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Abhängigkeiten von Öl und Gas, Abhängigkeiten von Techniken zur
CO2-Entnahme und Feststecken in überkommenen Finanzströmen – um den
Klimawandel zu stoppen, gilt es viele Hindernisse zu überwinden.
Wissenschaftliche Hintergründe dazu erklärten Expertinnen und Experten
beim Pressegespräch des Deutschen Klima-Konsortiums gut zwei Wochen vor
Veröffentlichung des neuen Weltklimaberichts über Minderung des
Klimawandels.

„Der neue IPCC-Bericht kommt in einem Moment der Entscheidungen. Die
Russland-Krise zwingt zu energiepolitischen Entscheidungen: Europa muss
sich für ein Öl- und Gasembargo wappnen, es muss die Abhängigkeit von
russischem Gas und Öl in kurzer Zeit vermindern, in den Aufbau einer
Wasserstoff-Infrastruktur investieren und den Ausbau erneuerbarer Energien
massiv vorantreiben“, kommentierte Professor Ottmar Edenhofer beim
Pressegespräch des Deutschen Klima-Konsortiums die weltpolitische Lage gut
zwei Wochen vor der neuen Veröffentlichung des Weltklimarats
(Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC). „In der EU steht der
Green Deal auf der Kippe: klimapolitische Blockade oder Aufbruch zu einer
umfassenden CO2-Bepreisung. Steigende Gaspreise kann Europa nur
verkraften, wenn es zu einem umfassenden Sozialausgleich kommt. Und China
und die USA müssen entscheiden: Konfrontation auch beim Kooperationsthema
Klima oder Einstieg in einen gemeinsamem Klima-Club, der weltweit Maßstäbe
setzt. Allen diesen Akteuren wird der IPCC-Bericht Maßnahmen aufzeigen –
und Pfade für die nachhaltige Sicherung unserer Wirtschaft. Die
Wissenschaft zeichnet die Landkarten mit allen Gefahrenstellen und Wegen,
damit die Politik faktenbasiert entscheiden kann“, so Edenhofer weiter.

Er ist Chefökonom und Direktor des Potsdam-Instituts für
Klimafolgenforschung und kennt die Arbeit des IPCC gut, da er den Beitrag
über Minderung zum vergangenen Fünften Sachstandsbericht als Ko-
Vorsitzender maßgeblich mitgestaltet hat. Seitdem sind sieben Jahre
vergangen, in denen in der internationalen Klimaforschung dazu viel
passiert ist – den aktuellen Stand fasst der neue Beitrag von
Arbeitsgruppe III zum Sechsten IPCC-Sachstandsbericht zusammen. Es geht
darum, was wir tun können, um den Klimawandel zu stoppen. Der Bericht
liefert außerdem eine handfeste Bestandsaufnahme, ob die Klimapolitik die
richtigen Weichen für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens gestellt
hat. Am Montag beginnt der letzte Schritt vor der geplanten
Veröffentlichung am 4. April: die Verabschiedung im IPCC-Plenum der
Mitgliedstaaten.

Warum wir über negative Emissionen reden müssen, sie aber kein
Wundermittel sind

„Der kommende IPCC-Bericht wird unterschiedliche Pfade in die Zukunft
aufzeigen, wie sich der globale Ausstoß der Treibhausgase entwickeln
könnte: Bei den Wegen in eine Welt, die die Klima-Ziele von Paris nicht
gefährdet, sind die nächsten Jahre entscheidend. Wir brauchen schnelle und
tiefgreifende Emissionsminderungen schon vor 2030 und eine weltweite
CO2-Neutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts – je mehr Zeit ohne
handfesten Klimaschutz vergeht, desto schneller und intensiver müssen
diese Minderungen ausfallen. Und je mehr Emissionen bis 2050 noch übrig
sind, desto mehr CO2 muss der Atmosphäre entnommen werden – auch hier
könnten ähnlich wie bei Öl und Gas unerwünschte Abhängigkeiten entstehen“,
sagte Professorin Sabine Fuss. Das unbeliebte aber rechnerisch in den
Pfaden notwendige Themenfeld der CO2-Entnahme ist eines der Spezialgebiete
der Ökonomin, die als Leitautorin am 1,5-Grad-Bericht mitgearbeitet hat.
Sie erklärte, dass sich die Forschung seitdem weiterentwickelt hat:
„Neuere Szenarien zeigen, dass größere Anstrengungen, die Rest-Emissionen
gering zu halten, diese Abhängigkeit zumindest verkleinern können. Der
neue Bericht hat etwa erstmals ein Kapitel dazu, wie viel ein anderer
Konsum und Lebensstil zum Klimaschutz beitragen könnte.“

Sustainable Finance als neues Thema im Bericht und Hebel für eine
nachhaltige Zukunft

Ein weiteres neues Thema im Bericht stellte Professorin Kerstin Lopatta
vom Center for Sustainable Society Research (CSS) der Universität Hamburg
vor: „Die Finanzwirtschaft ist ein bedeutender Hebel, um den Umbau unserer
Gesellschaft hin zu einer klimaneutralen und lebenswerten Welt zu
ermöglichen und zu beschleunigen. Daher ist in den vergangenen Jahren viel
Forschung rund um das Themenfeld Sustainable Finance entstanden. Der
Begriff beschreibt Investitionen in die nachhaltige Gestaltung der
Wirtschaft, der Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse – es geht darum,
die riesigen Finanzflüsse dieser Welt so zu nutzen, dass sie helfen,
unsere Zukunft zu sichern statt sie zu gefährden. Dafür braucht es einen
verlässlichen politischen Rahmen, transparente Berichterstattung von
Unternehmen und internationale Standards – hier kann die Politik noch viel
Potenzial heben.“

Der kommende IPCC-Bericht über Minderung des Klimawandels schließt an die
beiden vorigen Bände an: Arbeitsgruppe I („Naturwissenschaftliche
Grundlagen“) hat im August 2021 dargelegt, wie sich das Klima verändert
und dass der Mensch dafür hauptverantwortlich ist. Arbeitsgruppe II
(„Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit“) fasste Ende Februar dieses Jahres
die umfassenden Ergebnisse zu den dramatischen Folgen des Klimawandels für
Menschen, Tiere und Pflanzen zusammen – zeigte aber auch, dass wir die
Risiken verringern können. Arbeitsgruppe III wird zeigen, wie weitreichend
und umfassend wir handeln müssen, damit die Emissionen tatsächlich sinken.
Alle drei Bände werden im September in einem Synthesebericht
zusammengefasst und im November einen wichtigen Input zur 27.
Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich liefern.

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Expertinnen und Experten

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer ist Direktor des Potsdam-Instituts für
Klimafolgenforschung (PIK), Direktor des Mercator Research Institute on
Global Commons and Climate Change und Professor für Klima-Ökonomie an der
Technischen Universität Berlin. Er hat von 2008 bis 2015 als Ko-
Vorsitzender der Arbeitsgruppe III die vorige, fünfte Ausgabe dieses
Berichts maßgeblich mitgestaltet.
Kontakt über die PIK-Pressestelle
0331 28825-07 | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Sabine Fuss ist Leiterin der Arbeitsgruppe zu nachhaltigem
Ressourcenmanagement und globalem Wandel am Mercator Research Institute on
Global Commons and Climate Change und Professorin an der Humboldt-
Universität zu Berlin. Sie hat als Leitautorin am 1,5-Grad-Bericht
mitgearbeitet und als Autorin auch zu den Bänden von Arbeitsgruppe I und
II des aktuellen Sechsten Sachstandsberichts beigetragen.
Kontakt über Ulrich von Lampe, Leiter der MCC-Pressearbeit
030 3385537-201 | 0171 1964449 | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Kerstin Lopatta ist Direktorin des Center for Sustainable
Society Research (CSS) der Universität Hamburg und arbeitet als
Professorin für Betriebswirtschaftslehre zu externer Rechnungslegung,
Prüfung und Nachhaltigkeit. Sie ist Mitglied im EFRAG Sustainability
Reporting Board, welches europäische verpflichtende
Nachhaltigkeitsberichtsstandards für rund 50.000 Unternehmen in der EU
entwickelt und verabschiedet.
Kontakt direkt via E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Hinweis: Die drei Forschenden gehören nicht zum Autorenteam des Berichts,
verfügen jedoch über Fachwissen zu zentralen Aspekten.