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Übergewicht und Adipositas gehören zu den großen gesundheitlichen
Herausforderungen unserer Zeit. In einem neuen Positionspapier hat die
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
wichtige Grundlagen zur Behandlung und Prävention von Adipositas in der
Hausarztpraxis zusammengefasst und empfiehlt einen holistischen Ansatz in
Prävention und Therapie.

Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Übergewicht und Adipositas ist
erheblich, auch in Politik und Wissenschaft wird das Thema lebhaft
diskutiert, zumal es inzwischen erweiterte operative Möglichkeiten und
neue medikamentöse Behandlungsstrategien zur Gewichtsabnahme gibt.

In einem neuen Positionspapier fasst die DEGAM aktuelle wissenschaftliche
Ergebnisse zu Übergewicht und Adipositas zusammen und empfiehlt auf dieser
Basis eine holistische Perspektive: Statt einzelne Symptome zu behandeln,
sollte ein heterogenes Krankheitsbild wie Adipositas nicht separat
gesehen, sondern im Kontext anderer Erkrankungen wie beispielsweise
Diabetes, arterielle Hypertonie, Demenz oder Osteoporose verstanden
werden. Gleichzeitig müssen die vielfältigen Ursachen von Adipositas
berücksichtigt werden, also genetische Prädispositionen, aber auch
Ernährungsverhalten, Bewegungsmangel sowie problematische sozioökonomische
Verhältnisse.

Die DEGAM sieht die Behandlung von Adipositas klar in der Hausarztpraxis:
Hausärztinnen und Hausärzte sind spezialisiert auf den ganzen Menschen und
damit prädestiniert dafür, Adipositas zu erkennen, in den Gesamtkontext zu
stellen und zu behandeln. Als Therapieoptionen stehen zur Verfügung:
Ernährungsberatung, Bewegungsempfehlungen (z.B. „Rezept für Bewegung“),
(neue) Arzneimittel sowie bariatrische Operationen. „Trotzdem bleiben
Prävention und Therapie von Adipositas in der Hausarztpraxis eine
Herausforderung, da die messbaren Erfolge selbst bei guter Motivation
meist gering und von kurzer Dauer sind“, kommentiert Prof. Martin Scherer,
Präsident der DEGAM.

Gerade weil Übergewicht und Adipositas durch verschiedene, auch
gesellschaftlich bedingte, Faktoren bedingt sind, weist die DEGAM darauf
hin, dass es sich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen handelt,
deren Bewältigung nicht allein in der Hausarztpraxis liegen kann:
„Adipositas ist nicht selten ein direkter Ausdruck sozialer Ungleichheit.
Es ist seit Jahren bekannt, dass das Risiko für Adipositas stark mit dem
sozioökonomischen Hintergrund korreliert. Deshalb greift eine Therapie,
die alleine auf das individuelle Verhalten abzielt, zu kurz, da auch die
Verhältnisse berücksichtigt werden müssen“, sagt Dr. Thomas Maibaum,
stellvertretender Sprecher der Sektion Prävention der DEGAM, die das
Positionspapier federführend entwickelt hat. „Wir Ärztinnen und Ärzte
müssen immer wieder darauf aufmerksam machen, dass ungleiche
Lebensbedingungen und soziale Spaltung auch harte gesundheitliche
Konsequenzen haben“. So sei es aus Sicht der DEGAM nicht nachvollziehbar,
dass breiter angelegte – und seit Jahren gut erforschte – Initiativen der
Verhaltens- und Verhältnisprävention nicht umgesetzt werden. Bekannte
Beispiele sind die Zuckersteuer oder ein finanzierbares und ausgewogenes
Kita- und Schulessen.

Last but not least steht die DEGAM im Positionspapier der geplanten
Einführung eines „Disease Management Programme“ (DMP) zu Adipositas eher
kritisch gegenüber, da es kaum Evidenz für wissenschaftlich fundierte
Therapieoptionen bei Adipositas gibt. „Wie relevant und nachhaltig Abnehm-
Programme in Hinblick auf Morbidität und Mortalität tatsächlich sind, ist
bisher ungeklärt. Präventive Behandlungen zur Änderung des Lebensstils
sind äußerst komplex und nur dann erfolgreich, wenn Autonomie und aktuelle
Lebenssituation der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden. Nur
so kann es zu einer partizipativen Entscheidungsfindung und einer
nachhaltig wirksamen Adipositas-Therapie kommen“, bemerkt Thomas Maibaum
abschließend.

Zum Positionspapier: https://bit.ly/3n0enIU