Pin It
Foto (Universität Paderborn, Johannes Pauly): An der Uni Paderborn forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen.
Foto (Universität Paderborn, Johannes Pauly): An der Uni Paderborn forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen.

Vor ziemlich genau 20 Jahren gründeten die beiden US-amerikanischen
Studierenden Larry Page und Sergei Brin das Unternehmen Google. Sie legten
damit den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte, die mittlerweile um viele
Kapitel reicher geworden ist. Google ist heute mehr als nur eine
Suchmaschine. Als einer der großen Impulsgeber in einer zunehmend
digitalisierten Welt widmet sich das Unternehmen Fragen, zu denen auch
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Paderborn
forschen.

„Eigentlich fing alles 1996 mit der Entwicklung eines Algorithmus an.
Dieser sollte die Relevanz von Internetseiten aufgrund ihres
Verlinkungsgrads mit anderen Webseiten bestimmen – der sogenannte
PageRank“, erzählt Michaela Geierhos, Professorin für Digitale
Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn. Am 4. September 1998
wurde das Unternehmen Google Inc. gegründet. In den Folgejahren wuchs es
durch diverse Firmenübernahmen rasch an, u. a. mit Diensten wie Google
Maps, Gmail, Google Earth, Android und YouTube. Die Suche im Web, so
Geierhos, stelle aber nach wie vor das Kerngeschäft von Google dar.

Doch wie genau funktioniert diese Suchmaschine? Wer über Google etwa nach
Informationen über die Universität Paderborn sucht, erhält in nur einer
halben Sekunde mehr als acht Millionen Treffer. Geierhos: „Die
Suchmaschine fungiert wie ein Tor zum Internet, die unvorstellbare große
Datenmengen durchforsten muss. Da das nicht erst zur Anfragezeit durch den
Informationssuchenden passieren kann, weil sonst die Wartezeiten viel zu
lang wären, indiziert die Websuchmaschine Google in bestimmten
Zeitintervallen alle online verfügbaren Medien, wie zum Beispiel Text,
Bild und Ton. Es entsteht eine Art Schlüsselwortindex, der
Internetadressen nach relevanten Begriffen sortiert, die dort vorkommen.“
Dabei finde eine Priorisierung statt, auch Ranking genannt, deren
Vorgehensweise offiziell nicht bekannt sei. „Allerdings ist
offensichtlich: Je seltener ein Suchbegriff vorkommt, desto
charakteristischer ist er für eine Webseite“, betont die
Wissenschaftlerin.

Wissenschaftler der Universität Paderborn forschen in Googles
Firmenzentrale

Google möchte Nutzerinnen und Nutzern nicht bloß eine große Bandbreite an
Informationen bereitstellen, sondern herausfinden, wonach eigentlich
gesucht wird. An dieser Stelle kommt „RankBrain“ zum Einsatz. Michaela
Geierhos erklärt das folgendermaßen: „RankBrain ist eine künstliche
Intelli-genz, deren Lernprozess auf Verhaltensmustern in Kombination mit
kontextuellen Informationen basiert. Die Aufgabe ist es, nicht nur
einzelne Wörter, sondern auch Phrasen und die Intention der Suchenden zu
verstehen. Insbesondere Seiten, die einzigartige Inhalte und eine
übersichtliche Informationsstruktur aufweisen, profitieren von RankBrain.“

Um die Orientierung in digitalen Sphären zu erleichtern und Technologien
wie RankBrain zu be-schleunigen, ist kontinuierliche Forschungsarbeit
gefragt. Oliver Walter und Jahn Heymann, Wissen-schaftler im Fachbereich
Nachrichtentechnik an der Universität Paderborn, haben die Forschungsar-
beit in Googles Firmenzentrale in Mountain View/Kalifornien (Silicon
Valley) bereits hautnah kennen-gelernt. Dort wirkten sie an
unterschiedlichen Projekten mit, die Methoden des sogenannten „Ma-
schinellen Lernens“ verwenden: Walter forschte im experimentellen Bereich
der Softwareentwicklung, insbesondere zur Audiosignalverarbeitung. Heymann
beschäftigte sich während seines ersten Auf-enthalts bei Google im
vergangenen Jahr mit robuster automatischer Spracherkennung. In diesem
Jahr lag sein Forschungsschwerpunkt auf einer speziellen Technik des
„Maschinellen Lernens“.

Maschinen, die lernen können

„Maschinelles Lernen“ ist ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz.
Dazu forschen nicht nur Google und andere Unternehmen, sondern auch
Wissenschaftler der Universität Paderborn: „Theoretisch betrachtet, gibt
es den Wunsch nach Maschinellem Lernen schon so lange wie es Maschinen
gibt, die rechnen können. Der Begriff wurde erstmals von dem US-
amerikanischen Informatiker Arthur L. Samuel im Jahr 1959 definiert“,
erklärt Prof. Dr. Axel-Cyrille Ngonga Ngomo von der Fachgruppe Data
Science. „Am besten lässt sich das an Spielen wie Schach und Dame
erklären: Wie schreibt man einen Code so auf, dass Computer diese Spiele
genauso gut oder sogar besser als Menschen spielen können? Forscher
stellten letztlich fest, dass es eigentlich besser ist, wenn der Computer
selber lernt, was gute Züge ausmacht“, erzählt der Paderborner
Informatiker.

Wie eine Maschine diese Regeln lernt? Indem sie eine Menge an
Informationen erhält und anhand dieser lernt, Muster zu erkennen und zu
bewerten. So können Computer beispielsweise lernen, Fahrzeuge nach
spezifischen Typen zu unterteilen, nachdem ihnen zuvor eine Reihe
verschiedener Bilder mit Autos gezeigt wurde. „Dafür muss man eine
entsprechende Ähnlichkeitsfunktion definieren oder diese vom Computer
lernen lassen“, erklärt Ngonga. Maschinelles Lernen sei insgesamt ein sehr
interdisziplinäres Forschungsfeld, so der Wissenschaftler. Dementsprechend
gebe es auch bei Google ein „internationales und heterogenes
Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den
unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammenkommen, wenngleich die meisten
von ihnen schwerpunktmäßig aus den Bereichen Informatik, Elektrotechnik
und Mathematik stammen“, ergänzt Oliver Walter. Jahn Heymann fügt hinzu:
„Google ist mittlerweile in sehr vielen Forschungsgebieten vertreten, weil
sich Maschinelles Lernen in fast jedem Bereich vielversprechend anwenden
lässt. Dies umfasst zum Beispiel den medizinischen Bereich und die Physik,
aber auch kreative Arbeiten wie beispielsweise die Musikproduktion“.

Mensch und Maschine in OWL

Im Bereich des Maschinellen Lernens treibt Google seine Entwicklungen
weiter voran, doch auch in Ostwestfalen-Lippe finden Forschungen aus
diesem Bereich praktische Anwendung. So spielen in OWL vor allem
Intelligente Technische Systeme eine zentrale Rolle: „Ein gutes Beispiel
hierfür ist „Predictive Maintenance“, die mittlerweile in allen
industriellen Anlagen benötigt wird. Maschinen sammeln Daten darüber, was
sie in einer bestimmten Zeit produzieren. Mit den Daten möchte man nun
vorhersagen, wann eine Maschine zu reparieren oder zu warten ist und zwar
noch bevor sie aufhört zu funktionieren. Das übergeordnete Ziel ist es,
dass Menschen und Maschinen besser zusammenarbeiten, weil sie über
unterschiedliche Arten von Intelligenz verfügen“, erklärt Axel Ngonga.
Dabei werde es immer wichtiger, dass Maschinen den Menschen Erklärungen
für ihr Verhalten geben können, da dies derzeit nicht genau festgelegt
sei, meint der Informatiker.

Daten schützen, Datenschutz verstehen

Da die intelligenten Maschinen jede Menge Daten sammeln und die EU erst
vor wenigen Monaten die Datenschutzgrundverordnung einführte, müsse
Maschinelles Lernen neugedacht werden, betont Ngonga. Dies, so ergänzt
Michaela Geierhos, sei auch etwas, um das selbst Global Player wie Google
nicht herumkämen: „Natürlich muss sich Google wie jedes andere Unternehmen
auch an den Datenschutz halten. Für den Umgang damit wird es häufiger
kritisiert. Meines Erachtens nach ist das viel größere Problem aber, dass
wir einerseits abgestumpft sind, wenn es darum geht, rechtliche Hinweise
zu lesen, die meist extrem ausführlich und nicht leicht verständlich
geschrieben sind. Andererseits führt die Verknüpfung der zahlreichen
Google-Dienste dazu, dass es zwar nur noch eine Vereinbarung gibt, der
zugestimmt werden muss, den Nutzern aber vielleicht nicht bewusst ist, was
die Folgen der Zusammenführung ihrer Daten sind. Vermutlich ist das
Bewusstsein jedes Einzelnen nicht geschärft, solange kein
Identitätsdiebstahl, Datenerpressung etc. passieren.“ Technischer
Fortschritt und Datenschutz müssen in der Forschung also immer
zusammengedacht werden – ob in Kalifornien oder in Ostwestfalen-Lippe.