hunger und Tod umgingen, wie sie etwa durch
Fantasie dem permanenten Gefühl des Ausgeliefertseins begegneten und wie
sie ihren Überlebenswillen aufrecht hielten. Und auch, wie für die
Überlebenden nach der Befreiung ein Weiterleben ohne Kindheit möglich war.

Die Kinder und Jugendlichen im Lager wurden in die gleichen Gruppen
eingeteilt wie auch die Erwachsenen. „Es finden sich hierbei ebenfalls
jüdische Kinder, Sinti und Roma sowie sogar Dreijährige, die als
politische Gefangene eingeliefert wurden“, sagt Schuch. „Zudem gelangten
etwa im Rahmen der Aktion ,Arbeitsscheu Reich‘ 1938 einige Jugendliche ins
KZ Buchenwald, die als ,asozial‘ deklariert wurden.“ Ebenfalls wie bei den
Erwachsenen hing auch das Überleben der minderjährigen Häftlinge davon ab,
ob sie Zwangsarbeit leisten konnten. Hunderte von ihnen schickte die SS
als „nicht arbeitsfähig“ mit Todestransporten nach Auschwitz. Durch die
Organisation von Schutzräumen und Kinderblocks versuchten politische
Funktionshäftlinge, die jüngsten unter ihnen vor diesem Schicksal zu
bewahren.

Ausstellung konzipiert im Seminar

Im zurückliegenden Wintersemester erschlossen sich Studierende der
Universität Jena in einem von Prof. Dr. Wagner und Dr. Schuch gemeinsam
durchgeführten Seminar am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und
Öffentlichkeit die Kontexte zum Thema „Kindheit und Jugend im
Nationalsozialismus“ sowie zu den Konzentrationslagern Buchenwald und
Mittelbau-Dora und den darin inhaftierten minderjährigen Gefangenen und
ihren vielfältigen Verfolgungsgeschichten. Im Mittelpunkt stand die Frage,
wie sich die Beziehungsgeschichte zwischen ausgegrenzten und verfolgten
Kindern und dem Nachwuchs der selbsternannten „Herrenmenschen“
entwickelte. Auch der Umgang der Nachkriegsgesellschaften mit dem Thema
wurde bearbeitet.

„Wir haben uns vorgenommen, die enge Verbindung des Lehrstuhls für
Geschichte in Medien und Öffentlichkeit mit der Stiftung Gedenkstätten
Buchenwald und Mittelbau-Dora dafür zu nutzen, die universitäre Lehre mit
Praxisbezügen zu stärken“, sagt Prof. Dr. Jens-Christian Wagner von der
Universität Jena. „Deshalb bieten wir den Studierenden die Möglichkeit, an
konkreten Produkten mitzuarbeiten, mit denen Geschichte in die
Öffentlichkeit gebracht wird – wie jetzt mit der Online-Ausstellung
‚Jugend im KZ‘“.

Ursprünglich sollte die Online-Ausstellung die von der Gedenkstätte
Bergen-Belsen erarbeitete Sonderausstellung „Kinder im KZ Bergen-Belsen“
(kinder-in-bergen-belsen.de) ergänzen, die im Rahmen des 76. Jahrestages
der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald im April 2021 ebendort
zu sehen sein sollte. Doch die Präsentation der Wanderausstellung
verschiebt sich Corona-bedingt – sie soll nun ab Januar 2022 in Erfurt
haltmachen.