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Die Nachfrage in Europa und Nordamerika nach Waren aus China geht deutlich
zurück, was sich in stark fallenden Frachtraten zeigt. Diese liegen
teilweise fast wieder auf dem Niveau vor dem weltweiten Ausbruch der
Corona-Pandemie Anfang 2020, zwischenzeitlich betrugen sie bis zum
Zehnfachen. Ins Bild passen die schwachen Handelswerte im jüngsten
Datenupdate des Kiel Trade Indicator für September (Monat-zu-Monat,
preis-/saisonbereinigt). Allerdings bleibt der Ablauf im maritimen
Containerverkehr gestört, noch immer stecken viele Frachter fest. In der
Deutschen Bucht bildet sich der Stau allerdings zurück.

Laut jüngstem Datenupdate des Kiel Trade Indicator stagniert der
Welthandel im September im Vergleich zum Vormonat (preis- und
saisonbereinigt). Für Deutschlands Handel sind die Werte für Importe (-0,5
Prozent) und Exporte (-0,1 Prozent) leicht negativ bzw. deuten auf eine
rote Null hin. Auch für die EU zeichnet sich wenig Veränderung im Handel
ab, Importe (-0,7 Prozent) und Exporte (-0,2 Prozent) dürften leicht unter
bzw. auf dem auf Niveau des Vormonats liegen.

Für die USA signalisieren die Werte des Kiel Trade Indicator etwas mehr
Bewegung im Handel, bei den Importen (-4,4 Prozent) steht gegenüber August
ein klares Minus. Die Exporte (+0,1 Prozent) dürften stagnieren. Für China
steht ein Plus bei den Importen (3,9 Prozent) und ein Minus bei den
Exporten (-0,9 Prozent). Russland kann ein leichtes Plus bei Importen
(+0,2 Prozent) und Exporten erwarten (+0,8 Prozent).

„Der Septemberhandel ist durch eine schwache Nachfrage nach Waren aus
China durch Europa und Nordamerika geprägt“, sagt Vincent Stamer, Leiter
Kiel Trade Indicator. „Dies zeigt sich in den schwachen Werten für die
Importe der EU und der USA sowie für den gesamten Welthandel, vor allem
aber in den stark rückläufigen Frachtraten für Warentransporte von China
nach Nordamerika und Europa.“

Nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 gerieten Angebot und
Nachfrage im globalen Warenverkehr durcheinander – die Verfügbarkeit von
Frachtkapazität sank, die Nachfrage insbesondere nach Gütern und deren
Transport aus China für Heimarbeit, Sport und Unterhaltung stieg aber.

In der Folge explodierten die Frachtraten auf bis zum Zehnfachen der lange
Jahre üblichen Transportkosten. Seit rund vier Monaten gehen sie rapide
zurück, auf der Route von China zur US-Westküste liegen die Frachtraten
fast wieder auf dem Niveau von vor der Krise. Auf der Route von China nach
Westeuropa ist das Vor-Krisenniveau noch nicht ganz wieder erreicht.

„Eine Abkühlung des globalen Handels könnte auch etwas Positives
darstellen, wenn sich überspannte Lieferketten und Verkehrsstaus durch die
Atempause erholen. Denn trotz des hohen Auftragsbestandes bremsen
Lieferengpässe einen höheren Zuwachs bei den preisbereinigten Exporten
Deutschlands noch immer aus, die Werte des Kiel Trade Indicator sind nun
bereits den dritten Monat in Folge negativ“, so Stamer.

Knapp 12 Prozent aller verschifften Waren stecken derzeit im Stau fest.
Von den vom IfW Kiel beobachteten Wartebereichen ist der Stau in der
Nordsee nach wie vor am gravierendsten und bindet über 2 Prozent der
weltweiten Frachtkapazität, die weder be- noch entladen werden kann. In
der Deutschen Bucht bildet sich der Stau allerdings zurück, nur noch 12
Containerschiffe warten hier auf Abfertigung in Hamburg oder Bremerhaven.
Vor einem Monat waren es noch 19.

Russland scheint im Bestreben, den ausbleibenden Handel mit der EU durch
Handel mit Asien zu substituieren, Fortschritte zu machen. In den für den
Asienhandel zentralen Häfen Vladivostok und Novorossiysk steigt die Anzahl
ankommender Containerschiffe im Trend kontinuierlich an. „Allerdings
können die Importe aus Asien bisher noch nicht den Handel mit Europa
ersetzen“, so Stamer.

Die nächsten Aktualisierungen des Kiel Trade Indicator erfolgen am 21.
Oktober (ohne Medieninformation) und am 7. November (mit Medieninformation
für die Handelsdaten im Oktober 2022).

Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und die Prognosen für alle
75 Länder finden Sie auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator (https://www.ifw-
kiel.de/de/themendossiers/internationaler-handel/kiel-trade-indicator/).
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Über den Kiel Trade Indicator

Der Kiel Trade Indicator schätzt die Handelsflüsse (Im- und Exporte) von
75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt. Im
Einzelnen umfassen die Schätzungen über 50 Länder sowie Regionen wie die
EU, Subsahara-Afrika, Nordafrika, den Mittleren Osten oder Schwellenländer
Asiens. Grundlage ist die Auswertung von Schiffsbewegungsdaten in
Echtzeit. Ein am IfW Kiel programmierter Algorithmus wertet diese unter
Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz aus und übersetzt die
Schiffsbewegungen in reale, saisonbereinigte Wachstumswerte gegenüber dem
Vormonat.

Die Auswertung erfolgt zweimal im Monat. Um den 20. (ohne Pressemeldung)
für den laufenden und den folgenden Monat und um den 5. (mit
Pressemeldung) für den vergangenen und den laufenden Monat.

An- und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst.
Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die
effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen.
Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen erstellt werden, auch
für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.

Der Kiel Trade Indicator ist im Vergleich zu den bisherigen
Frühindikatoren für den Handel deutlich früher verfügbar, deutlich
umfassender, stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang
einzigartig große Datenbasis und weist einen im Vergleich geringen
statistischen Fehler aus. Der Algorithmus des Kiel Trade Indikators lernt
mit zunehmender Datenverfügbarkeit dazu (machine learning), so dass sich
die Prognosegüte im Lauf der Zeit weiter erhöht.