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Romani Rose und Isabel Raabe (im Hintergrund) bei der Preisverleihung am 29. Oktober 2019 in Paris. © Felix Q Media / Europa Nostra
Romani Rose und Isabel Raabe (im Hintergrund) bei der Preisverleihung am 29. Oktober 2019 in Paris. © Felix Q Media / Europa Nostra

Im Rahmen einer festlichen Verleihungszeremonie am 29. Oktober 2019 im Théâtre du Châtelet in Paris wurde RomaArchive, das digitale Archiv der Sinti und Roma, bei den European Heritage Award / Europa Nostra Awards mit einem mit 10.000 € dotierten Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Der Preis wurde von Plácido Domingo, Präsident von Europa Nostra, und Tibor Navracsics, EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport überreicht.„Das Thema dieser Forschung ist für die Geschichte der Menschen in Europa von wesentlicher Bedeutung”, führte die Jury in ihrer Begründung aus. Weiter heißt es: „Die Roma bilden mit 12 Millionen Menschen die größte und am wenigsten beachtete Minderheit Europas. Dieses Archiv ist besonders innovativ, da es sich auf die Selbstdarstellungen von Roma-Identitäten fokussiert, sowohl materielle als auch immaterielle Aspekte dieses Erbes zum Ausdruck bringt und sich von den stereotypen Wahrnehmungen von Roma entfernt.“

Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats und des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, betonte in seiner Dankesrede, dass Sinti und Roma seit Jahrhunderten fester Bestandteil ihrer jeweiligen Heimatländer sind und dort die europäische Kultur durch ihre Beiträge mitgeprägt haben. Er richtete seinen Dank an die Projektinitiatorinnen Isabell Raabe und Franziska Sauerbrey und explizit an die Jury: „Ich bin heute hier, um Frau Raabe und Frau Sauerbrey zu danken, für ihre Initiative, die kulturellen Beiträge unserer Minderheit in Europa, die diese seit 600 Jahren in ihren Heimatländern geleistet haben, wieder in das nationale Bewusstsein zu rufen. […] Ich möchte der Jury ganz besonders danken, die mit dieser Preisverleihung auch eine Anerkennung unserer Kultur ausgesprochen hat.“

Zum Hintergrund:

European Heritage Awards / Europa Nostra Awards

Der EU-Preis für Kulturerbe / Europa Nostra Awards (ab 2019 European Heritage Awards / Europa Nostra Awards) hat den Sektor des Kulturerbes in Europa weiter gestärkt, indem er vorbildliche Praxisbeispiele hervorhebt, den grenzüberschreitenden Wissensaustausch fördert und die Vernetzung verschiedener Interessengruppen in breiteren Netzwerken unterstützt. Für die Gewinner bringen die Auszeichnungen viele Vorteile, wie z. B. ein größeres (inter-)nationales Engagement, Folgefinanzierung und steigende Besucherzahlen. Darüber hinaus haben die Preise das Bewusstsein für unser gemeinsames Erbe in der breiten Öffentlichkeit gestärkt und gleichzeitig seinen intrinsischen europäischen Charakter hervorgehoben. Die Auszeichnungen sind daher ein wichtiges Instrument zur Förderung des europäischen Erbes.

Europa Nostra ist ein gesamteuropäischer Zusammenschluss von NRO, die sich mit dem Erhalt des kulturellen Erbes beschäftigen und der von einem breiten Netz öffentlicher Einrichtungen, privater Unternehmen und Einzelpersonen unterstützt wird. Europa Nostra wurde 1963 gegründet und gilt heute als das repräsentativste Kulturerbe-Netzwerk in Europa. Der weltbekannte Opernsänger und Dirigent Plácido Domingo ist der Präsident der Organisation.

www.europeanheritageawards.eu/

 

RomArchive

RomArchive, das Digitale Archiv der Sinti und Roma, ist seit dem 24. Januar 2019 online und macht die Künste und Kulturen der Roma und ihren Beitrag zur europäischen Kulturgeschichte endlich sichtbar. Durch von Roma und Sinti selbst erzählte Geschichten schafft RomArchive eine im Internet international zugängliche, verlässliche Wissensquelle, die Stereotypen und Vorurteilen mit Fakten begegnet. 

Inhaltlich haben 14 Kurator_innen die Darstellung bestimmt und exemplarisch künstlerische Beiträge für die Archivbereiche Bildende Kunst, Film, Literatur, Musik, Tanz, Theater und Drama und den interdisziplinären Bereich Flamenco ausgewählt, darüber hinaus Material zur Bilderpolitik, Selbstzeugnisse im Zusammenhang mit der Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus sowie wissenschaftliches Material zur Bürgerrechtsbewegung. Mit den verschiedenen Arbeitsgruppen sind etwa 150 Akteure aus 15 Ländern europaweit und darüber hinaus am Projekt beteiligt. Sie bilden ein weltweites Netzwerk von Kulturschaffenden, Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen, die hauptsächlich zur Minderheit gehören und RomArchive zum derzeit größten Kulturprojekt von, für und mit Sinti und Roma machen, in dem das Prinzip der „Romani Leadership“ konsequent umgesetzt wird. 

Die auf ständigen Zuwachs angelegte Sammlung des Archivs spiegelt exemplarisch die enorme Bandbreite und Diversität von kulturellen Identitäten und nationalen Eigenheiten wider, anstatt ein realitätsfremdes Bild einer homogenen „Roma- Kultur“ zu vermitteln. Der Reichtum einer jahrhundertealten und bis in die Gegenwart überaus lebendigen und vielseitigen künstlerischen und kulturellen Produktion wird hier erstmals in diesem Umfang öffentlich sichtbar.

Seit der Unterzeichnung des Übernahmevertrags am 27. März 2019 steht das RomArchive unter der Trägerschaft des Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma. In den Jahren des Aufbaus bis zum Launch von RomArchive (2015–2019), stand das Projekt unter der Trägerschaft der sauerbrey | raabe gUG (haftungsbeschränkt) und wurde von der Kulturstiftung des Bundes mit 3,75 Millionen Euro unterstützt.

www.romarchive.eu