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Das Land Schleswig-Holstein erinnert an 100 Jahre deutsch-dänische
Grenzziehung. Regionalgeschichte der Uni Kiel blickt zurück und bietet
zahlreiche Veranstaltungsformate an.

Im Jahr 2020 sind seit den Volksabstimmungen zur deutsch-dänischen
Grenzziehung 100 Jahre vergangen. Die Abteilung für Regionalgeschichte der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nimmt dieses Jubiläum zum
Anlass, um einen kritischen Blick auf die Umstände der damaligen
Volksabstimmungen sowie auf die Situation in beiden Ländern vor, während
und nach der Grenzfestlegung zu werfen. „Die Umstände der Abstimmungen von
1920 waren alles andere als reibungslos”, weiß Professor Oliver Auge von
der CAU. „Weite Teile der deutschen Bevölkerung fühlten sich durch den
Versailler Vertrag ungerecht behandelt. Die Menschen litten unter den
Folgen des Ersten Weltkrieges, an Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger. Und
die Modalitäten der Volksabstimmungen waren nicht unbedingt zugunsten der
deutschen Seite ausgestaltet”, so der Historiker.

Kern der damaligen Entscheidung war die Zuordnung Nordschleswigs zu
Dänemark. Die dänische Seite entschied die Volksabstimmungen für sich und
feierte das Ergebnis als Wiedervereinigung von Teilen des einstigen
Herzogtums mit dem Mutterland. Das Gebiet hatte seit dem Deutsch-Dänischen
Krieg 1864 zu Deutschland gehört, die Grenzziehung war 1907 von Dänemark
bestätigt worden. „Entsprechend geteilt waren die Bewohnerinnen und
Bewohner der Grenzregion, als es nach dem Ersten Weltkrieg eine erneute
Entscheidung über den Verlauf der Grenze geben sollte”, berichtet Auge.
Abgestimmt wurde in zwei Zonen: Während in Mittelschleswig als einer
Abstimmungszone (II) mehrheitlich für einen Verbleib bei Deutschland
gestimmt wurde, war Nordschleswig als erste Abstimmungszone im Innern
zerrissen. In einem Teil der Städte wie Tondern wollte man die bestehende
Grenzziehung überwiegend beibehalten, die deutliche größere ländliche
Region fühlte sich Dänemark zugehörig. „Das gab den Ausschlag für den
Ausgang der Volksabstimmung in dieser Abstimmungszone, denn hier wurden
die Stimmen en bloc gewertet. Wegen der Gesamtmehrheit der Stimmen pro
Dänemark fiel dieser Teil der dänischen Seite zu. Die reine Auszählung der
einzelnen Stimmen hätte wohl zum Teil, vor allem im Süden Nordschleswigs,
einen anderen Abstimmungsausgang bedeutet”, so Auge

Mit einer Vortragsreihe an wechselnden Orten in Schleswig-Holstein und
Dänemark samt Podiumsdiskussion, einer Ausstellung die mit
Geschichtsstudentinnen und -studenten entwickelt wurde, einer
öffentlichen, deutsch-dänischen Tagung in der schleswig-holsteinischen
Landesvertretung in Berlin sowie mit einer deutsch-dänischen Sommerschule
steuert das Team um Regionalhistoriker Professor Oliver Auge
wissenschaftliche Einblicke und neue Perspektiven zum Landesprogramm bei.

Vortragsreihe: „Regional oder national? Sichtweisen auf 100 Jahre deutsch-
dänische Grenze 1920–2020“

Am 11. Dezember präsentiert Professor Thomas Steensen, Vorsitzender der
Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und zuvor langjähriger
Direktor des Nordfriisk Instituut, „Die Friesen – eine ‚vergessene
Minderheit‘?“ Weitere Vorträge über die Bonn-Kopenhagener Erklärungen oder
70 Jahre Grenzfriedensbund folgen bis zu einem Doppelvortrag am 4. März
über den Kulturkampf an der Königsau und die Bedeutung der Grenze für
Schleswig-Holstein. Im März 2020 schließt die Reihe im Kieler Landeshaus
mit einer öffentlichen Podiumsdiskussion.

Die Vortragsreihe wird veranstaltet durch: Abteilung für
Regionalgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) mit
dem Landesbeauftragten für politische Bildung Schleswig-Holstein und dem
ADS Grenzfriedensbund

Programm und Details:
<www.uni-kiel.de/de/universitaet/detailansicht/news/304-grenze>

Ausstellung: „Kieler Perspektiven auf die Volksabstimmungen von 1920“

Gibt es nach 100 Jahren Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark
neue Erkenntnisse über die damalige Entscheidung? Die Antworten auf diese
Frage präsentiert das Historische Seminar im Rahmen einer Ausstellung. Mit
ihren „Kieler Perspektiven auf die Volksabstimmungen von 1920” rücken die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit Kieler Studierenden
die Landeshauptstadt selbst in den Fokus. Während bisherige
Forschungsansätze die Grenzregion im engeren Sinne, die Belange der
betroffenen Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze oder das Verhältnis
beider Staaten zwischen zwei Weltkriegen analysierten, geriet die
Bedeutung der Volksabstimmungen für die Stadt Kiel aus dem Blick. Eröffnet
wird die Ausstellung am 10. Februar 2020 in der Förde Sparkasse Kiel durch
Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer und den Vorsitzenden der Gesellschaft
für Kieler Stadtgeschichte Rolf Fischer.

„Die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen
waren hier vertreten. Kiel fungierte als kulturelles und
wissenschaftliches Zentrum Schleswig-Holsteins, und hier wurden die
politischen Entscheidungen getroffen”, erklärt Caroline E. Weber,
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Regionalgeschichte. „Da
ist es nicht überraschend, dass in der Kieler Presse der Wahlkampf von
Dänen und ‘Dänenfreunden’ genauso wortgewaltig geführt wurde, wie von
deutscher Seite“, so Weber. „Wahlkampagnen und Berichterstattung in der
Kieler Presse sollten über die Stadtgrenzen hinaus ihre Wirkung entfalten.
Botschaften auf dem Suchsdorfer Notgeld richteten sich auch explizit an
die eigene Gemeinde”, ergänzt die Wissenschaftlerin. Zeugnisse dieses
Wahlkampfes in der Presse und über Marketingmaßnahmen werden in der
Ausstellung gezeigt, dazu zählen beispielsweise Notgeldscheine über 25
Pfennig.

Kieler Bürgerinnen und Bürger, die im Abstimmungsgebiet geboren und
mindestens 20 Jahre alt waren, konnten ebenfalls ihre Stimme abgeben. Die
Volksabstimmungen gehörten nach der Wahl der Nationalversammlung von 1919
zu den ersten Ereignissen, bei denen Frauen ihr neu gewonnenes Wahlrecht
ausüben konnten. Der Antrag der Kielerin Margaretha Specht auf Eintragung
in die Liste der Stimmberechtigten wird ebenfalls in der Ausstellung
gezeigt.

Insgesamt 11 Schlaglichter haben die Geschichtsstudentinnen und -studenten
für die Ausstellung aufbereitet. „Die Anfangsgeschichte meiner eigenen
Professur ist eines davon”, berichtet Oliver Auge. Der Abstimmungskampf
habe in der schleswig-holsteinischen Bevölkerung den Wunsch geweckt, die
eigene Landesgeschichte zu bewahren und eine identitätsstiftende
Institution zu etablieren, so Auge: „Das Ergebnis war die Schaffung einer
‘Grenzkampfprofessur’ an der Kieler Universität. Der Theologe und
gebürtige Nordschleswiger Otto Scheel wurde für diesen Geschichtslehrstuhl
ausgewählt. Die preußische Regierung versprach sich von seiner Berufung
einen wichtigen Beitrag zu einer baldigen Grenzrevision. Scheel nahm diese
politische Aufgabe bereitwillig an.”

Weitere Themen der Ausstellung sind:
–       Die Grenze im Nationalsozialismus
–       Deutsch-dänische Beziehungen nach 1945
–       Die “Kieler Erklärungen” und die “Bonn-Kopenhagener Erklärungen”
–       Wissenschaft und Kultur
–       Der Südschleswigsche Wählerbund
–       Das dänische Honorarkonsulat in Kiel
–       Die Deutsch-Dänische Gesellschaft e.V.

Das Wichtigste in Kürze:
Die Ausstellung wurde in einem Projektseminar der Abteilung für
Regionalgeschichte an der Kieler Universität von Masterstudierenden
erarbeitet, unter Leitung von Professor Oliver Auge und Caroline E. Weber
und in Zusammenarbeit mit dem Königlich Dänischen Honorarkonsulat in Kiel.
Ausstellungseröffnung: 10. Februar 2020
Zeitraum: ca. vier Wochen
Ort: Fördesparkasse, Lorentzendamm 28-30, 24103 Kiel
Öffnungszeiten: Mo-Do: 09:00-18:00 Uhr / Fr.: 09:00-16:00 Uhr

Tagung: „Handlungsspielräume und Narrative in der deutsch-dänischen
Grenzregion seit 1920“

Die deutsch-dänische Grenzziehung von 1920 ist nicht nur ein relevantes
Thema für die Grenzregion. Sowohl regionales Bewusstsein als auch
nationale Entscheidungen spielten entscheidende Rollen. Darauf soll der
erste von drei Schwerpunkten einer öffentlichen Tagung in der Vertretung
des Landes Schleswig-Holstein beim Bund liegen. Am 5. und 6. Mai 2020 sind
alle Interessierten zur Teilnahme eingeladen.

Der zweite Schwerpunkt der Tagung liegt auf den Minderheiten der
Grenzregion. Nicht selten wurden im Europa des 20. Jahrhunderts die
zahlreichen Minderheiten von der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung mit
Misstrauen bedacht und des Separatismus’ verdächtigt. Dänische und
friesische Minderheiten in Deutschland und deutsche Minderheit in Dänemark
hatten zu beiden Seiten vergleichbare Hürden zu nehmen, nicht zuletzt die
Zusicherung demokratischer Rechte, die erst 1949 auf deutscher Seite durch
die Kieler Erklärung geregelt wurde. Mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen
von 1955 erhielten die Minderheiten beiderseits der Staatsgrenze
Rechtssicherheit.

Abgeschlossen wird der erste Tagungstag am 5. Mai mit einer öffentlichen
Podiumsdiskussion zum Thema „Gemeinsam über Grenzen! Stand und
Perspektiven der deutsch-dänischen Nachbarschaft“. Die Podiumsdiskussion
wird gemeinsam mit der Vertretung des Landes Schleswig-Holstein beim Bund
veranstaltet. Das Grußwort hält Friis Arne Petersen, Botschafter des
Königreichs Dänemark in der Bundesrepublik Deutschland. Der dritte
Tagungsschwerpunkt findet schließlich zum Thema „Bürgerkrieg und Plebiszit
in europäischen Grenzregionen” statt.

Zum ausführlichen Tagungsprogramm:
<http://bit.ly/tagung-dd-grenzregion>

Deutsch-Dänische Sommeruniversität

Seit zehn Jahren findet die deutsch-dänische Sommeruniversität mit
regionalen Partnern aus Wissenschaft, Kultur und Politik statt und die
Abteilung für Regionalgeschichte ist im Jahr 2020 erneut Mitorganisatorin.
Anlässlich der 100-jährigen Grenzziehung findet die Veranstaltung im
August 2020 zum Thema Volksabstimmungen statt. Auge: „Das Besondere an
dieser Sommeruniversität ist, dass sie nicht nur von dänischen
Germanistikstudierenden und deutschen Geschichtsstudierenden besucht wird.
Unter den 40 bis 50 Teilnehmenden sind auch viele europäische Studentinnen
und Studenten aller Fachrichtungen. Sie weiten den Blick aller
Beteiligten. Die Sommerschulen sind ein wichtiger und bewährter Beitrag
zur internationalen Sichtbarkeit der Lehre unserer CAU. Wir hoffen, dass
wir im Zuge der Neugestaltung des HSP auch künftig die Personalressourcen
haben, um die Sommerschulen durchführen zu können.”

Die Sommeruniversität wird vom Historischen Seminar der Christian-
Albrechts-Universität zu Kiel, dem Internationalen
Wirtschaftskommunikationsstudium (Negot) und dem Zentrum für
Grenzregionsstudien der Süddänischen Universität, der Dänischen
Zentralbibliothek für Südschleswig und der Ausländerförderung der Konrad-
Adenauer Stiftung organisiert. Weitere Partner der vergangenen Jahre waren
etwa die Europa-Universität Flensburg, das Institut für Hessische
Landesgeschichte der Universität Marburg und der Bund Deutscher
Nordschleswiger. Regelmäßig wurde das Format durch europäische  Interreg-
Fördermittel und jüngst durch das „Europaministerium“ des Landes
Schleswig-Holstein unterstützt.

Die Sommeruniversität wird in deutscher und englischer Sprache
durchgeführt und bietet deutschen, dänischen und  internationalen
Studierenden die Möglichkeit, sich nicht nur mit der Entwicklung einer
lange umstrittenen, aber heute friedlichen Grenzregion in Europa
auseinanderzusetzen, sondern auch die Perspektive der Studierenden aus
anderen Ländern kennenzulernen.

Zum Landesprogramm:
<www.schleswig-holstein.de/DDV/DE/Home/home_node.html>