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Deutsche Umwelthilfe schließt nach einer intensiven Vergleichsverhandlung unter Vorsitz des 8. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW einen Vergleich mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Stadt Essen – Nach zehn Jahren andauernder Überschreitung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) wurde ein Maßnahmenkatalog zur Nachrüstung schmutziger Dieselfahrzeuge, Stärkung von Bahn, Bus und Fahrrad und Verringerung des motorisierten Individualverkehrs in Essen verbindlich vereinbart – Einhaltung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift NO2 im Jahr 2020 soll damit sichergestellt werden – Sollte sich im Jahr 2020 herausstellen, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, wurde eine kurzfristige Nachsteuerung vereinbart – Für den Fall der Grenzwertverfehlung akzeptiert die NRW-Landesregierung einen rechtlich verbindlichen Schiedsspruch zu kurzfristig wirksamen Maßnahmen – DUH-Bundesgeschäftsführer Resch begrüßt konkrete Ergebnisse und konstruktive Atmosphäre der sechsstündigen Vergleichsverhandlungen

Berlin, 5.12.2019: Im Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Nordrhein-Westfalen für die Saubere Luft in Essen haben die DUH, das beklagte Land und die Stadt Essen einen Vergleich geschlossen, der auf Vermittlung des 8. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW ausgehandelt wurde. In einer mehr als sechsstündigen Vergleichsverhandlung wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket rechtsverbindlich vereinbart, zu dessen fristgerechter Umsetzung sich das Land NRW und die Stadt Essen verpflichten. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt diese Klage für Saubere Luft der DUH.

Nach zehn Jahren Überschreitung des Grenzwerts für das gesundheitsschädliche Dieselabgas Stickstoffdioxid (NO2) wird mit den vereinbarten Maßnahmen erstmals eine Grenzwerteinhaltung in 2020 sichergestellt.

Zu den Maßnahmen gehören die Erneuerung bzw. die Hardware-Nachrüstung aller in Essen verkehrenden ÖPNV-Busse sowie der Essener kommunalen Nutzfahrzeuge noch in 2020. Die Essener Busflotte, die zuvor zu einer der dreckigsten des Landes gehörte, wird im Jahr 2020 vollständig auf Abgasnorm Euro VI umgerüstet bzw. erneuert. Mit einem rechtlich verbindlichen, umfangreichen Maßnahmenkatalog soll der Bahn- und Busverkehr verstärkt und die Infrastruktur für Radverkehr beschleunigt ausgebaut werden. Durch eine umweltsensitive Ampelsteuerung in der Alfredstraße soll der Zufluss in diese, in der Vergangenheit besonders belastete Straße, auf Basis der NO2-Messwerte begrenzt werden. Entsprechend der eintretenden Verringerung der NO2-Belastung wird die verbleibende Anzahl der Kraftfahrzeuge soweit verringert, dass eine sichere Grenzwerteinhaltung sichergestellt wird.

Quer durch die Essener Innenstadt wird eine Umweltspur errichtet, der öffentliche Nahverkehr wird ausgebaut und die Taktzeiten verdichtet. Neukunden profitieren auch in 2020 von einem um 50 Prozent ermäßigten Jahres-Abo für den öffentlichen Nahverkehr. Durch eine Verringerung von öffentlichen Parkplätzen in der Innenstadt und Anhebung der Parkgebühren im öffentlichen Raum wird die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel attraktiver. Auch die Zahl der Elektro-Ladestationen im öffentlichen Raum wird von 30 auf 316 erhöht. Mit diesen und anderen detailliert im Vergleich genannten Maßnahmen kann eine sichere Einhaltung des Grenzwerts im Jahr 2020 erwartet werden. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, wurde vereinbart, dass ergänzende Maßnahmen in den Vergleich aufgenommen werden, die unter Hinzuziehung eines Güterichters – dessen Entscheidung unanfechtbar umzusetzen ist – am Ende auch zu Dieselfahrverboten führen können.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Heute ist ein guter Tag für die Saubere Luft in Essen. Seit zehn Jahren wird der Grenzwert für das Dieselabgasgift NO2 in Essen überschritten und die Menschen werden den gesundheitsschädlichen Abgasen ausgesetzt. Wir freuen uns, mit unserer Klage die notwendige Verkehrswende in Essen hin zu weniger Pkw und mehr Bus, Bahn und Fahrrad beschleunigt und verbindlich festgeschrieben zu haben. Nach intensiven, konstruktiven Gesprächen und über mehr als sechs Stunden hartem Ringen über die konkreten Maßnahmen freuen wir uns, dass wir nun einen Maßnahmenkatalog samt Überwachungs- und Nachsteuerungs-Mechanismus erarbeitet haben, der für die Ruhr-Metropole Essen in 2020 eine Grenzwerteinhaltung des Dieselabgasgifts NO2 ermöglicht. Dafür danken wir auch Frau Ministerin Heinen-Esser. Durch ihren persönlichen Einsatz ist es gelungen, eine vertrauensvolle Basis für die Gespräche zu schaffen und ein umfangreiches Gesamtkonzept zu vereinbaren und darüber hinaus zuzusagen, dass auch das Land bereit ist, in Gespräche mit der DUH über eine Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen, zum Beispiel bei der Polizei aber auch anderen Dienststellen, einzutreten. Die Einigung zeigt auch, dass Maßnahmen für die Verkehrswende machbar und finanzierbar sind. Dazu gehört auch die Einführung eines drastisch reduzierten Preises für ÖPNV-Jahrestickets. Wir brauchen weniger motorisierten Individualverkehr und eine Stärkung des ÖPNV, daher fordern wir die Einführung eines bundesweiten 365-Euro-Tickets.“

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in diesem Verfahren vertritt, erklärt: „Mit dem Vergleich gibt es Rechtssicherheit für alle Seiten. Gleichzeitig gibt es eine kommunikative Ebene, auf der Probleme bei der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen kurzfristig und möglichst ohne gerichtliche Hilfe geklärt werden können. Wir haben daher vereinbart, dass die Wirkung der Maßnahmen in kurzen Zeitabschnitten kontrolliert, nachgesteuert und beides der DUH mitgeteilt wird. Mit diesen Steuerungsinstrumenten sind wir guter Dinge, dass der über zehn Jahre andauernde rechtswidrige Zustand der Luft in Essen nunmehr ein Ende findet. Dies kann ein Modell für andere Städte sein, wenngleich jede Stadt individuell maßgeschneiderte Lösungen erfordert.“

Alle drei Parteien des Vergleichs, das Land NRW, die Stadt Essen und die DUH, fordern zudem in der Präambel des richterlichen Vergleichs die Autokonzerne zu einer beschleunigten Hardware-Nachrüstung der schmutzigen Diesel-Bestandsfahrzeuge auf.

Auch für die Bundesautobahn A 40 wurde eine Regelung getroffen. Für das Jahr 2020 verzichtet die DUH auf ein Dieselfahrverbot auf dem Essener Teilstück der Ruhrautobahn. Im Gegenzug verpflichtet sich das Land, sich in Verhandlungen mit der Bundesregierung für eine schnellstmögliche Überdeckelung der A 40 in dem belasteten Bereich einzusetzen, um dadurch die bestehende Luft- und Lärmbelastung nachhaltig zu reduzieren. Die Stadt Essen begrüßt diese Maßnahme ebenfalls. Die Finanzierung dieser Maßnahme muss über Bundesmittel erfolgen, weshalb die Deckelung der A 40 in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes aufgenommen werden muss. Sollte bis Ende 2020 keine Regelung mit der Bundesregierung erzielt und die für diesen Fall vorgesehenen neuen Gespräche keine Einhaltung der NO2-Grenzwerte sicherstellen, sieht der Vergleich ein der DUH ausdrücklich vorbehaltenes Klagerecht über Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes verbindlich vor. Damit liegt es in der Hand des Bundeverkehrsministeriums, Diesel-Fahrverbote auf der Autobahn A 40 zu verhindern.

Links:

Zu den Anlagen des Vergleichs: http://l.duh.de/p191205