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FAU-Team entwickelt neues Behandlungsprinzip gegen Autoimmunerkrankungen
Verabredungen verlaufen nicht immer so wie man es wünscht. Aus dieser
Erkenntnis heraus haben Medizinerinnen und Mediziner der Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) einen neuen Therapieansatz
gegen Autoimmunerkrankungen entwickelt. Sie brachten dazu zwei Sorten von
Immunzellen, B- und T-Zellen, an einem Tisch – mit dem Ergebnis, dass die
T-Zelle die B-Zelle umbrachte. Organisator dieses „Dates“ mit dramatischem
Ausgang war ein Medikament namens Blinatumomab. Durch den Tod der
krankmachenden B-Zellen konnte dabei eine schwere Autoimmunerkrankung, die
rheumatoide Arthritis („Rheuma“), zum Verschwinden gebracht werden. Die
Ergebnisse erscheinen in der renommierten Fachzeitschrift Nature
Medicine*.

Normalerweise spielen sowohl B-Zellen als auch T-Zellen eine zentrale
Rolle in der Entstehung von Autoimmunerkrankungen. Das FAU-Team konnte nun
durch einen Trick die T-Zellen dazu bringen, ihre Komplizen, die B-Zellen,
abzutöten. So konnten sie einen durchschlagenden Erfolg bei der Behandlung
der rheumatoiden Arthritis („Rheuma“) erzielen.

Neue Therapieoption für Patient/-innen erprobt

Rund einer von 100 Menschen entwickelt im Laufe des Lebens diese
Erkrankung. „Die Behandlungsmöglichkeiten sind heute grundsätzlich gut,
dennoch gelingt es nicht bei allen Betroffenen, die Krankheit zum
Stillstand zu bringen“, betont Dr. Melanie Hagen, leitende Ärztin der
Studienambulanz der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie
des Uniklinikums Erlangen. „Etwa 10 bis 20 Prozent sprechen auf die
verfügbaren Therapien nicht ausreichend an.“ Hagen ist Teil eines Teams
von Ärztinnen und Ärzten der FAU, welche für diese Patientinnen und
Patienten ein neues Behandlungsverfahren erprobt haben. Dazu nutzen die
Medizinerinnen und Mediziner ein Medikament namens Blinatumomab, kurz
BLINA. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der – wie jeder andere
Antikörper auch – zwei Arme hat. Bei BLINA bindet ein Arm an die B-Zelle,
der andere an die T-Zelle.

BLINA wirkt also wie ein Tinder-Molekül: Der Wirkstoff vermittelt ein
„Date“ zwischen B- und T-Zellen, indem er die beiden zusammenbringt.
„Dieses Date verläuft jedoch keineswegs harmonisch“, erklärt Dr. Laura
Bucci, die die Studie zusammen mit Melanie Hagen durchgeführt hat. „Im
Gegenteil, in seinem Verlauf bringt die T-Zelle die B-Zelle um.“ Für die
B-Zelle ist das wenig erfreulich, für Patientinnen und Patienten mit
Rheuma und anderen Autoimmunerkrankungen jedoch ein Segen. Denn B-Zellen
sind ganz wesentlich für diese Erkrankungen verantwortlich, da sie
krankmachende Antikörper produzieren und somit Entzündungen auslösen.

B-Zellen wurden schon früher durch Medikamente gehemmt, um etwa
Autoimmunerkrankungen wie Rheuma zu behandeln. Allerdings klappte das bei
bisherigen Therapien nur unzureichend. Unter Zuhilfenahme der T-Zellen ist
die Hemmung der B-Zellen ungleich stärker. Dieses Prinzip wurde bereits
zur Behandlung von Blutkrebs angewandt, der durch bösartige B-Zellen
entsteht.

Verblüffender Effekt bei Therapieresistenz

BLINA schafft es, B-Zellen zu finden, die sich tief im Gewebe verstecken.
Durch das Medikament gelangen daher auch sie mit den tödlichen T-Zellen in
Kontakt. „Der Effekt war verblüffend“, erklärt Prof. Dr. Ricardo
Grieshaber-Bouyer, leitender Arzt der Studienambulanz und
Forschungsgruppenleiter. „Selbst bei sehr therapieresistentem Rheuma kam
es zu einem Zusammenbruch der Entzündungsreaktion und zu einer deutlichen
Besserung der Erkrankung. Damit geben die Ergebnisse unserer Studie einen
wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung dieser Therapien gegen
verschiedene Autoimmunerkrankungen.“

*DOI: https://doi.org/10.1038/s41591-024-02964-1