Pin It

Eine Therapie von Muskelverletzungen bei Sportlern kann meist konservativ
erfolgen. Voraussetzung dafür ist jedoch die richtige Erstbehandlung. „Die
Therapie beginnt in der ersten Minute beim Arzt am Spielfeldrand“, sagt
Prof. Dr. Anja Hirschmüller, Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie
am Altius Swiss Sportmed Center Rheinfelden. Extrem wichtig ist eine
sofortige Kompression für 20 Minuten, und eine Eiswasser-Kühlung, um
Einblutungen und Ödem-Bildung zu vermeiden. So kann die Rekonvaleszenz
gekürzt und schneller in den Sport zurückgekehrt werden. Zu diesem und
vielen anderen spannenden Themen treffen sich am 1. und 2. Juli Hunderte
Ärzte aus Europa auf dem 36. GOTS-Kongress.

Muskelverletzungen werden in verschiedene Arten und Schweregrade
eingeteilt, wovon die Therapie und vor allem die Ausfalldauer im
Wesentlichen abhängt. Zum einen gibt es „direkte“ Verletzungen, zum
Beispiel durch gegnerischen Anprall, die zwar oft Einblutungen verursachen
aber aufgrund der intakten Muskelfasern besser heilen als die „indirekten“
Verletzungen.

Diese entstehen ohne Gegnereinwirkung z.B. aus dem Sprint heraus. Sie
werden wiederum in strukturelle und ultrastrukturelle Verletzungen
unterteilt. Erstere ohne Faser-Ruptur, im Sinne einer neurogenen
Muskelverhärtung oder einer „Zerrung“. Die Athleten sprechen häufig davon,
dass „der Muskel zugemacht“ hat. Die Strukturellen Verletzungen
unterteilen sich in Faserriss, Bündelriss und Komplettruptur.

Natürlich ist die Ausfallzeit eines Spielers länger, je schwerer die
Verletzung ist. Mit einem Ertasten von Lücken in der Muskulatur und einem
Ultraschallgerät kann der Arzt sich sofort ein Bild der Lage machen.
Zusätzlich kann der Unfallhergang oft noch einmal im Video geschaut werden
und wichtige Hinweise auf das Ausmaß der Verletzung liefern.
Bei der Untersuchung ist es auch wichtig auf Dehnungs- oder
Anspannungsschmerz zu achten. Ist ein Dehnen eher angenehm, weist dies auf
leichtere Verletzungen hin. Ist der Spieler mit messerstichartigem Schmerz
direkt zu Boden gegangen und hat einen Anspannungsschmerz, ist von einer
größeren Verletzung auszugehen.

Bei Fußballern sind häufig Oberschenkelrückseite und Wade betroffen. Im
Kraftsport wiederum Bizeps und Trizeps-Muskel.

„Operative Therapien sind zum Glück sehr selten nötig, nur bei Komplett-
Abriss oder sehnigen Ausrissen an der Ansatzstelle“, sagt Prof.
Hirschmüller, die auch leitende Ärztin des Deutschen
Behindertensportverbandes und Chief medical Officer des Team Deutschland
bei den Paralympics ist.

Da ein Muskel gut durchblutet ist, heilt er auch gut. Hier hat die
konservative Therapie eine sehr gute Prognose. Selbst Faserrisse und
Bündelrisse heilen in aller Regel in 6-8 Wochen aus. Währenddessen kann
der Sportler bereits mit einem aeroben Training anfangen, zum Beispiel auf
dem Fahrradergometer oder dem Laufband. Kompressionsstrümpfe und moderne
Kompressionsbandagen werden bei kleineren Verletzungen während der ersten
zwei Wochen empfohlen, bei größeren auch länger. Und hinterher zum Schutz
beim Wiedereinstieg in den Sport. Pflanzliche entzündungshemmenden
Medikamente werden ebenfalls empfohlen wohingegen entzündungshemmende
Schmerzmittel nur kurzzeitig zum Einsatz kommen sollten.

Im professionellen Sport werden häufig auch Spritzen eingesetzt, um die
Spannung aus dem verhärteten Muskel zu nehmen (Betäubungsmittel und
pflanzliche Präparate) und die Heilung zu beschleunigen. „Das Einspritzen
von Blutplasma ist jedoch noch umstritten“, so Hirschmüller. Hier sei die
Datenlage noch nicht abschließend geklärt.