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Der neu entwickelte hybride Gesamtantriebsstrang soll an der Universität Ulm in der Testanlage mit klimatisierter Unterdruckkammer (Im Bild) getestet werden  Elvira Eberhardt  Universität Ulm
Der neu entwickelte hybride Gesamtantriebsstrang soll an der Universität Ulm in der Testanlage mit klimatisierter Unterdruckkammer (Im Bild) getestet werden Elvira Eberhardt Universität Ulm

Das hybridelektrische Fliegen effizienter, sicherer und damit kommerziell
nutzbar machen: So lautet das Ziel des Forschungsverbunds EnaBle, der vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit insgesamt 8 Millionen
Euro gefördert wird. Dabei geht es um die Weiterentwicklung und
Optimierung eines hochinnovativen Hybridantriebssystems für den
Flugverkehr, das Brennstoffzellen und Batteriesysteme vereint. Herzstück
ist ein elektrisches 250 kW Antriebsstrangmodul, bei dem Druckluft-
gespeiste Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. Beteiligt an dem Projekt,
das von Diehl Aerospace geführt wird, ist auch die Universität Ulm.

Der Luftverkehr muss in Zukunft sauberer werden und leiser. Um das zu
erreichen, braucht es hochinnovative Lösungen für umweltfreundliche
Flugantriebe. Besonders vielversprechend sind hier Hybridsysteme, die
Brennstoffzellen und Batterien vereinen. Sie erreichen nicht nur deutlich
höhere Reichweiten als reine E-Flieger, sondern bieten auch das
technologische Potential für ein Upscaling hin zu größeren
Leistungsklassen. Um den Weg bis zur industriellen Herstellung und
gewerblichen Verwertung dieser anspruchsvollen Technologie zu
beschleunigen, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
(BMWi) den Forschungsverbund EnaBle mit 8 Millionen Euro. Beteiligt an dem
Konsortium sind die Firmen Diehl Aerospace und MTU Aero Engines, zwei
führende Industrieunternehmen aus dem Luftfahrtbereich, sowie das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die DLR-Ausgründung H2Fly und die
Universität Ulm.
„Wir arbeiten gemeinsam an der Entwicklung eines hybridelektrischen
Antriebs bestehend aus Brennstoffzelle, Batterie, Leistungselektronik und
Power Management System. Das konkrete Ziel, das wir dabei erreichen
wollen, ist die zeitnahe industrielle Umsetzung für leichte Motorflugzeuge
mit bis zu 19 Sitzen“, erklärt Ronny A. Knepple. Der Ingenieur
verantwortet den Bereich Energiesysteme bei der Diehl Aerospace. Das
Unternehmen, das den Forschungsverbund EnaBle koordiniert, ist
Technologieführer für Avionik-Systeme und Spezialist für Cockpit-
Ausrüstungen.

Wie funktionieren solche Hybridsysteme eigentlich? „Die Brennstoffzelle
produziert Strom aus Wasserstoff und stellt damit die energetische
Grundlage des Propellerantriebes sicher. Lithium-Ionen-Batterien liefern
während des Starts oder Steigfluges zusätzliche Leistung, die benötigt
wird, um die Reiseflughöhe zu erreichen“, sagt Dr. Caroline Willich,
Wissenschaftlerin vom Institut für Energiewandlung und -speicherung der
Universität Ulm. Die Ingenieurin leitet gemeinsam mit ihrer
Institutskollegin Dr. Christiane Bauer die Ulmer Teilprojekte. An der Uni
Ulm soll unter anderem das Luftversorgungsmodul für die Brennstoffzellen
entwickelt werden. „Die Brennstoffzellen, die hier zum Einsatz kommen,
werden mit Druckluft betrieben. Die Druck-Aufladung macht die
Brennstoffzellen effizienter und ermöglicht höhere Leistungen. Dies ist
besonders in Flugzeugen von großem Interesse, denn diese bewegen sich in
großer Höhe und damit im Unterdruckbereich“, erläutert Willich.

In der Ulmer Verantwortung liegt auch die Entwicklung und Optimierung des
Leistungsmanagementsystems. Dieses muss präzise, schnell und ausfallsicher
dafür sorgen, dass die Batterie bei hohem Leistungsbedarf zusätzliche
Energie für den Antrieb zur Verfügung stellt und während des Fluges wieder
geladen werden kann. Das Leistungsmanagementsystem soll dabei in der Lage
sein, auf die Anforderungen unterschiedlicher Flugprofile präzise und
anwendungsnah zu reagieren. Ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal am
Brennstoffzellen-Forschungsstandort Ulm ist ein Teststand, der in eine
klimatisierte Unterdruckkammer integriert ist. So können ganze
Antriebsstrangsysteme unter realistischen, flugrelevanten Bedingungen
charakterisiert und getestet werden.

Modularisierung erhöht Skalierbarkeit und erleichtert Wartung und
Reparatur

Ein ganz zentraler Aspekt bei der Entwicklung des Antriebsstrangs ist die
Modularisierung. Die Verbundpartner wollen damit einerseits die
Skalierbarkeit des Systems erhöhen, die letztendlich entscheidend dafür
ist, dass ein Prototyp industriell in Serie gehen kann. Andererseits
begünstigt ein modulares Entwicklungskonzept auch die Fehlererkennung und
-behebung und sorgt so für Erleichterungen bei der Wartung und Reparatur,
was wiederum mehr Sicherheit bringt. Hard- und Software müssen dafür
optimal aufeinander abgestimmt sein.

Entscheidend für den Projekterfolg ist nicht zuletzt die generische
Rechnerplattform, die im Rahmen von EnaBle entwickelt und eingesetzt
werden soll, samt umfassender Steuerungs- und Regelungsalgorithmen, die
für einen effizienten und reibungslosen Betrieb des Antriebsstrangs sorgen
sollen. Diehl Aerospace stellt dafür eine sogenannte Integrierte Modulare
Avionik (IMA) zur Verfügung. Die Abkürzung bezeichnet eine modulare
rechnergestützte Elektronikeinheit aus standardisierten Komponenten und
Schnittstellen, die im Flugzeug dafür sorgt, dass die verschiedenen
Systeme miteinander kommunizieren können.

Das Institut für Technische Thermodynamik am DLR kümmert sich speziell um
die Entwicklung des Brennstoffzellen- und Batteriesystems. An der
Universität Ulm – wie bereits beschrieben – konzentriert man sich
insbesondere auf das Luftversorgungsmodul für die Druckluft-
Brennstoffzelle, das ausfallsichere Leistungsmanagement sowie die Prüfung
des neuen hybriden Gesamtantriebsstranges in der Uni-eigenen Testanlage
mit klimatisierter Unterdruckkammer. MTU Aero Engines, führender deutscher
Triebwerkhersteller, arbeitet an der Gesamtintegration des
Entwicklungskonzepts für Flugzeuge aus der Klasse der 19 bis 80 Sitzer.
Die DLR-Ausgründung H2Fly widmet sich im Rahmen von EnaBle insbesondere
der Klärung sicherheitstechnischer Anforderungen und Fragen der Zulassung.

„Industrieunternehmen, Forschungseinrichtungen und Ausgründungen arbeiten
bei EnaBle Hand in Hand. Letztendlich geht es um den Aufbau einer
Gesamtsystemkompetenz für Brennstoffzellen-Batterie-Hybride, die dazu
beitragen wird, den Technologiestandort Deutschland zu stärken und neue
Arbeitsplätze zu schaffen“, sind die Projektpartner überzeugt. Aber auch
die Universität Ulm und ihre Studierenden profitieren von diesem
industrienahen Verbundprojekt: „EnaBle gibt unseren
Nachwuchswissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Chance,
anwendungsnahe Forschung in einem hochinnovativen Umfeld zu betreiben.
Unsere Ingenieure und Ingenieurinnen lernen dabei, nach Normen und
Qualitätsrichtlinien zu arbeiten, die Industrialisierung von Produkten
vorzubereiten und gleichzeitig Zukunftstechnologien weiterzutreiben“,
betont Dr. Christiane Bauer.