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Trainingsmodus: Die Vermessung des Herzens mittels Ultraschall kann mit dem Simulator geübt werden  (Foto: HDZ NRW).
Trainingsmodus: Die Vermessung des Herzens mittels Ultraschall kann mit dem Simulator geübt werden (Foto: HDZ NRW).

Wie Fehlbildungen beim Ungeborenen zukünftig noch besser als bisher
erkannt werden können, zeigt eine neue Studie über Künstliche Intelligenz
und Simulation.
Der in Münster und Bad Oeynhausen tätige  Pränatalmediziner und Gynäkologe
Dr. Johannes Steinhard leitet eine Arbeitsgruppe, die sich seit Jahren mit
Simulationstraining und künstlicher Intelligenz in der Pränatalmedizin
beschäftigt. Er wurde nun für einen der auf dieser Arbeit beruhenden
besten wissenschaftlichen Vorträge jüngst auf der 64. Jahrestagung der
Deutschen Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in
München ausgezeichnet.

Die Mutterschafts-Richtlinien zur allgemeinen Schwangerschaftsvorsorge
sehen drei Ultraschall-Untersuchungen vor, die in aller Regel in der
zehnten, 20. und 30. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. In der
Qualität der Screenings hinkt Deutschland im Vergleich zu seinen
Nachbarländern allerdings nachweislich hinterher. „Das zeigt sich
besonders bei der Früherkennung angeborener Herzfehlbildungen“, sagt Dr.
Johannes Steinhard, Leiter des Departments für Fetale Kardiologie am Herz-
und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, und frischgebackener
DGGG-Preisträger. „Durchschnittlich werden nur etwa 43 Prozent der
schweren, für das Kind direkt nach der Geburt gefährlichen Herzfehler
erkannt.“ Das kann sich durchaus dramatisch auf die Entwicklung und
weitere Behandlungen des Kindes auswirken.

Was ist also zu tun, um Qualifikation, Wissen und Erfahrung der Ärzte
angesichts hoher Ausbildungskosten und schwieriger Personalsituation zu
verbessern? „Es müssen dringend neue Konzepte gefunden werden, die den
Untersuchenden bei der vorgeburtlichen Ultraschalldiagnostik helfen“, sagt
Steinhard, der sich seit Jahren am Zentrum für Pränatale Medizin Münster
und der Bad Oeynhausener Universitätsklinik (Ruhr-Universität Bochum) für
die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses engagiert. Der Mediziner und
Wissenschaftler hat sich dabei besonders dem Einsatz intelligenter Systeme
sowie dem Simulatortraining gewidmet und die damit verbundenen Lerneffekte
untersucht.

Ultraschall-Experten nach sechs Wochen Training

22 Studentinnen und Studenten ohne Ultraschallerfahrung wurden zur Hälfte
für die Feindiagnostik der fetalen Organe und in der erweiterten fetalen
Herzuntersuchung nach dem anspruchsvollen Standard der American Heart
Association an einem High-End Simulator ausgebildet. Die Besonderheit
dieses Simulators ist ein sehr realistischer, virtueller Fetus, der sich
auch per Zufallsgenerator bewegen kann.  Nach einer kurzen Einführung
haben sie selbständig sechs Wochen lang jeweils zwei Stunden pro Woche
trainiert. Sowohl die Studierenden als auch zehn Ärzte eines großen
Perinatalzentrums sowie zehn über die Deutsche Gesellschaft für
Ultraschall in der Medizin (DEGUM) zertifizierte Experten wurden bezüglich
der Schnelligkeit und Genauigkeit der Einstellung der definierten
Standardebenen getestet. Insgesamt sind auf diese Weise über 80 Stunden
Tests ausgewertet worden.  Die Ergebnisse sind auch für Steinhard
beeindruckend: „Medizinstudierende ohne Vorerfahrung konnten im Rahmen
eines strukturierten sechswöchigen Trainings ihre Diagnosesicherheit bei
der Durchführung einer fetalen Echokardiographie eindrucksvoll verbessern.
Die Ergebnisse sind vergleichbar mit denen der Experten, die über einen
Erfahrungsschatz von mehr als 260.000 Ultraschalluntersuchungen verfügen.“

Nicht nur für das Zeit- und Kostenmanagement im Rahmen der ärztlichen
Qualifikation und Weiterbildung, sondern vor allem für die medizinische
Qualität und Sicherheit für die Allerkleinsten im klinischen und im
Praxis-Alltag zeigen die erhobenen Daten offenkundig, „dass wir von
intelligenter, workflowbasierter Technik ungemein profitieren können“, so
Steinhard. „Und nicht nur in der Pränatalmedizin zählen cloudbasierte,
weltweite Lernplattformen und dadurch stetig präzisere Simulatortechniken
und künstliche Intelligenz zu den vielversprechendsten Entwicklungen der
letzten Jahre.“

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Als Spezialklinik zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und
Diabeteserkrankungen zählt das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-
Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen mit 35.000 Patientinnen und Patienten
pro Jahr, davon 14.600 in stationärer Behandlung, zu den größten und
modernsten Zentren seiner Art in Europa.

Das Kinderherzzentrum und Zentrum für angeborene Herzfehler am HDZ NRW
zählt zu den international führenden Kliniken zur Behandlung von Kindern
und Jugendlichen mit angeborenem Herzfehler und ist zertifiziertes Zentrum
für die Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH). Zur
ausgewiesenen Expertise des Zentrums zählt die Therapie des gesamten
Spektrums von angeborenen Herzfehlbildungen im Neugeborenen-, Kindes-,
Jugend- und Erwachsenenalter einschließlich des Departments für fetale
Kardiologie.