Agri-Photovoltaik in 3D erlebbar
Im Juni 2024 präsentieren das ZALF, das Fraunhofer ISE, die Elysium Solar
GmbH und die Professur Technisches Design der TU Dresden erstmals den im
Projekt „SynAgri-PV“ entwickelten interaktiven Agri-PV-Demonstrator auf
mehreren Veranstaltungen.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten
Forschungsprojektes „SynAgri-PV: Synergetische Integration der
Photovoltaik in die Landwirtschaft als Beitrag zu einer erfolgreichen
Energiewende – Vernetzung und Begleitung des Markthochlaufs der Agri-PV in
Deutschland“ wurde das digitale Agrarlandschaftslabor „digi.farming.lab“
um ein aktuelles Thema in der Landwirtschaft erweitert: Agri-Photovoltaik,
kurz Agri-PV. Die digitale Plattform nutzt das bekannte Computerspiel
„Landwirtschaftssimulator“, um Forschungsthemen in einer realistisch
anmutenden 3D-Umgebung sicht- und auch erlebbar zu machen.
Das Zukunftsthema Agri-PV wird nicht nur für die Landwirtschaft zunehmend
attraktiv, sondern auch im Bereich der erneuerbaren Energien. Die bis 2045
in Deutschland angestrebte Treibhausgasneutralität macht einen zügigen
Ausbau in der Solarenergieerzeugung notwendig. Gleichzeitig steigt der
Druck auf das knappe Gut Land. Die Agri-Photovoltaik ermöglicht
Energieerzeugung, Landwirtschaft sowie Natur- und Umweltschutz auf einer
Fläche. Sie kann damit dazu beitragen, Zielkonflikte unter den
verschiedenen Nutzungsansprüchen zu reduzieren. Doch wie auch bereits bei
der Windkraft ist die Akzeptanz unter der Bevölkerung eine wichtige
Voraussetzung für den Markthochlauf in Deutschland.
Markthochlauf: Umsetzung und Akzeptanz
Vor diesem Hintergrund arbeiten seit Juli 2022 im Projekt „SynAgri-PV“
neun Partner aus Forschung, Praxis und Industrie gemeinsam an der
Entwicklung einer Roadmap für den breiten Ausbau von Agri-PV in
Deutschland. Damit die Verbreitung der Technologie gelingen kann, müssen
rechtliche Rahmenbedingungen weiterentwickelt, Anforderungen der
unterschiedlichen Zielgruppen definiert, Hemmnisse und weitere
Forschungsfelder benannt und schließlich auch Akzeptanzuntersuchungen
durchgeführt werden.
Hierzu werden Pilotanlagen begleitet und vernetzt, Beteiligungsformate
geschaffen sowie die gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet, aufbereitet und
der breiten Öffentlichkeit und Politik zugänglich gemacht. Zur
öffentlichkeitswirksamen Begleitung des Projektes „SynAgri-PV“ wurde der
Aufbau eines virtuellen Demonstrators angestrebt, um allen relevanten
Akteuren sowie Interessierten eine Meinungsbildung auf informierter
Grundlage bieten zu können. Im Demonstrator setzen sich die Nutzerinnen
und Nutzer selbst ans Steuer von Landtechnik und erkunden die Technologie
unter realitätsnahen Bedingungen und mit aktueller Maschinentechnik. Im
Demonstrator sind hierzu verschiedene, marktreife Agri-PV-Technologien
umgesetzt. Die Einbettung in das Landschaftsbild ermöglicht gezielte
Aktzeptanzuntersuchungen zu verschiedenen Fragestellungen.
Für den Aufbau des Agri-PV-Demonstrators lieferten das Leibniz-Zentrum für
Agrarlandschaftsforschung (ZALF), das Fraunhofer-Institut für Solare
Energiesysteme ISE und die Elysium Solar GmbH Detailinformationen zu den
Inhalten, vier landwirtschaftliche Nutzungsszenarien und -umgebungen sowie
Konstruktions-Daten zu vier verschiedenen Agri-PV-Anlagen. Dipl.-Ing.
Helge Wanta, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für
Technisches Design der TU Dresden, übernahm die Visualisierung im
Computerspiel: „Mit einer für den Landwirtschaftssimulator eigens
entwickelten Karte und neuen Spielinhalten entwickeln und testen wir
unterschiedliche Landnutzungsszenarien unter Berücksichtigung von
Klimawandel und Bioökonomie.“.
Vier integrierte Agri-PV-Nutzungskonzepte als Best Practice Beispiele
Bei dem ersten Agri-PV-Nutzungskonzept wird die sogenannte „1-Achsen-
Tracker“ Agri-PV demonstriert. Hierbei sind Reihen der Unterkonstruktion
der PV-Module in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, damit sich die Module
darauf über den Tag und der Sonne folgend von Ost nach West ausrichten
können. Dies hat den Vorteil, dass ausreichend Sonneneinstrahlung für eine
landwirtschaftliche Mehrfachnutzung auch zwischen den Reihen vorhanden ist
und mehr Strom über den Tag hinweg erzeugt werden kann. Aufgrund der
Flexibilität der Module ist eine Vielzahl von landwirtschaftlichen
Anbauformen in der Anlage möglich – für den Demonstrator wurde auf einer
digitalen Fläche von etwa 20 Hektar Weizen und Raps ausgewählt. „Tracking-
Agri-PV benötigt einen Schutzstreifen um die Ständer der Module. Diese
Streifen können durch Nutzung als Blühstreifen oder anderer
biodiversitätsfördernder Maßnahmen wertvolle Habitate für Flora und Fauna
bilden. So können heterogene landwirtschaftliche Flächen geschaffen
werden“, ergänzt Johann Neubert von der Elysium Solar GmbH, einem der
Projektpartner.
Auf einer 2,5 Hektar großen Fläche der digitalen Landschaft soll
Solarstrom im Sonderkulturanbau anhand semitransparenter PV-Module beim
zweiten Nutzungskonzept produziert werden. Julia Wamsler vom Fraunhofer
ISE stellt das zweite Nutzungskonzept vor, bei dem die Agri-PV eine
Durchfahrtshöhe von 3,7 Meter Höhe aufweist: „Als besonders geeignet
erweisen sich Obstbäume, die im Erwerbsobstbau vor Umwelteinflüssen wie
Starkregen, Hagel, Nachtfrost und starker Sonneneinstrahlung geschützt
werden. Zudem zeigen sie eine gewisse Schattentoleranz. In Frage kommen
unter anderem Apfel-, Birnen-, Kirsch-, Pflaumen- und Zwetschgenbäume.“
Beim dritten Nutzungskonzept auf einer Fläche von 0,7 Hektar mit
Kartoffeln und Hafer können gängige ackerbauliche Maschinen unter einer
hochaufgeständerten Anlage mit einer Durchfahrtshöhe von 5,8 Meter
arbeiten. Diese Agri-PV-Anlage eignet sich für den Acker- oder Gemüseanbau
und ist daher auch denkbar mit Reihenkulturen wie Kohl, Rüben, Salat, etc.
Das vierte Nutzungskonzept kombiniert die vertikale Agri-PV mit
Dauergrünland auf 20 Hektar. Diese Nutzungsform ist in Deutschland in zwei
Fällen realisiert worden. Durch den Reihenabstand von bis zu zwölf Metern
kann auf rund 90 Prozent der Fläche Grünland aber auch Ackerbau mit
gängigen Maschinen und Methoden betrieben werden. Die restlichen zehn
Prozent der Fläche können durch verschiedene Nutzungskonzepte, wie
Blühstreifen, zusätzlich in Wert gesetzt werden. Die hier eingesetzten
bifazialen Module in einer Ost-West- Ausrichtung lassen beidseitig Strom
produzieren.
Startpunkt des Demonstrators ist ein in der Landschaft integrierter Hof.
Als Verbindungsort aller Nutzungskonzepte dient eine Gemeinde mit
ausgebauter Infrastruktur. Hendrik Schneider, Pressesprecher des ZALF und
Initiator des „digi.farming.lab“ ist mit dem Ergebnis zufrieden:
„Interessierte haben die Möglichkeit, im Interaktionsbereich anhand eines
Gamepads und PCs auch selbst die verschiedenen Anlagen-Typen anzusteuern,
Maschinen zu bedienen, zu ernten usw. und sich an Informations-Pavillons
anhand von virtuell besuchbaren Pavillons zu Agri-PV und zu den jeweiligen
Anlagen zu informieren.“
Der Agri-PV-Demonstrator geht auf Tour
Der Agri-PV-Demonstrator wird im Juni auf folgenden Veranstaltungen
vorgestellt:
22. Juni: Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin (ZALF)
27. Juni: Deutscher Bauerntag in Cottbus (ZALF