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Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und Sportorthopädie  Bauerfeind
Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und Sportorthopädie Bauerfeind

Ausdauersportler, die ihr Training zu schnell und ohne Plan intensivieren
und dabei bestimmte Stoffwechsel-Prozesse nicht beachten, laufen Gefahr,
dass ihr Fuß oder andere Strukturen einen Bruch erleiden. Die sogenannte
„Stressfraktur“ gibt es vor allem an der unteren aber auch an der oberen
Extremität. Welche Ursachen zugrunde liegen, wer betroffen ist und wie man
Abhilfe schaffen kann – darüber diskutieren Sportorthopäden und
Wissenschaftler vom 26. bis 28. August auf dem Zeulenrodaer Kongress für
Orthopädie und Sportorthopädie.

Stressfrakturen sind typische Überlastungsschäden und entstehen aus einem
Missverhältnis von Belastung und Belastbarkeit, meist in Ausdauer-
Sportarten wie Laufsport (Gehen, Duathlon, Triathlon, Marathon). Häufig
ist an der unteren Extremität der Mittelfußknochen betroffen. Es kann aber
auch zur Stressreaktion des Beckens und des Oberschenkel-Halses kommen.
PD Dr. Casper Grim, Sportorthopäde und Chefarzt der Klinik für Orthopädie
und Sportmedizin am Klinikum Osnabrück: „Gerade auch Freizeitsportler sind
gefährdet, wenn sie übermäßig ihre Belastung in Umfang, Intensität und
Frequenz steigern. Zum Beispiel wenn man das Lauftraining von zwei Mal
adhoc auf sieben Mal pro Woche steigert oder statt moderaten Dauerläufen
plötzlich viele harte und lange Trainingsintervalle einbaut. Bei
Profisportlern sind es eher die vielen Stunden Training pro Tag, die
Probleme verursachen. Betroffen können grundsätzlich alle Altersklassen
sein, häufiger jedoch Sportler zwischen 20 und 35 Jahren.“

Eine wesentliche Ursache ist das „Relative Energy Deficiency in Sport“
(RED-S), welches den Stoffwechsel aus dem Ruder laufen lässt. Die
Zusammensetzung der Ernährung und die Gesamt-Energiezufuhr sind dabei
nicht adäquat dem Bedarf angepasst. Viele haben das klassische Bild der
ausgemergelten Marathon-Läuferin vor sich und tatsächlich hängt vieles mit
dem Hormon-Stoffwechsel, gerade bei Frauen, zusammen. Folgen sind
Menstruationsstörungen, Ess-Störungen, eine verminderte Knochendichte.
Aber auch Männer können betroffen sein, besonders wenn es wie zum Beispiel
im Skispringen oder in Laufdisziplinen von Vorteil ist, besonders leicht
zu sein.

Nicht nur der Knochenstoffwechsel ist dann gestört, sondern auch viele
andere Organsysteme und -funktionen. So kann auch der Verdauungstrakt
betroffen sein, eine vegetative Dysregulation kann sich zeigen,
Stimmungsschwankungen von antriebslos bis gereizt sowie immunologische
Dysbalancen mit der Folge von vermehrten Infekten sind möglich.

„Wenn Sportler in diesem Mix aus falscher Ernährung und unzureichender
Energiezufuhr über längere Zeit trainieren, sind Stressfrakturen das
mögliche Resultat. Dann gilt es nachzuforschen, warum der Betroffene
dieses Defizit hat, ob hormonelle Erkrankungen eventuell zugrunde liegen,
wie zB eine Parathormon-Stoffwechselstörung. Denn auch ein
funktionierender Kalzium-Haushalt ist lebenswichtig für den Knochen“, so
Grim.

Jeder betroffene Sportler sollte sich zuerst mit einem Sportorthopäden
zusammensetzen. Dieser arbeitet dann interdisziplinär bei Bedarf mit
Gynäkologen, Orthopädie-Schuhtechnikern, Ernährungswissenschaftlern und
anderen Experten zusammen.
Eine mechanische Achsabweichung ist manchmal der Grund, der erst bei
vermehrtem Training zum Tragen kommt. Der klassische Mittelfuß-Bruch wird
auch gerne „Marsch-Fraktur“ genannt (Militär), aber auch Schienbein und
Fußwurzelknochen können Stressfrakturen erleiden.

Mit Einlagen, Bandagen und Orthesen können Fehlstellungen und
Fehlbelastungen behandelt und die mechanische Belastung optimiert werden.
Die ausgewogene Energiezufuhr und das sinnvoll aufgebaute Training können
den Betroffenen bei RED-S helfen auch nach Ausheilung des Bruches ihren
Sport wieder auszuüben.