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Kommentar von Südosteuropahistoriker Dr. Konrad Clewing zum Rücktritt des
kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi

Am Donnerstag ist Kosovos Präsident Hashim Thaçi zurückgetreten, nachdem
das Kosovo-Sondertribunal in Den Haag die zunächst vorläufige Anklage
gegen ihn infolge seiner Rolle bei der „Befreiungsarme“ UÇK bestätigt
hatte. Am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in
Regensburg beschäftigt sich der Historiker Dr. Konrad Clewing intensiv mit
Vergangenheit und Gegenwart des Kosovo. Er kommentiert den Rücktritt
Thaçis:

Der beginnende Prozess in Den Haag bringt der kosovarischen Gesellschaft
die Chance, sich endlich mit den Vorwürfen ernsthaft auseinanderzusetzen,
die eng mit der Geschichte der eigenen Unabhängigkeit verbunden sind. Ein
weniger verklärter Blick auf die damalige eigene Kriegsführung zur
Befreiung von der serbischen Herrschaft wäre gut, ebenso eine
Enttabuisierung der von der UÇK auch gegen kosovoalbanische Konkurrenten
angewandten einstigen Gewalt. Als gesellschaftliche und politische
Herausforderung ist dieser Prozess heikel genug – zumal auf der anderen
Seite das politische Serbien seine eigene kollektive Rolle im Kosovokrieg
und im heutigen Kosovo ganz unkritisch betrachtet und sich bis heute
weigert, die Unabhängigkeit Kosovos als Folge jener Kriegsereignisse
anzuerkennen. Nicht von ungefähr werden jetzt in Prishtina Stimmen in der
Regierung laut, den Dialog mit Serbien angesichts des Prozesses in Den
Haag erst einmal bis auf Weiteres ganz zu unterbrechen. Kurzfristig könnte
der Westen, der Thaçi lange Zeit als Stabilitätsanker hofierte und sich
mittlerweile auch darüber zwischen der EU und den trumpschen USA
zerstritten hat, dieser Art von Stabilität am Ende noch nachtrauern. Auf
lange Sicht aber könnte der Prozess in Den Haag doch Positives für Kosovo
und seine Nachbarschaft bewirken.

Eine ausführliche Version des Kommentars ist auf dem Blog des IOS
erschienen: https://ostblog.hypotheses.org/1741