Neue Impulse für Joseph Joachim-Forschung am Lübecker Brahms-Institut
Joseph Joachim, einem der bedeutendsten Musiker des 19. Jahrhunderts, ist
am Brahms-Institut der Musikhochschule Lübeck (MHL) ein Teil der Forschung
und Sammlung gewidmet. Dieser Schwerpunkt erhält nun durch kostbare
Neuerwerbungen und ein Dissertationsprojekt neue Impulse. Passend dazu
gibt die SWR2-Musikstunde vom 22. bis zum 26. März, die Institutsleiter
Wolfgang Sandberger moderiert, Einblicke in Werk und Leben des berühmten
Geigers, Komponisten und Brahms-Freundes.
Die Lübecker Musikwissenschaftler leisten einen wichtigen Beitrag zur
Erforschung und Vermittlung des Schaffens von Joseph Joachim (1831–1921).
Neben Brahms haben Robert Schumann, Max Bruch und Antonín Dvořák dem
Geiger Violinkonzerte gewidmet. Eine kostbare Bildskulptur und ein
Konvolut von 18 Briefen und Albumblättern bereichern nun die Sammlung des
Brahms-Instituts an der MHL. Prof. Dr. Wolfgang Sandberger, Leiter des
Brahms-Instituts an der MHL erläutert: „Joseph Joachim ist sehr viel mehr
als ‚nur‘ der engste Brahms-Freund: Als international agierender Geiger
und Gründungsdirektor der Königlichen Musikhochschule in Berlin gehört er
zu den prägenden Musikern seiner Zeit. Ich freue mich, dass unser
Forschungsschwerpunkt ‚Joachim‘ durch die Sammlungsstücke und das
Dissertationsprojekt neue Impulse erfährt.“ Die beeindruckende
Bildskulptur von fast einem Meter Breite gelangte als Schenkung der
Urenkelin Joachims, Margarethe Stock nach Lübeck. Das Gips-Relief mit
Kupferüberzug zeigt den Geiger an seinem plastisch herausgearbeiteten
Instrument. Wenn die derzeit laufenden Restaurierungsarbeiten in der
Lübecker Villa Brahms abgeschlossen sind, findet das Relief seinen festen
Platz in der Dauerausstellung des Instituts. Zur Präsentation ist ein
Festakt mit einem moderierten Konzert geplant.
Zudem konnte das Brahms-Institut ein Konvolut mit 18 bisher unbekannten
Briefen und Albumblättern erwerben. Es umfasst private und geschäftliche
Korrespondenz, die Joseph Joachim mit gestochen klarer Handschrift selber
verfasst oder am Ende seines Lebens diktiert hat. Die Briefe, die unter
anderem an Theodor Fürchtegott Kirchner und Florence May gerichtet sind,
bieten einen aufschlussreichen Einblick in Joachims Leben als
Violinvirtuose. Besonders interessant ist ein Albumblatt aus dem Jahre
1884, auf dem Joachim, der als Pionier der Wiederentdeckung von Bachs
Solo-Violinwerken gilt, Takte aus dem „Largo ma non tanto“ (BWV 1043) von
Johann Sebastian Bach zitiert.
Passend zum Joachim-Schwerpunkt des Instituts widmet Wolfgang Sandberger,
langjähriger Moderator im ARD-Hörfunk, Joseph Joachim unter dem Motto
„Geiger. Komponist. Brahms-Freund“ vom 22. bis zum 26. März eine ganze
Themenwoche der SWR2 „Musikstunde“. Als besondere Rarität sind dabei
Tonaufnahmen mit Joachim von 1903 zu hören. Die fünf Folgen der
Musikstunde werden von Montag bis Freitag zwischen 9 und 10 Uhr live auf
SWR2 ausgestrahlt und sind im Anschluss in der Mediathek des Senders
nachzuhören.
Auch das Dissertationsprojekt von Christoph Arta bereichert die Joachim-
Forschung. Der 24-jährige Schweizer Musikwissenschaftler hat über das
Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL) im Rahmen des
›Lübecker Modells‹ gerade seine Tätigkeit als Volontär und Doktorand am
Brahms-Institut aufgenommen. Er wird Joachims Wirken an der Schnittstelle
von Hochschulwesen, Konzertorganisation, Komposition und Interpretation
erforschen mit einem Schlaglicht auf die bis heute nachwirkenden
Strukturen des damaligen Musiklebens.
Wie sich Forschung und Musikpraxis in Lübeck verzahnen, zeigt unter
anderem das neue CD-Projekt „Friendship“ der MHL-Professorin Lena Eckels
(Bratsche) mit Sophie Harmsen (Mezzosopran) und Simone Wolff (Klavier),
das sich der Freundschaft der beiden großen Musiker Brahms und Joachim
widmet und vom Brahms-Institut mit fachlicher Expertise unterstützt wurde.
Die Aufnahme mit Werken beider Komponisten erscheint im April 2021 bei gwk
Records.
Der Sammlungsschwerpunkt ‚Joachim‘ am Brahms-Institut der MHL umfasst
wertvolle Musikhandschriften, Fotografien und unzählige Briefe, darunter
die etwa 900-teilige Korrespondenz Joachims an seinen ältesten Bruder
Heinrich und dessen Frau. Der Teilnachlass Joseph Joachims wurde mit
Förderung der HERMANN REEMTSMA STIFTUNG von 2016 bis 2018 bibliothekarisch
erschlossen und digitalisiert. Die Digitalisate und Briefübertragungen
sind über die Website https://www.brahms-institut.de der Öffentlichkeit
zugänglich.