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In manchen Gegenden Indiens ist rund jeder zehnte
Mensch zuckerkrank. Schäden der Netzhaut aufgrund von Diabetes gelten
inzwischen als häufigste Erblindungs-Ursache bei Erwachsenen im
erwerbsfähigen Alter. Umso wichtiger ist die Früherkennung einer so
genannten diabetischen Retinopathie (DR). Doch für Diabetiker, die in
Indien auf dem Land oder in ärmeren Bereichen der Städte leben, fehlt es
an ausreichender augenärztlicher Versorgung. Daher hat die Augenklinik am
Universitätsklinikum Bonn (UKB) zusammen mit der Sankara Eye Foundation in
Indien ein kostengünstiges Smartphone-basiertes, telemedizinisches DR-
Screening-Programm ins Leben gerufen. Zur Fortführung der Kollaboration
haben die Projektpartner jetzt eine Förderung von insgesamt 50.000 Euro
vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) und der Else Kröner-Fresenius-Stiftung erhalten. Zusätzlich
unterstützt Novartis im Rahmen des eXcellence in Ophthalmology and Vision
Awards (XOVA)  das Projekt mit weiteren 50.000 Euro.

Millionen von Menschen drohen in Entwicklungs- und Schwellenländern
aufgrund von einer DR eine Seheinschränkung bis hin zur Erblindung zu
erleiden, da es an Möglichkeiten einer augenärztlichen Versorgung mangelt.
„Wenn man eine solche Retinopathie aber rechtzeitig erkennt und behandelt,
kann man den Sehverlust oft verhindern“, betont Dr. Maximilian
Wintergerst, Arzt an der Augenklinik des UKB und Projektleiter in
Deutschland. „Wir wollten daher Abhilfe schaffen und ein Netzhaut-
Screening von Diabetikern in ärmeren Gegenden einführen.“ Dazu ergänzt
Prof. Dr. Robert Finger, Ko-Leiter des Projektes: „Ein erschwingliches und
leicht durchführbares Screening-Verfahren zur Früherkennung ist sehr
hilfreich, um die augenärztliche Versorgung zu verbessern.“ „Unser
Bestreben bei der Sanakra Eye Foundation India ist es, eine qualitativ
hochwertige Augenheilkunde mit sozialer Komponente zu gewährleisten. Wir
wissen, dass Technologie den fehlenden Zugang von Millionen von Menschen
zu Screenings für diabetische Augenkrankheiten überbrücken kann", erklärte
Dr. Mahesh P. Shanmugam, Leiter des Bereichs Glaskörper-/Netzhaut-
Erkrankungen und okuläre Onkologie der Sankara Eye Foundation India.

Der Schlüssel ist ein Smartphone mit speziellem Kamera Aufsatz

Eine auf Smartphones basierende Untersuchung des Augenhintergrundes
testeten die Augenärzte vom UKB das erste Mal bereits vor etwa vier Jahren
im Rahmen einer Pilotstudie zusammen mit der Sankara Eye Foundation in
Südindien. Dort untersuchte Wintergerst zusammen mit dem Team des Sankara
Eye Hospitals in Bangalore 200 Patienten mit Diabetes. „Wir nutzten die
Kamera des Smartphones, um ins Auge zu sehen“, erklärt Wintergerst. Dazu
nahmen sie mit umgerüsteten Smartphones Bilder vom Augenhintergrund auf.
Ein Adapter fokussiert den Strahlengang der Kamera und der
Beleuchtungsquelle so, dass die Mobiltelefone als Ophthalmoskop eingesetzt
werden können.

Das leicht zugängliche sowie sehr kostengünstige Verfahren war dann auch
die Basis zur Etablierung eines telemedizinischen DR Screenings in den
ärmeren Stadtvierteln von Bangalore und der ländlichen Umgebung. Denn der
Smartphone-Augenspiegel ist schnell und einfach zusammengebaut, so dass
geschultes, nicht-ärztliches Personal fernab eines medizinischen Zentrums
Aufnahmen von der Netzhaut machen kann. Ein weiterer Einspareffekt
entsteht dadurch, dass ein Augenarzt die vom Smartphone per Internet zu
ihm ins Krankenhaus gesendeten Bilder direkt auswerten kann. So wird
sofort oder nach kurzer Wartezeit zurückgemeldet, ob der Patient eine DR
hat und ob eine Behandlung notwendig ist.

Etablierung eines Augen-Screenings per Telemedizin 24-mal in Indien

Wintergerst ist bereits des Öfteren in Indien gewesen, um am Sankara Eye
Hospital in Bangalore zusammen mit den Kollaborationspartnern vor Ort, die
Smartphone-basierte Tele-Ophthalmologie zu etablieren. „Wichtig ist uns
ein nachhaltiger Wissenstransfer, so dass die telemedizinischen Screenings
langfristig weitergeführt werden können“, sagt Wintergerst. Dazu
trainierte er ophthalmologische Assistenten in der digitalen
Netzhautbildgebung mit dem Smartphone und Ophthalmologen in der
standarisierten und systematischen Einstufung von DR auf Bildern der
Netzhaut. Zusätzlich entwickelten Wintergerst und Kollegen am Sankara Eye
Hospital in Kollaboration mit lokalen Informatikern in Bangalore eine
eigenständige App, die ein noch effizienteres Smartphone-basiertes
telemedizinisches DR Screening ermöglicht.

Der Vision, das telemedizinische DR-Screening-Programm mit dem in
Bangalore etablierten telemedizinischen Reading Center als koordinierendes
Zentrum auf möglichst viele Krankenhäuser der Sankara Eye Foundation
auszuweiten, ist die Kollaboration jetzt ein Stück nähergekommen. Denn das
Projekt wird nun auf insgesamt 24 über ganz Indien verteilte Augen-
Screening Einheiten der Sankara Eye Foundation ausgeweitet. Außerdem haben
die Wissenschaftler in Bonn und Bangalore in Kollaboration mit
Informatikern Deep Learning Algorithmen zur automatischen Analyse
Smartphone-basierter Aufnahmen auf DR entwickelt und wollen diese in
Zukunft in ihre App integrieren. „Mit der Realisierung dieses Projektes
kann die augenärztliche Versorgung für viele Menschen mit Diabetes
verbessert werden, insbesondere in ländlichen Gebieten mit schlechter
medizinischer Infrastruktur“, sagt Prof. Dr. Frank Holz, Direktor der
Universitäts-Augenklinik Bonn. „Zudem kann das telemedizinische Screening-
Konzept auf andere Schwellen- und Entwicklungsländer übertragen werden."