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So sehen die Miniheizungen aus, die Wohnungslosen kurzfristig helfen können.  RUB, Marquard
So sehen die Miniheizungen aus, die Wohnungslosen kurzfristig helfen können. RUB, Marquard

Die eisigen Tage scheinen vorerst vorbei zu sein, doch die kalte
Jahreszeit noch nicht, und der nächste Winter kommt bestimmt. Und mit ihm
und mit jeder Kälteperiode wachsen die Sorgen für Wohnungslose: Wie können
sie kalte Nächte überstehen, solange sie kein Dach über dem Kopf haben?
Eine kurzfristige Lösung könnte das jüngste Projekt von Dr. Christoph Baer
vom Lehrstuhl für Elektronische Schaltungstechnik an der Fakultät für
Elektrotechnik und Informationstechnik der Ruhr-Universität Bochum sein.
Zusammen mit Kerstin Orend, Doktorandin am Lehrstuhl, hat er Heizpads für
Wohnungslose entwickelt.

"Die Pads werden per Powerbank betrieben und halten bis zu neun Stunden.
Wir haben also eine Wärmequelle für die gesamte Nacht. Am Morgen kann die
Powerbank wieder aufgeladen werden", erklärt Christoph Baer. Am 18.
Februar 2021 übergaben Baer und Orend die ersten 30 Heizpads an den Verein
Unsichtbar, der Obdachlosen und finanzschwachen Menschen hilft. 170
weitere Geräte werden in den kommenden Wochen folgen. Mitglieder des
Vereins verteilen die Miniheizungen nach und nach kostenlos an Bedürftige.

Kooperationspartner

Finanziell unterstützt wird das Projekt von der Fakultät für
Elektrotechnik und Informationstechnik und von Sight. Die Special Interest
Group on Humanitarian Technology, so die Langversion des Namens, hatte
Baer im November 2017 nach Deutschland geholt. Als Untergruppe des
Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), dem weltweiten
Berufsverband von Ingenieuren, widmet sich Sight Deutschland humanitären
Aufgaben - in aller Welt, aber auch vor der eigenen Haustür.

Das Heizpad ist so groß wie ein DIN A5-Blatt und wird komplett per Hand
gefertigt. Die Bauteile der zugrundeliegenden Schaltung beispielsweise
werden in mühsamer Kleinarbeit auf eine Elektronikplatine gelötet. Diese
Aufgabe übernehmen Studierende, die sich bei Sight engagieren.

Lieferschwierigkeiten wegen Corona

Wegen der Beschränkungen durch Corona hat sich die Produktion um einige
Wochen verschoben. Zum einen gab es Lieferschwierigkeiten für einige der
Bauteile, zum anderen durften sich die Studierenden nicht auf dem Campus
aufhalten. "Sie holen stattdessen die Bauteile ab und löten zuhause. Über
das passende Werkzeug verfügen sie alle", erzählt Baer. Die Endmontage
erfolgt in der Werkstatt der Elektrotechnik und Informationstechnik.

Zu guter Letzt erhalten die Pads eine Schutzhülle. "Unsere kolumbianische
Austauschstudentin Juanita Fernández hat deswegen extra nähen gelernt",
erinnert sich Christoph Baer. "Das Schnittmuster für die Hülle stammt von
Sylvia Baer."

In seiner Lehrveranstaltung "Master-Projekt Humanitäre Technik" hatte
Christoph Baer im Sommersemester 2020 mit seinen Studierenden bereits
Alarmanlagen für Wohnungslose entwickelt, die Clochard Alerts. Diese
wurden mittlerweile auf Herz und Nieren von Betroffenen getestet. "Sie
haben sich im Alltag der Wohnungslosen bewährt und werden gut von ihnen
angenommen", freut sich Christoph Baer.

Außerdem könnte dieses Projekt demnächst in größere, internationale
Dimensionen vorstoßen. Baer verhandelt zurzeit mit einem Industriepartner,
der die Clochard Alerts maschinell herstellen würde; zurzeit werden sie,
genau wie die Heizpads, einzeln per Hand zusammengelötet. "Wenn das
klappt", so Baer, "könnten wir nicht nur große Mengen herstellen lassen,
sondern dies auch sehr kostengünstig tun."
Finanzierung gesichert

Die Finanzierung dieser größeren Produktion dürfte gesichert sein. Wie bei
den 200 Heizpads würde das Geld wieder von IEEE kommen. "Die finden unser
Projekt richtig klasse", sagt Baer. "Es kann gut sein, dass es auch in
anderen Ländern umgesetzt wird. Mein französischer Kollege von Sight
beispielsweise ist sehr interessiert."