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Das UHC-Team (v.l.n.r.): Dr. Trautmann-Grill, Internistin und Leiterin des UHC; Jaqueline Rehlig, Hämophilieassistentin; Prof. Knöfler, Kinderarzt und Leiter des UHC; Dr. Marten, Internistin; Bianka Engelke, Kinderkrankenschwester; Dr. Lohse, Kinderärztin  Kirsten Lassig  Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das UHC-Team (v.l.n.r.): Dr. Trautmann-Grill, Internistin und Leiterin des UHC; Jaqueline Rehlig, Hämophilieassistentin; Prof. Knöfler, Kinderarzt und Leiter des UHC; Dr. Marten, Internistin; Bianka Engelke, Kinderkrankenschwester; Dr. Lohse, Kinderärztin Kirsten Lassig Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Das im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden angesiedelte
Universitäts HämophilieCentrum (UHC) wurde Anfang Dezember als
Behandlungszentrum für Bluter – das sind an Hämophilie erkrankte Menschen
– der höchsten Kategorie anerkannt. Es wurde hierzu als umfassendes
Hämophilie-Betreuungs-Zentrum - Hemophilia-Comprehensive Care Center
(HCCC) zertifiziert. Damit ist es eines von zehn Zentren in dieser
Kategorie in Deutschland und bisher das einzige in den neuen
Bundesländern, das die harten Kriterien der Gesellschaft für Thrombose-
und Hämostaseforschung (GTH) erfüllt.

Das aus Ärztinnen und Ärzten der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, der
Medizinischen Klinik I sowie weiteren Spezialisten bestehende Team des
Dresdner  Universitäts HämophilieCentrum stellt eine umfassende ambulante
und stationäre Versorgung von rund 600 Patientinnen und Patienten jeden
Alters sicher, die unter Gerinnungsstörungen mit Blutungsneigung leiden.
Darunter sind auch etwa 60 Personen mit Bluterkrankheit, der Hämophilie.

In den beiden Ambulanzen des Universitäts HämophilieCentrums stellen sich
jährlich mehr als 600 Patientinnen und Patienten vor. Sie kommen entweder
zur regelmäßigen Kontrolluntersuchung oder werden von niedergelassenen
Ärztinnen oder Ärzten bei Verdacht auf eine Gerinnungsstörung mit
Blutungsneigung ans UHC überwiesen. Bei der Versorgung dieser Patienten
spielt die seit vielen Jahren etablierte enge Zusammenarbeit mit dem
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin am Uniklinikum mit
ihrer ausgewiesenen Expertise auf dem Gebiet der Gerinnungsdiagnostik eine
entscheidende Rolle. Das Team des Instituts kann mit speziellen, teilweise
sehr aufwändigen Labormethoden auch äußert seltene Gerinnungsstörungen,
wie zum Beispiel angeborene Funktionsstörungen von Blutplättchen,
zuverlässig feststellen und liefert so die Grundlage für eine optimale
Behandlung. Diese umfassende Gerinnungsdiagnostik wird beispielsweise auch
benötigt, um bei Kindern eine unklare Blutungsneigung, die nicht selten
zum Verdacht auf eine Misshandlung führt, abzuklären. Prof. Ralf Knöfler,
Leiter der Gerinnungsambulanz für Kinder und Jugendliche an der Klinik für
Kinder- und Jugendmedizin, hat dazu umfangreich publiziert und ist an der
gerade laufenden Überarbeitung der deutschlandweit geltenden
Kinderschutzleitlinie beteiligt.

„Das  Universitäts HämophilieCentrum ist ein anschauliches Beispiel für
die hochspezialisierten Angebote der Dresdner Hochschulmedizin“, sagt
Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums:
„Dank der interdisziplinären Zusammenarbeit werden Patienten mit seltenen,
schweren und besonders komplexen Erkrankungen nach den modernsten
Erkenntnissen der Medizin betreut. Nur sehr wenige Krankenhäuser in
Deutschland verfügen über die entsprechende Expertise, die für diese
Patientinnen und Patienten überlebenswichtig ist.“ Die Anerkennung als
HCCC durch die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung bildet
die Grundlage dafür, dass die Krankenkassen den mit der Betreuung dieser
an Hämophilie Erkrankten verbundenen hohen zeitlichen und personellen
Aufwand mit zusätzlichen Fallpauschalen vergüten. Die dafür notwendigen
Verträge mit den Krankenkassen wurden bereits abgeschlossen und sind nun
wirksam.

Basis der durch die GTH für fünf Jahre erfolgten Anerkennung ist nicht nur
die fachübergreifende Zusammenarbeit der Expertinnen und Experten, sondern
die umfangreiche Dokumentation der Leistungen und Abläufe. Dazu erstellten
die Teams unter der Koordination der beiden Leiter des UHC, Prof. Ralf
Knöfler und Oberärztin Dr. Karolin Trautmann-Grill von der Medizinischen
Klinik I, umfangreiche Unterlagen mit detaillierten Angaben zur Betreuung
von Gerinnungspatientinnen und -patienten mit Blutungsneigung. Bevor die
GTH das HCCC-Zertifikat erteilte, überprüften externe Fachexperten dies
vor Ort. Besondere Beachtung fand dabei auch, dass sich die
Gerinnungsexpertinnen und -experten des Uniklinikums mehrfach pro Jahr zu
Gerinnungsboards treffen und schwierige Patientenfälle besprechen und
Fortbildungen zu Gerinnungsstörungen ausrichten.

Die Bluterkrankheit zählt zu den seltenen Gerinnungsstörungen und tritt
als „Hämophilie A“ mit fehlendem beziehungsweise vermindertem
Gerinnungsfaktor 8 bei einem von 5.000 Jungen auf. Von der „Hämophilie B“
– hier liegt ein Mangel des Gerinnungsfaktors 9 vor – ist einer von 30.000
Jungen betroffen. „Gerade die schwere und mittelschwere Verlaufsform
dieser Erkrankung stellt eine große therapeutische Herausforderung dar.
Die betroffenen Patientinnen und Patienten neigen spontan oder bei
Bagatellverletzungen zu bedrohlichen Blutungen, welche beispielsweise im
Bereich der Gelenke auftreten und mit dem Risiko bleibender
Gelenkschädigungen verbunden sind“, sagt Prof. Knöfler. Daher benötigen
die Betroffenen regelmäßig, zum Teil sogar mehrfach pro Woche,
blutungsvorbeugende Injektionen von gerinnungsaktiven Medikamenten. Zudem
erfordert jede invasive Prozedur, wie beispielsweise Operationen ein für
jeden Patienten individuell festzulegendes Schema für die
gerinnungsunterstützende Therapie. Die dafür benötigten Konzentrate werden
durch den Bereich Transfusionsmedizin an der Medizinischen Klinik I
bereitgestellt.

Die Bluterkrankheit wird oft im Säuglings- und Kleinkindesalter bei der
Abklärung einer auffälligen Blutungsneigung diagnostiziert. Wenn die
Erkrankung in der Familie bekannt ist, wird die Diagnose meist schon in
den ersten Lebenstagen gestellt. Für Patientinnen und Patienten mit der
schweren Form der Bluterkrankheit ist unbedingt die regelmäßige Gabe eines
Gerinnungsmedikamentes erforderlich, um bedrohlichen Blutungen, die
spontan oder bei Bagatellverletzungen auftreten können, vorzubeugen. Dies
erfolgt zunächst durch die Kinderärzte in der Gerinnungsambulanz oder
durch engagierte niedergelassene Kolleginnen und Kollegen.

Die Therapiemöglichkeiten für Hämophilie-Patientinnen und -Patienten haben
sich in den letzten Jahren deutlich erweitert. Neben
Gerinnungsfaktorenkonzentraten, die regelmäßig in die Venen gespritzt
werden, steht für die Hämophilie A ein Medikament zur Verfügung, welches
lediglich einmal pro Woche oder sogar nur jede zweite Woche unter die Haut
gespritzt werden muss. Ganz aktuell wurde für die Hämophilie A bei
Erwachsenen eine Gentherapie zugelassen; voraussichtlich im kommenden Jahr
wird dies auch für die Hämophilie B der Fall sein. Letztlich gilt es, für
jeden Betroffenen die passende Therapie auszuwählen, was einer großen
Expertise bedarf. Mit Erreichen des Erwachsenenalters wechseln die
Patientinnen und Patienten zur weiteren Mitbetreuung in die
Gerinnungsambulanz der Medizinischen Klinik I. „Das ist eine ideale
Situation für die Betroffenen und ermöglicht Kontinuität in der hohen
Qualität der medizinischen Versorgung“, sagt Dr. Karolin Trautmann-Grill.