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Nachhaltigkeit spielt in der globalen Wirtschaft eine immer größere Rolle.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, in Kraft seit 1. Januar 2023,
verpflichtet global einkaufende Unternehmen zur verstärkten Kontrolle
ihrer Zulieferer. Zu den Kernelementen der Sorgfaltspflicht gehört die
Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, belegt und dokumentiert
mit Hilfe von Sozialaudits. Stephanie Schrage, Professorin für
International Management / International Business mit Schwerpunkt China an
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, erläutert die Fallstricke in
der Verwendung von Sozialaudits.

Einerseits haben Audits die Lage verbessert
Im Hinblick auf nachhaltige Lieferketten hat der Einsatz von Audits für
große Verbesserungen in den letzten 30 Jahren gesorgt – gerade in Bezug
auf Probleme mit Arbeitssicherheit oder Kinderarbeit. Hinsichtlich
gerechter Löhne und angemessener Arbeitszeiten geraten Sozialaudits jedoch
an ihre Grenzen.

Andererseits sind Daten zu Arbeitszeiten und Löhnen leicht zu fälschen
Betrachtet man zum Beispiel Non-food-Waren, die bei den großen deutschen
Discountern in den Körben in der Mitte liegen, so kommen diese zum
Großteil aus China. In der Produktion dieser Waren werden
Arbeitsbedingungen häufig über die Sozialaudits der Amfori BSCI geprüft,
einer europäischen Nachhaltigkeitsinitiative verschiedener Unternehmen.
Gerade in China, aber auch in anderen Ländern, ist der Abschnitt im
Auditbericht zu Löhnen und Arbeitszeiten oftmals gefälscht. Auf dem Papier
stehen Angaben, die mit dem chinesischen Arbeitsgesetz konform sind,
während in der Realität exzessive Überstunden üblich sind.

Exzessive Überstunden sind fest eingeplant
Das System baut auf diese Überstunden. Chinesische Arbeiter:innen rechnen
fest mit den Einkünften aus Überstunden. Nur so können sie von den
Niedriglöhnen leben. Die Einkünfte aus Überstunden sind für die Familien
fast genauso wichtig wie das Gehalt an sich. Besonders deutlich wird dies
in der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation. Bestellungen der
deutschen Discounter sind stark eingebrochen. Es wird wesentlich weniger
produziert, die Überstunden fallen weg. Dies wird von den Arbeiter:innen
bitter beklagt.

Sozialaudits bieten nur Momentaufnahmen
Das Audit als Momentaufnahme bildet die Problematik der Löhne und
Arbeitszeiten in chinesischen Fabriken nicht ganzheitlich ab und kann
deswegen nicht zur Entwicklung von Lösungen beitragen. Deutsche
Unternehmen, die aus China sourcen, sind hier in der Verantwortung,
langfristige Lieferbeziehungen und Vertrauensverhältnisse in der
Lieferkette aufzubauen. Nur so können Arbeitsverhältnisse geschaffen
werden, in denen Überstunden reduziert und Löhne auf ein
existenzsicherndes Niveau gehoben werden. In diesem Rahmen sollten
Arbeitszeiten und Löhne realistisch erfasst und von Partnern entlang der
Lieferkette gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden.