News Fatigue: Wenn Nachrichten überfordern

Wissenschaftler der DHBW Karlsruhe erklärt, warum der ununterbrochene
Nachrichtenstrom belastet – und wie ein gesunder Umgang gelingt
Die aktuelle JIM-Studie 2024 (Jugend Information Medien) zeigt: „News
Fatigue“ nimmt zu – nicht nur bei jungen Menschen.
Doch warum ermüden uns
Nachrichten immer mehr? Jan Michael Rasimus, Leiter des Eye Tracking-
Labors der DHBW Karlsruhe, erklärt, weshalb die Nachrichtenflut
überfordert – und wie man sich davor schützen kann.
Krisen, Katastrophen, Kriege – mit jedem Wisch auf dem Smartphone oder
Klick auf Nachrichtenseiten prasseln neue alarmierende Meldungen auf uns
ein. Doch statt besser informiert zu sein, erleben viele das Gegenteil:
News Fatigue – Nachrichtenmüdigkeit. Die ständige Informationsflut führt
oft zu Stress, Erschöpfung oder bewusster Nachrichtenvermeidung.
Gleichzeitig verfallen viele in Doomscrolling – das zwanghafte Konsumieren
negativer Schlagzeilen. Aber warum ist das so belastend, und wie gelingt
ein gesunder Umgang?
Warum uns die Nachrichtenflut überfordert
Das Gehirn im Alarmmodus
„Unser Gehirn ist darauf ausgerichtet, Gefahren frühzeitig zu erkennen“,
erklärt Jan Michael Rasimus. „Doch in der digitalen Welt gibt es keine
Pause mehr. Die permanente Konfrontation mit negativen Nachrichten hält
unser Stresssystem in Daueralarmbereitschaft. Das Risiko für Ängste,
Erschöpfung und depressive Verstimmungen steigt.“ Wer sich machtlos fühlt,
zieht sich oft zurück oder sucht unaufhörlich nach neuen Informationen –
ein Teufelskreis, der die mentale Gesundheit belasten kann.
Medienmechanismen verstärken das Problem
Laut Rasimus sorgt das Design moderner Nachrichtenplattformen dafür, dass
Nutzer immer weiter konsumieren: „Sensationsjournalismus erhält viel
Aufmerksamkeit. Er setzt auf reißerische Schlagzeilen, um Klicks zu
generieren. Algorithmen in sozialen Medien verstärken diesen Effekt, indem
sie solche Inhalte priorisieren. So entsteht leicht ein verzerrtes
Weltbild, das sich vorwiegend auf negative Ereignisse konzentriert.“ Auch
das Gefühl der Hilflosigkeit kann daraus resultieren, wenn Menschen
bewusst wird, dass sie selbst keine Kontrolle über die großen
Weltgeschehnisse haben.
Fake News und gezielte Desinformation
Die Verbreitung von Fake News und KI-gestützten Täuschungen nimmt zu – und
mit ihr auch die Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung. Rasimus stellt klar:
„Fehlt die Orientierung in der Informationswelt, sind Menschen besonders
empfänglich für Desinformation.“ Dies schwäche das Vertrauen in
unabhängigen Journalismus und begünstige extreme Meinungen, was letztlich
auch demokratische Prozesse gefährden könne.
Die Folgen: Stress, Angst, Demokratiegefährdung
Psychisch: Dauerstress, Erschöpfung und Angstzustände nehmen zu.
Gesellschaftlich: Weniger informierte Menschen sind anfälliger für
Manipulation und Populismus.
Politisch: Nachrichtenvermeidung schwächt demokratische Prozesse und die
aktive Beteiligung an Debatten.
Wie wir uns vor News Fatigue schützen können
Gezielter Konsum statt endlosem Scrollen
Feste Zeiten setzen: „Es hilft, bewusst Zeitfenster für Nachrichten zu
definieren, anstatt ständig Updates zu checken.“
Seriöse Quellen nutzen: „Qualitätsjournalismus statt Sensationsmeldungen –
das reduziert Stress und fördert ein ausgewogenes Bild der Realität.“
Lösungsorientierte Berichterstattung wählen: „Nachrichten, die auch
positive Entwicklungen und Lösungsansätze aufzeigen, helfen, sich weniger
ohnmächtig zu fühlen.“
Pausen einlegen: „Regelmäßige digitale Auszeiten fördern die mentale
Gesundheit und helfen, Informationen bewusster zu verarbeiten.“
Medienkompetenz stärken
Gerade im Kontext von News Fatigue ist Medienkompetenz essenziell. Wer
Informationen kritisch hinterfragt, kann Fake News und Desinformation
leichter entlarven. Rasimus plädiert für deutlich mehr Bildungsangebote:
„Digitale Medienkompetenz sollte früh gefördert werden, damit bereits
junge Menschen lernen, Nachrichten einzuordnen und sich souverän in der
digitalen Welt zu bewegen“
Fazit: Bewusst informiert bleiben
News Fatigue ist eine Herausforderung der heutigen Mediengesellschaft,
doch bewusster Konsum hilft, informiert zu bleiben, ohne sich zu
überfordern. „Wir sollten Nachrichten nicht meiden, sondern gezielt und
reflektiert konsumieren“, sagt Rasimus. Wer fundierte Berichterstattung
wählt, sich Pausen gönnt und seine Medienkompetenz stärkt, bleibt
informiert – ohne sich von der Nachrichtenflut überwältigen zu lassen.