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Die Staus in der Containerschifffahrt bilden sich auf hohem Niveau langsam
zurück. Dies zeigt das jüngste Datenupdate des Kiel Trade Indicator für
den Monat Oktober. Die Frachtraten für den Warentransport von China nach
Europa liegen so niedrig wie zuletzt vor rund 2 Jahren. Die Handelswerte
weltweit und für große Volkswirtschaften im Vergleich zum Vormonat sind
tendenziell negativ (preis- und saisonbereinigt). Bei Russland zeigen die
Sanktionen Wirkung. Monatlich fehlen dem Land Importe im Wert von rund 4,5
Milliarden US-Dollar.

Laut jüngstem Datenupdate des Kiel Trade Indicator fällt der Welthandel im
Oktober leicht im Vergleich zum Vormonat (-0,8 Prozent, preis- und
saisonbereinigt). Für Deutschlands Handel sind die Werte für Importe (-0,9
Prozent) und Exporte (-0,2 Prozent) leicht negativ bzw. deuten auf eine
rote Null hin. Auch für die EU zeichnet sich wenig Veränderung im Handel
ab, Importe (0,0 Prozent) und Exporte (1,0 Prozent) dürften auf dem auf
Niveau des Vormonats liegen bzw. leicht darüber.

Für die USA signalisieren die Werte des Kiel Trade Indicator keine
Bewegung bei den Importen (0,0 Prozent). Ein klares Minus steht hingegen
bei den Exporten (-2,7 Prozent) im Vergleich zum Vormonat. Für China steht
eine schwarze Null bei den Importen (0,9 Prozent) und ein deutliches Plus
bei den Exporten (10,1 Prozent).

„Tendenziell geht es seitwärts mit dem weltweiten Handel, auch wenn sich
diese Entwicklung nicht gleichmäßig für alle Länder zeigt. Deutsche
Ausfuhren folgen preisbereinigt schon seit geraumer Zeit dieser
Entwicklung, die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen
deutschen Exporteuren also offenbar spürbar zu schaffen“, sagt Vincent
Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator. „Chinas Plus bei den Exporten ist im
weltweiten Trend ein klarer Ausreißer nach oben. Ob damit die Erholung von
den Einschränkungen der Null-Covid-Politik eingeläutet wird, bleibt
abzuwarten. Historisch gesehen sind starke Schwankungen in Chinas
Handelszahlen nicht ungewöhnlich.“

In Russland zeigen die Sanktionen der westlichen Staaten Wirkung. Sowohl
für die Exporte (-2,6 Prozent) als auch die Importe (-0,4 Prozent)
zeichnet sich im Oktober nochmals ein Rückgang des preisbereinigten
Güterhandels ab. Bereits in den vergangenen Monaten war der Handel
deutlich eingebrochen, insbesondere mit der EU.

Die offizielle Statistikbehörde von Russland veröffentlicht seit einigen
Monaten keine Importwerte mehr, der Effekt der Sanktionen gegen Russland
soll damit offenbar verschleiert werden. Eine Auswertung mittels der
Exporte von 57 Ländern und Regionen nach Russland, darunter auch die EU
und China, für die Sommermonate Juni, Juli und August 2022 zeigt, dass
Russland monatlich rund 24 Prozent weniger Waren importiert als 2021. Die
monatliche Importlücke liegt bei rund 4,5 Milliarden US-Dollar.

Während im Sommer 2021 noch die EU Russlands wichtigster Handelspartner
war, hat China nun diese Spitzenposition eingenommen. Die EU exportiert im
Vergleich zum Vorjahr 43 Prozent weniger Waren nach Russland, China 23
Prozent mehr. Allerdings hat der Anstieg der Exporte von China nach
Russland im September an Dynamik verloren. „Chinas Exporteure konnten die
Sanktionsschäden auch bislang nicht kompensieren und Russlands
Anstrengungen, wegbrechende Importe aus Europa zu ersetzen, gestalten sich
zunehmend schwieriger. Die Sanktionen der westlichen Allianz treffen die
russische Wirtschaft augenscheinlich hart und schränken die
Konsummöglichkeiten der Bevölkerung spürbar ein“, so Stamer.

Darauf deutet auch der Rückgang anlandender Ladung in russischen Häfen
hin. St. Petersburg, ehemals größter Containerhafen Russlands und
wichtiger Umschlagspunkt für den Handel mit Europa, erreichte im Oktober
erstmals weniger als 10 Prozent der Vorjahresmengen. Auch der
Schwarzmeerhafen Novorossijsk verzeichnet einen Rückgang um etwa 50
Prozent. Der für die Abwicklung des Asienhandels wichtige Hafen
Wladiwostok erreicht jetzt zwar die Umschlagsmenge des Vorjahres, der
wegbrechende Handel zwischen Europa und Russland kann dort aber nicht
kompensiert werden.

Die Containerschiffstaus rund um den Globus zeigen auf hohem Niveau weiter
deutliche Zeichen der Entspannung. Gegenwärtig befinden sich 10 Prozent
aller weltweit verschifften Güter im Stau.

Seit Beginn des Jahres sind die Frachtraten von China nach Nordeuropa um
etwa zwei Drittel gefallen. Erstmals seit rund 2 Jahren liegen die Preise
für einen Standardcontainer wieder unter 5.000 US-Dollar und damit nahe
dem Niveau vor Ausbruch der Handelskrise. Auf der Route von China nach
Nordamerika haben die Preise schon etwas früher zu sinken begonnen.

Stamer: „Der deutliche Rückgang der Frachtraten ist ein positiver Impuls
für den globalen Handel und damit auch für die deutsche Wirtschaft.
Bleiben die Raten niedrig und lassen die weltweiten Schiffsstaus weiter
nach, könnte der günstigere Transport Rezessionsängsten im exportierenden
Gewerbe entgegenwirken.“

Die nächsten Aktualisierungen des Kiel Trade Indicator erfolgen am 21.
November (ohne Medieninformation) und am 6. Dezember (mit
Medieninformation für die Handelsdaten im November 2022).

Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und die Prognosen für alle
75 Länder finden Sie auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator.
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Über den Kiel Trade Indicator

Der Kiel Trade Indicator schätzt die Handelsflüsse (Im- und Exporte) von
75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt. Im
Einzelnen umfassen die Schätzungen über 50 Länder sowie Regionen wie die
EU, Subsahara-Afrika, Nordafrika, den Mittleren Osten oder Schwellenländer
Asiens. Grundlage ist die Auswertung von Schiffsbewegungsdaten in
Echtzeit. Ein am IfW Kiel programmierter Algorithmus wertet diese unter
Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz aus und übersetzt die
Schiffsbewegungen in reale, saisonbereinigte Wachstumswerte gegenüber dem
Vormonat.

Die Auswertung erfolgt zweimal im Monat. Um den 20. (ohne Pressemeldung)
für den laufenden und den folgenden Monat und um den 5. (mit
Pressemeldung) für den vergangenen und den laufenden Monat.

An- und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst.
Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die
effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen.
Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen erstellt werden, auch
für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.

Der Kiel Trade Indicator ist im Vergleich zu den bisherigen
Frühindikatoren für den Handel deutlich früher verfügbar, deutlich
umfassender, stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang
einzigartig große Datenbasis und weist einen im Vergleich geringen
statistischen Fehler aus. Der Algorithmus des Kiel Trade Indikators lernt
mit zunehmender Datenverfügbarkeit dazu (machine learning), so dass sich
die Prognosegüte im Lauf der Zeit weiter erhöht.