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Mikroplastik findet sich überall, selbst in Gebieten, in denen sich kaum
Menschen aufhalten. Woher kommen die winzigen Kunststoffpartikel?
Forschende der Universität Basel und des Alfred-Wegener Institutes zeigen,
dass nur präzise Analysen diese Frage beantworten können.

Mikroplastik ist ein Problem für die Umwelt, weil die kleinen Partikel von
Organismen aufgenommen werden und sie schädigen können. Auch entlegene
Regionen sind davon betroffen, beispielsweise die Antarktis. Um
herauszufinden, wie gross die Belastung ist und woher die Kleinstteile
stammen, untersuchte ein Forschungsteam des Departements
Umweltwissenschaften der Universität Basel und des Alfred-Wegener-
Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf
Helgoland Wasser aus dem Weddellmeer, einer Region mit geringer
menschlicher Aktivität.

«Es ist das erste Mal, dass in der Antarktis eine so umfangreiche Studie
durchgeführt wurde», sagt Clara Leistenschneider, Doktorandin am
Departement Umweltwissenschaften. Die Forschenden entnahmen auf zwei
Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern in den Jahren 2018 und
2019 insgesamt 34 Proben aus der Wasseroberfläche sowie 79
Unterwasserproben. Insgesamt filtrierten sie rund acht Millionen Liter
Seewasser und fanden darin Mikroplastik, wenn auch in sehr geringen
Mengen. Die Resultate publizierten die Forschenden im Journal
«Environmental Science and Technology».

Bisherige Studien zu Mikroplastik in der Antarktis fanden in Regionen
statt, wo es mehr Forschungsstationen, Schiffsverkehr und Menschen gibt.
Deshalb vermutete das Forschungsteam um Prof. Dr. Patricia Holm
(Universität Basel) und Dr. Gunnar Gerdts (AWI) im abgeschiedenen
Weddellmeer deutlich geringere Mikroplastikkonzentrationen. Die Messungen
zeigten jedoch, dass diese nur teilweise niedriger sind als in anderen
Gebieten der Antarktis.

Farben und Lacke sind vermutlich die Hauptquelle

Festzustellen, dass in einem Gebiet Mikroplastik vorkommt, ist allerdings
eine Sache. «Wichtig ist auch zu wissen, welche Kunststoffe vorkommen, um
deren mögliche Herkunft zu identifizieren und im besten Fall die
Mikroplastik-Emissionen aus diesen Quellen zu senken», erklärt Clara
Leistenschneider.

Die aus dem Wasser gefilterten Partikel analysierten die Forschenden
zunächst auf ihre Kunststoffzusammensetzung. Dies ergab, dass 47 Prozent
der als Mikroplastik identifizierten Partikel aus Kunststoffen bestehen,
welche auch als Bindemittel in Schiffslacken verwendet werden können.
Schiffslacke und damit der Schiffsverkehr sind also mutmasslich eine
massgebende Mikroplastikquelle im Südpolarmeer.

Weitere Mikroplastik-Partikel liessen sich beispielsweise den Kunststoffen
Polyethylen, Polypropylen und Polyamiden zuordnen. Sie finden unter
anderem als Verpackungsmaterial und in Fischernetzen Verwendung.
Leistenschneider gibt allerdings zu bedenken, dass man zwar die
verschiedenen verwendeten Kunststoffe, jedoch nicht die genaue Herkunft
und frühere Verwendung der Mikroplastikfragmente bestimmen könne.

Zusätzliche Analysen bringen neue Erkenntnisse

In der aktuellen Studie wiesen insgesamt über die Hälfte aller Fragmente
aus den Proben ähnliche visuelle Merkmale auf wie die Farben des
Forschungsschiffs Polarstern, mit dem das Team unterwegs war. Diese
Fragmente untersuchten die Forschenden am Zentrum für Marine
Umweltwissenschaften der Universität Bremen (Marum) mittels
Röntgenfluoreszenz (XRF) genauer auf Pigmente und sogenannte Füller, denn
die häufig eingesetzte Methode der Fourier-Transform-Infrarot-Mikroskopie
(FT-IR) identifizierte diese Stoffe nicht. Sie sind neben den Bindemitteln
ein wichtiger Bestandteil von Lacken und werden in der Forensik, neben den
enthaltenen Kunststoffen, analysiert, um zum Beispiel Fluchtfahrzeuge bei
Autounfällen zu identifizieren. Die Lacksplitter an der Unfallstelle sind
sozusagen die Fingerabdrücke des Fahrzeugs.

Die Analysen in Bremen zeigten, dass 89 Prozent der 101 genau unter die
Lupe genommenen Mikroplastik-Partikel tatsächlich von der «Polarstern»
stammten. Die übrigen elf Prozent hatten andere Quellen. Damit ist für
Clara Leistenschneider klar: «Es müssen mehrere Methoden vergleichend
genutzt werden, um die Herkunft von Farbpartikeln zu definieren.» Nur so
könne man genau unterscheiden zwischen Farbfragmenten aus der Umwelt und
einer Verunreinigung durch das eigene Forschungsschiff.

Frühere Mikroplastik-Studien schlossen hingegen Partikel, die aufgrund der
Zusammensetzung der Bindemittel und/oder visueller Merkmale ähnlich waren
wie die Lackierung des eigenen Forschungsschiffes, meist als Kontamination
aus, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen.

Seit einigen Jahren nimmt der Schiffsverkehr im Südpolarmeer zu, vor allem
als Folge des ansteigenden Tourismus und der Fischerei, jedoch auch
aufgrund von Forschungsexpeditionen. «Mit der Entwicklung alternativer
Schiffslacke, die haltbarer und umweltfreundlicher sind, liessen sich
diese Quelle von Mikroplastik und die darin enthaltenen Schadstoffe
reduzieren», resümiert Clara Leistenschneider.