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Die Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert mehr konkrete und verbindliche
Maßnahmen der Politik

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßt die Verabschiedung der
ersten Nationalen Diabetesstrategie heute im Bundestag – doch es ist
leider nur eine „Strategie light“ geworden.  Wichtige Maßnahmen, die die
WHO zu Diabetes empfiehlt, fehlen, andere stehen ohne Bezug nebeneinander.
In den Bereichen Prävention, Versorgung, Forschung und Nachwuchsförderung
in der Diabetologie ist die Politik hinter ihren Möglichkeiten geblieben.

Die DDG begrüßt die heutige Verabschiedung der Nationalen
Diabetesstrategie im Bundestag. Nach jahrelangen Forderungen können jetzt
wichtige Punkte politisch umgesetzt werden, die Millionen Menschen mit
Diabetes und künftigen Generationen zugutekommen. „Doch wie leider zu
erwarten war, erhält Deutschland mit diesem Beschluss nur eine Nationale
Diabetesstrategie ‚Light‘“, bedauert DDG Präsidentin Professor Dr. med.
Monika Kellerer im Anschluss der heutigen Plenarsitzung. Denn in dem
Beschluss, auf den sich der Bundestag heute geeinigt hat, fehlen
wesentliche Bausteine. „Es kann sich bei der Nationalen Diabetesstrategie
nur um einen ersten Aufschlag handeln, nun müssen den Willensbekundungen
auch Taten folgen“, so Kellerer.

In dem Entwurf kommt insbesondere die Ernährung zu kurz – ein wesentlicher
Kern der Diabetesprävention. „Die Lebensmittelindustrie muss hier mehr in
die Verantwortung genommen werden, denn ihre Produkte tragen ganz
wesentlich zu gesundem oder ungesundem Essverhalten bei“, erklärt DDG
Geschäftsführerin Barbara Bitzer. In Bezug auf Softdrinks etwa nennt die
Diabetesstrategie aber weiterhin nur das Ziel einer freiwilligen
Zuckerreduktion von 15 Prozent bis Ende 2025. „Dieses Ziel ist viel zu
gering und damit quasi wirkungslos, um neue Diabetesfälle zu verhindern“,
sagt Bitzer. Noch immer setze die Politik auch viel zu sehr auf das
individuelle Verhalten und ignoriere den enormen Einfluss der
Alltagsumgebung und des Lebensmittelangebots. „Deutschland braucht eine
Nationale Diabetesstrategie, die verbindliche Maßnahmen und ambitionierte
Ziele im Bereich Ernährung umfasst, ansonsten ist es keine Strategie“,
betont Bitzer.

Seit Jahren weist die DDG schon darauf hin, dass eine verbindliche
Zuckerreduktion in anderen Ländern bereits erfolgreich umgesetzt wurde und
positiven Effekte wissenschaftlich belegt sind. Doch in diesem Beschluss
nehmen die Fraktionen erneut eine passive Haltung gegenüber der Industrie
ein. Es findet sich lediglich ein Hinweis, dass die Forderungen der
wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Krankenkassen „zu prüfen“ seien
und sich für eine Ausweitung des Engagements der Branche eingesetzt werden
müsse. „Eine so unverbindliche und vage Aussage ist wertlos “, so Bitzer.

Eine dauerhafte Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung und der
translationalen Forschung ist notwendig, um zusätzlich zu den
Präventionsmaßnahmen der Diabetes-Pandemie Einhalt bieten zu können. Dies
wurde auch heute in der Bundestagsdebatte mehrfach betont. Derzeit
erkranken täglich ca. 1 000 Menschen in Deutschland an Diabetes,
Schätzungen gehen von einer Zunahme von jetzt 7,5 auf 12 Millionen
Betroffene im Jahr 2040 aus. Diabetes mit seinen Begleit- und
Folgeerkrankungen verkürzt die Lebenserwartung statistisch um mindestens
sechs Jahre. „Wir brauchen einen politischen Willen mit konkretem und
verbindlichem Rahmen, um die Versorgung besser steuern zu können und das
Gesundheitswesen in Zukunft nicht zu überlasten", sagt Professor Dr. med.
Baptist Gallwitz, Pressesprecher der DDG und stellvertretender Ärztlicher
Direktor an der Medizinischen Klinik, Abteilung Endokrinologie,
Diabetologie und Nephrologie, am Universitätsklinikum Tübingen.

In der Strategie wird auch der medizinische Nachwuchs in der Diabetologie
nicht ausreichend berücksichtigt, stellt Kellerer, Ärztliche Direktorin
des Zentrums für Innere Medizin I am Marienhospital Stuttgart, fest und
warnt: „Wenn die Zahl der klinischen Lehrstühle an den Universitäten
weiter so rasant abnimmt wie in den vergangenen Jahren, wird es bald kaum
noch medizinisches Fachpersonal geben, das zu einer guten
Versorgungsstruktur in Deutschland beitragen kann. Dieser wichtige
Baustein wurde nicht berücksichtigt, was das Fundament, auf dem die
Nationale Diabetesstrategie fußt, porös macht.“ Begrüßenswert sind
Maßnahmen zur Verbesserung des Disease Management Programms (DMP), zur
Diabetesforschung sowie dem Ausbau der telemedizinischen Infrastruktur.
„Auch, dass Adipositas im Beschluss vermehrt in den Fokus genommen wird,
ist ein wichtiger Schritt“, ergänzt Kellerer. Das Krankheitsbild soll
verstärkt in den Katalog der ärztlichen Fort- und Weiterbildung
aufgenommen werden, eine interdisziplinäre, multimodale, individuelle
Versorgung ermöglicht und für den Ausbau der diesbezüglichen Lehrstühle
geworben werden.

„Es gibt viele gute Ansätze in dem Entwurf, die in Zukunft inhaltlich
ausgefüllt werden müssen und bestenfalls noch Ergänzungen finden“,
resümiert die Diabetologin. Sie verweist auf die ausstehende Erarbeitung
eines Eckpunktepapiers, das schließlich mit konkreten Maßnahmen der
Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes dienen soll. Hier erhofft sich
die DDG wesentliche Nachbesserungen.

Die DDG dankt denjenigen Politikern, die sich über Jahre für die
Erarbeitung der Nationalen Diabetesstrategie eingesetzt haben, vor allem
Dietrich Monstadt, langjähriges Mitglied des Gesundheitsausschusses im
Bundestag.