Meilenstein der Herzchirurgie: Herz-Lungen-Maschine seit 70 Jahren erfolgreich im Einsatz
Jährlich werden bundesweit ca. 90.000 Herzoperationen durchgeführt, davon
rund 60.000 unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine“, erklärt Prof. Dr.
Volkmar Falk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie. „Dank der Herz-Lungen-Maschine sind seit nunmehr 70 Jahren
Herzoperationen durchführbar, die zuvor nahezu undenkbar waren. Das
komplexe Medizingerät übernimmt, durch Aufrechterhaltung des Kreislaufs
außerhalb des Körpers, die Herz- und Lungenfunktion der Patient:innen
während einer Operation am offenen Herzen.“
Dabei ersetzt die Herz-Lungen-Maschine (HLM) sowohl die Herzpumpfunktion
als auch die lebensnotwendige Sauerstoffanreicherung (=Oxygenierung) bzw.
CO2-Elimination des Bluts. Nur durch diese Funktionalität ist es überhaupt
erst möglich, Operationen von erworbenen und angeborenen Herzfehlern
durchzuführen. Die HLM wird von speziell ausgebildeten Perfusionist:innen
bedient und überwacht. „Wir arbeiten hierbei Hand in Hand im Herzteam“,
erklärt Dr. rer. biol. hum. Frank Münch ECCP FPP, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Kardiotechnik e.V. „Aktuell gibt es in Deutschland ca.
900 klinisch tätige Perfusionist:innen. Das Studium dauert 3 bis 3,5 Jahre
– je nach Studienschwerpunkt – und schließt als Bachelor oder Master mit
ECCP-Zertifikat ab.
„Abgesehen von den genannten Hauptfunktionen, kann über die HLM die
Körpertemperatur der Patienten kontrolliert beeinflusst werden, um das
Herz, und alle übrigen Organe, vor Schäden zu bewahren“, erklärt
Herzchirurg Falk weiter. „Das Wesentliche ist, dass die für viele
Eingriffe notwendige Eröffnung des Herzens nur möglich ist, wenn am
stillgelegten Herzen operiert werden kann. Dazu wird das Herz vollständig
aus dem Kreislauf ausgeschaltet“.
Der amerikanische Herzchirurg John Gibbon wandte 1937 die erste HLM an,
wobei es ihm gelang, das Blut aus einer ins Herz mündenden Hohlvene in
einen sogenannten Oxygenator umzuleiten, dort das Blut mit Sauerstoff
anzureichern und sauerstoffeiches Blut wieder in den Körper
zurückzuführen. Als Durchbruch für die Herzchirurgie galt seine erstmals
im Mai 1953 durchgeführte Herzoperation, bei der die HLM 45 Minuten die
gesamte Herz-Kreislauf-Funktion der Patientin übernahm.
An der ersten offenen, in Deutschland durchgeführten Herzoperation 1958 in
Marburg durch Prof. Rudolf Zenker, war Prof. Hans Georg Borst, einer der
Gründungsväter der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie, maßgeblich beteiligt: er bediente damals als Assistenzarzt
die HLM. In Ostdeutschland konnte 1962 Martin Herbst in Leipzig die erste
erfolgreiche Herz-OP mit HLM durchführen. „Die Erfindung der Herz-Lungen-
Maschine war ein entscheidender und revolutionärer Durchbruch für die
Entwicklung der Herzmedizin“, so Prof. Falk. „Bis heute wurde die HLM
stets weiterentwickelt und findet bei einer Vielzahl von Herzoperationen
Anwendung. Zum Beispiel bei der Rekonstruktion oder dem Ersatz defekter
Herzklappen, beim Anlegen aorto-koronarer Bypässe (ACB), bei Korrekturen
angeborener Herzfehler, Hauptschlagaderrekonstruktione
oder bei Herz- und Lungentransplantationen.“
Für Kleinkinder und Neugeborene mit angeborenen Herzfehlern stehen hierzu
spezielle minimierte HLM’s zur Verfügung.