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„Kommunen müssen klimaresilienter werden“

Deutschland ist überdurchschnittlich von Hitzetagen betroffen (hier Frankfurt a.M.). Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ruft zu mehr Unterstützung von Kommunen auf, um diese gegen Klimawandelfolgen zu wappnen und unsere Gesundheit zu schützen.  Copyright: ©Guenter Albers/AdobeStock.com
Deutschland ist überdurchschnittlich von Hitzetagen betroffen (hier Frankfurt a.M.). Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ruft zu mehr Unterstützung von Kommunen auf, um diese gegen Klimawandelfolgen zu wappnen und unsere Gesundheit zu schützen. Copyright: ©Guenter Albers/AdobeStock.com
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DBU: Gefahren für die Gesundheit – ExtremwetterkongressDie Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ruft zu mehr
Unterstützung für Städte und Gemeinden auf, damit diese sich besser an die
Folgen des fortschreitenden Klimawandels anpassen können. „Kommunen müssen
klimaresilienter werden – für Umwelt- und Natur-, aber auch für den
Gesundheitsschutz“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde mit Blick auf
den heute (Mittwoch) in Hamburg startenden mehrtägigen
Extremwetterkongress. Neben der DBU mit Workshop und Messestand nehmen
unter anderen Klimaforscher und Ozeanograph Prof. Dr. Mojib Latif, Diplom-
Meteorologe und Buchautor Sven Plöger sowie Tobias Fuchs vom Vorstand
Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes (DWD) teil.

Klimaschutz und Klimaanpassung die Währungen der Zukunft für ein
lebenswertes Umfeld

Laut Bonde stehen die durch den Klimawandel ausgelösten vermehrt
auftretenden Extremwetterereignisse wie Hitze, Trockenperioden und
Überschwemmungen in Deutschland sowie europa- und weltweit nicht allein im
Zeichen der Klimakrise. „Sie bedeuten besonders für verletzliche Gruppen
der Gesellschaft wie kranke und alte Menschen zudem eine wachsende Gefahr
für die Gesundheit“, sagte der DBU-Generalsekretär. „Klimaschutz und
Klimaanpassung sind die Währungen der Zukunft für ein lebenswertes
Umfeld“, so Bonde.

Quartiersentwicklung mit Weitblick: DBU-gefördertes Projekt „ReSource
Mannheim“ in Aubuckel

Das DBU-Förderthema „Nachhaltige Quartiersentwicklung“ will genau dies
erreichen – mit blau-grüner Infrastruktur, also einer wasser- und
vegetationsbasierten Neugestaltung, ebenso wie durch Maßnahmen zur
Hitzevorsorge sowie durch innovative Wassernutzung. Als „beeindruckendes
Beispiel“ nannte Bonde das DBU-geförderte Projekt „ReSource Mannheim“ im
Wohnquartier Aubuckel in Mannheim-Feudenheim. Die Devise dort: mehr
Brauchwasser- statt Frischwassernutzung durch intelligente
Wasserwiederverwendung und Regenwasserspeicherung sowie eine Planung, die
Stadt und Menschen für Extremwetter wie Hitze, Starkregen und
Überschwemmungen wappnet. Bonde: „Der Frischwasserbedarf im Quartier
Aubuckel kann um 40 Prozent gesenkt werden. Solche Projekte brauchen wir
bundesweit.

Lösungen für den Einklang von Natur und Fortschritt

Als ein wirkungsvolles Instrument gegen Erderwärmung durch zu hohen
Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase (THG) etwa wegen Nutzung fossiler
Energie gilt Windenergie auf See. Offshore-Windenergie gewinnt deshalb
nicht nur mit Blick auf die Energiewende, sondern auch in den Strategien
gegen Extremwetter an Bedeutung. Die Krux: Der Bau der Anlagen belastet
die Meere, neben sonstigen Risiken wie Schiffsverkehr, Überfischung und
Verschmutzung. Bonde: „Das neue DBU-Förderthema Meeresnaturschutz setzt
genau hier an. Mittels des DBU-Meeresnaturschutzfonds investieren wir in
nachhaltige Lösungen für den Einklang von Natur und Fortschritt.“

Klimaforscher Mojib Latif: Hitze und Starkregenereignisse hängen zusammen

Welch wichtige Rolle die Meere im Zusammenhang mit Extremwetter spielen,
macht Klimaforscher Mojib Latif deutlich. „Hitze und Starkregenereignisse
hängen zusammen“, so Latif. „Die Meere erwärmen sich zunehmend, was zu
mehr Verdunstung führt, und die wärmere Luft kann mehr Wasserdampf
aufnehmen – die Folge ist mehr Starkregen. Jüngste Vorkommnisse in Texas,
Spanien oder in Nordrhein-Westfalen sind darauf zurückzuführen.“ Laut
Latif wird das Ziel der Pariser Weltklimakonferenz von 2015 verfehlt,
nämlich die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (1850
bis 1900) auf deutlich unter zwei Grad Celsius, idealerweise auf 1,5 Grad
Celsius, zu begrenzen. Schon jetzt seien es etwa 1,5 Grad Celsius. Für das
Jahr 2100 gehe der überwiegende Teil der Forschung ohne ambitionierten
Klimaschutz von einer Erderwärmung um rund drei Grad Celsius aus. Latif:
„Leider spielt derzeit Klimaschutz in der Politik eine untergeordnete
Rolle.“ Es fehle an Geradlinigkeit. „Da wird zu viel gewackelt, egal ob
bei Wärmepumpen oder E-Mobilität.“ Alarmismus hält Latif dennoch für
verfehlt. Er sei überzeugt, „dass sich Unternehmen die wirtschaftliche
Zukunft auf Grundlage von erneuerbaren Energien nicht nehmen lassen – auch
nicht in den USA.“ Angesichts globaler Krisen und Kriege gebe es keine
Wahl: „Nur durch den Umbau des Energiesystems reduzieren wir
Abhängigkeiten von Staaten und fossiler Energie. Das ist die Zukunft. Wer
da nicht dabei ist, wird das Nachsehen haben.“

Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst: Größte Hypothek ist der
beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels

Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes ist Deutschland von
Extremwetter besonders betroffen, vor allem Hitze. DWD-Experte Tobias
Fuchs: „Deutschland hat sich seit frühindustrieller Zeit Ende des 19.
Jahrhunderts mit einem Temperaturanstieg von rund 2,5 Grad Celsius
schneller erwärmt als Europa und das Mittel aller Kontinente – und etwa
doppelt so schnell wie der gesamte Planet mit Land- und Ozeanflächen
zusammen, wo wir bei Anwendung desselben Trendverfahrens auf 1,25 Grad
Celsius Temperaturanstieg kommen.“ Mit Verweis auf das DWD-
Extremwetterpapier, dessen jüngste Ergebnisse beim Hamburger Kongress
vorgestellt werden, mahnt Fuchs zu präventiven Maßnahmen, etwa durch
Siedlungsentwässerung, Schwammstadt-Konzepte und Hitzeaktionspläne.
„Extremwetter kann jeden treffen. Wir müssen uns vorbereiten – aber das
kostet Zeit und Geld, was oft unterschätzt wird“, so Fuchs. Für ihn die
„größte Hypothek“: der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels. Laut DWD-
Extremwetterpapier 2024 traten seit 1881 neun der zehn wärmsten Jahre ab
2000 auf. In Deutschland ist die Zunahme von Hitzetagen mit mindestens 30
Grad Celsius markant. Seit den 1950er-Jahren mit etwa drei Hitzetagen
jährlich sei dieser Wert nun bundesweit auf rund elf Tage pro Jahr
gestiegen, fast eine Vervierfachung. Und: Vom Juli 2023 bis Juni 2024
handelte es sich laut DWD um die niederschlagreichste Zwölf-Monatsepisode
in Deutschland seit Auswertungsbeginn 1881. Das hat Folgen für die
Gesundheit. Nach aktuellen Studien des Grantham Institute des Imperial
College London und der London School of Hygiene & Tropical Medicine kam es
dieses Jahr allein in 854 untersuchten europäischen Städten zu 24.400
Hitzetoten. Rund zwei Drittel davon, ungefähr 16.500 hitzebedingte
Todesfälle, lassen sich auf die Folgen des Klimawandels zurückführen. Die
Dunkelziffer ist hoch, die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen.