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Weltwassertag 2021 „Valuing Water“ - Der Wert des Grundwassers

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Die Vereinten Nationen rufen zum Weltwassertag am 22. März 2021 das Motto
„Valuing Water“ aus. Doch die Wertschätzung von Wasser setzt das
Verständnis voraus, dass es sich bei den verfügbaren Trinkwassermengen um
eine kostbare Ressource handelt. Zu wenig Beachtung findet dabei bisher
das Grundwasser als weltweit wichtigste Trinkwasserquelle. Grundwasser ist
an vielen Orten der Welt verschmutzt, zudem wird mehr Wasser entnommen,
als sich nachbildet. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung
untersucht, wie Grundwasser besser geschützt werden kann und lenkt damit
den Blick auf den Wert der „unsichtbaren“ Ressource.

Grundwasser ist die wichtigste Trinkwasserressource weltweit. Der künftige
Umgang damit wird für die Ernährung der Weltbevölkerung entscheidend sein
– er betrifft sowohl die Lebensmittelproduktion als auch die
Trinkwasserversorgung. „Fast die Hälfte der globalen landwirtschaftlichen
Bewässerung speist sich aus Grundwasser. Doch in vielen Teilen der Welt
werden Grundwasservorräte so stark übernutzt, dass der Grundwasserspiegel
drastisch sinkt“, sagt ISOE-Wasserexperte Stefan Liehr. Betroffen sind
Regionen mit intensiver landwirtschaftlicher Bewässerung beispielsweise in
den USA, in China, Pakistan, Indien und Nordafrika. Aber auch in Europa
leeren sich die Grundwasserspeicher, etwa in Spanien oder Südfrankreich.
Zugangs- und Verteilungskonflikte sind längst nicht mehr auf besonders
trockene Regionen begrenzt, sogar im vermeintlich wasserreichen
Deutschland kommt es vermehrt zu Nutzungskonflikten.

Insbesondere aber in trockenen und halbtrockenen Gebieten führt der
extreme Zugriff auf das Grundwasser dazu, dass die sogenannten
Ausgleichspuffer verschwinden. „Das bedeutet, dass Seen, Feuchtgebiete und
Flüsse periodisch austrocken“, sagt Liehr, „ein Problem, das durch den
Klimawandel noch verschärft wird.“ Denn steigende Temperaturen erhöhen die
Verdunstungsrate, entsprechend weniger Grundwasser kann sich neu bilden.
Damit steigt das Risiko für die Trinkwasserversorgung und für die
Ernährungssicherung, weil die Nahrungsmittelproduktion meist auf
Grundwasservorräte angewiesen ist. „Ein wertschätzender Umgang mit der
Ressource ist auch in Europa dringlich“, sagt Liehr, „das heißt im
Klartext, die Ressource muss nachhaltig bewirtschaftet werden.“

Nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung, um Quantität und Qualität zu
sichern

Eine nachhaltige Grundwasserentnahme bedeutet zunächst, nicht mehr Wasser
zu entnehmen, als sich langfristig über den Wasserkreislauf neu bilden
kann. Doch das Problem ist vielschichtiger, weiß Fanny Frick-Trzebitzky,
ebenfalls Wasserexpertin am ISOE. „Seit Jahren haben wir anhaltend hohe
stoffliche Einträge in das Grundwasser, mit teilweise unbekannten
Auswirkungen auf Ökosysteme. Wir haben es also mit einem Mengen- und einem
Qualitätsproblem zu tun. Daraus erwachsen Konflikte um die Ressource, zum
Beispiel zwischen Landwirtschaft, Trinkwassergewinnung und Naturschutz“,
berichtet Fanny Frick-Trzebitzky. Sie leitet am ISOE gemeinsam mit Robert
Lütkemeier die Nachwuchsgruppe regulate, die nach Lösungen für eine
nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung in Europa forscht.

Etwa ein Viertel aller europäischen Grundwasserkörper befindet sich
chemisch in einem schlechten Zustand, Nitrat spielt dabei eine
entscheidende Rolle. Auch wird der ökologische Wert von Grundwasser
derzeit gar nicht erfasst. „Es ist notwendig, die bisherigen Vorgaben der
Europäischen Grundwasserrichtlinie zu erneuern. Daneben gilt es, den
Schutz von Grundwasser auch in anderen Politiken, etwa der Agrarpolitik,
zu integrieren, denn ganz offensichtlich reichen die Ansätze in der
vorhandenen Form nicht aus, um die nachhaltige Nutzung der wertvollen
Ressource zu garantieren“, sagt Frick-Trzebitzky. Ein Blick auf die
Ursachen des Problems zeige zudem, dass der Druck auf die
Grundwasserleiter nicht nur durch die Entnahme vor Ort in den sogenannten
Hotspot-Regionen Europas entstehe. „Zur Übernutzung tragen auch
überregionale Wirkungen bei,“ sagt Fanny Frick-Trzebitzky. „Wir sprechen
hier von Fernwirkungen oder von Telekopplungen, die die Problematik noch
verschärfen.“

Wertschätzung der „unsichtbaren“ Ressource Grundwasser

Beispielhaft lassen sich Telekopplungen beim virtuellen Wasserhandel
zeigen. Hierbei entstehen regionale Grundwasserbelastungen aufgrund
überregionaler Prozesse. So werden etwa Grundwasserkörper in Südspanien
durch Wasserentnahmen sowie durch Pestizid- und Nährstoffeinträge für den
Anbau von Gemüse belastet. Das Gemüse wird für den Export nach
Mitteleuropa angebaut – somit gerät der Konsum von in deutschen
Supermärkten gehandelten Tomaten in direkten Zusammenhang mit
Grundwasserschutz in Südspanien. Das wirft auch Fragen nach der Verteilung
von Entscheidungsmacht in der grundwasserschonenden Landwirtschaft auf.

Ein weiteres Beispiel für Telekopplung ist die Wasserversorgung von
Ballungsräumen über Fernleitungen. Metropolregionen und große Städte
kommen häufig nicht mit den Wasservorkommen vor Ort aus und beziehen
zusätzliches Trinkwasser, das über Fernleitungen aus anderen Regionen
eingespeist wird. Runde Tische und ähnliche Kooperationsmodelle zwischen
unterschiedlichen Wassernutzern sollen den gemeinsamen Schutz von
Grundwasser im Einzugsgebiet stärken, beispielsweise im Umland von
Frankfurt. „Es kommt dennoch immer wieder zu Konflikten rund um die
Verteilung der begrenzten, unsichtbaren Ressource und um die Frage, wie
ein nachhaltiger Umgang damit gestaltet werden kann,“ sagt Frick-
Trzebitzky. In der Agenda 2030 der UN ist die nachhaltige Wasserversorgung
als ein zentrales Ziel verankert, um den globalen Wasserbedarf der
wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. „Dieses Ziel wird aber nur zu
erreichen sein, wenn auch das Thema Grundwasser und ein wertschätzender
Umgang damit stärker als bisher in den Blick genommen wird.“

Mehr Informationen über das Projekt regulate finden Sie unter www
.regulate-project.eu
Das Forschungsprojekt regulate auf twitter: @regulateproject