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Oliver Zielinski ist Leiter des Kompetenzzentrums KI für Umwelt und Nachhaltigkeit (DFKI4planet) und Mitglied der Plattform Lernende Systeme  DFKI-Jürgen Mai
Oliver Zielinski ist Leiter des Kompetenzzentrums KI für Umwelt und Nachhaltigkeit (DFKI4planet) und Mitglied der Plattform Lernende Systeme DFKI-Jürgen Mai

Emissionsarme Mobilität, klimafreundliche Energieversorgung, saubere
Industrieproduktion oder optimierte Kreislaufwirtschaft – Künstliche
Intelligenz (KI) kann auf vielfältige Weise zum Klimaschutz beitragen.
Gleichzeitig geht die Entwicklung und der Einsatz der KI-Systeme häufig
selbst mit einem hohen Ressourcenverbrauch einher. Wo die Technologie ihr
Potenzial am besten entfalten kann und was zu tun ist, um den ökologischen
Fußabdruck von KI-Anwendungen gering zu halten, erklärt Oliver Zielinski,
Leiter des Kompetenzzentrums KI für Umwelt und Nachhaltigkeit
(DFKI4planet) und Mitglied der Plattform Lernende Systeme im Interview.

Künstliche Intelligenz kann auf vielfältige Weise zum Klimaschutz
beitragen. In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial der
Technologie im Kampf gegen den Klimawandel?

Oliver Zielinski: KI ist ein Werkzeug, um Wissen zu generieren, Effizienz
zu steigern und Prozesse zu automatisieren. Neben Mobilität,
Energieversorgung, Industrie und Kreislaufwirtschaft kann die Technologie
insbesondere im Gebäudemanagement sowie in der Agrarwirtschaft ihr großes
Potenzial für klima- und umweltförderliche Innovationen entfalten. Diese
Bereiche weisen einen höheren Digitalisierungs-Reifegrad auf. Diese
„digital readiness“ ist wichtig, wenn man die Möglichkeiten der KI schnell
wirkungsvoll nutzen will, da Künstliche Intelligenz sowohl einen
technologischen Überbau als auch eine entsprechende Bereitschaft der
Beteiligten benötigt.

Wichtig ist generell die Frage: Wieviel Effizienz lässt sich durch KI
innerhalb dieser Bereiche überhaupt erzielen? Experten gehen hier von 10
bis 30 Prozent aus, beispielsweise durch die Verbesserung von Prozessen,
die Verkürzung von Wegen und die Optimierung des Rohstoffeinsatzes. Ein
Bereich, in dem ich langfristig die Möglichkeit sehe, noch deutlich
weiterzukommen, ist die Kreislaufwirtschaft. Die bisherigen Erfolge sind
hier mit Blick auf die globalen Stoffströme eher bescheiden, auch weil
sich der für eine durchgehende Wiedernutzung von Produkten und Rohstoffen
benötigte Aufwand wirtschaftlich nicht lohnt. KI kann diese Prozesse auf
allen Ebenen unterstützen, gezielt Informationen über Produkte
bereitstellen, deren Wiedernutzbarkeit verbessern und arbeitsintensive
Prozesse automatisieren – trotz der hohen Komplexität der Aufgaben.

Der hohe Energieverbrauch von KI-Systemen wird viel diskutiert. Wie sieht
„grüne KI“ aus?

Oliver Zielinski: Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit durch KI und mehr
Nachhaltigkeit in der KI. Der Begriff „grüne KI“ orientiert sich an der
von Roy Schwartz und Co-Autoren im Jahr 2020 publizierten Arbeit zu „Green
AI“ und dem dort formulierten Anspruch, dass grüne KI ihren eigenen
ökologischen Fußabdruck verringert UND Inklusion befördert.
Ressourceneffizienz ist der Schlüsselbegriff, das heißt ein möglichst
geringer Einsatz von Material und Energie, und zwar über den gesamten
Lebenszyklus von KI-Methoden. Dazu zählt auch die offene Bereitstellung
von annotierten Daten und vortrainierten bzw. voroptimierten Modellen, um
deren hohe Wiederverwendbarkeit zu fördern und Akteuren mit schlechterem
Zugang zu Wissens- und Recheninfrastrukturen Teilhabe zu ermöglichen. Mit
dem zunehmenden Einsatz intelligenter Endgeräte werden auch KI-Modelle
immer öfter direkt vor Ort bei den Nutzern betrieben. Aufgrund der sehr
hohen Stückzahl solcher „AI-of-Things“ (AIoT) -Systeme müssen nun auch der
individuelle Energie- und Rohstoffbedarf jedes einzelnen Systems, dessen
Nutzungsdauer sowie die Wiederverwendbarkeit beachtet werden. Grüne KI
geht also über den reinen Energieverbrauch hinaus und unterscheidet sich
von der Diskussion um den Betrieb von großen Rechenzentren mit
regenerativen Energien.

Was ist zu tun, damit die ökologische Bilanz des KI-Einsatzes im Auftrag
des Klimaschutzes positiv ausfällt?

Oliver Zielinski: Einiges wird bereits gemacht, aber das reicht noch nicht
aus. Gerade in der Forschungsförderung haben verschiedene
Bundesministerien (BMUV, BMBF, BMWK) Programme entwickelt und
veröffentlicht, die Grundlagen schaffen und in exemplarische Anwendungen
überführen. Diese Vorhaben werden gerne als Leuchttürme bezeichnet. Das
ist ein Anfang, aber wir brauchen ein ganzes Lichtermeer: Erfolgreiche
Ansätze müssen in die Breite gebracht werden. Dazu ist gesellschaftliche
Akzeptanz notwendig, rechtliche Rahmenbedingungen und nicht zuletzt
Investoren. Breitere Akzeptanz ist erreichbar durch Partizipation und
Transparenz, auch und gerade in der oft emotional geführten KI-Debatte.
Rechtsrahmen und Normen helfen, ökologische Nachhaltigkeit zum Standard zu
machen, was wiederum auch positive Impulse für die Finanzierung von neuen
Geschäftsmodellen und Unternehmungen gibt. Am Ende kann Grüne KI so zum
Qualitätssiegel für klimaförderliche KI-Technologien werden und
gleichzeitig zu einem ökologischen Wettbewerbsvorteil für Europa.

Originalpublikation:
https://www.plattform-lernende-
systeme.de/files/Downloads/Publikationen/AG4_WP_KI_und_Nachhaltigkeit.pdf
- Das Whitepaper "Mit Künstlicher Intelligenz zu nachhaltigen
Geschäftsmodellen" der Plattform Lernende Systeme