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Scharlach wieder auf dem Vormarsch

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Die Stiftung Kindergesundheit berichtet über die Zunahme von
Streptokokken-Erkrankungen, ihre Folgen und über die richtige Behandlung

Noch vor 150 Jahren starben jedes Jahr Tausende von Kindern an der
ansteckenden Kinderkrankheit Scharlach. Heute lässt sie sich mit
Antibiotika so gut behandeln, dass praktisch kein Kind mehr an dieser
Krankheit sterben muss. In den letzten Jahrzehnten entwickelte sich die
von Streptokokken-Bakterien ausgelöste Infektion mehr und mehr zu einer
„seltenen Erkrankung“. Doch nun scheint die Situation erneut umzuschlagen,
berichtet die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme:
Kinderärzt*innen und Apotheker*innen beobachten eine deutliche Zunahme von
Streptokokken-Erkrankungen unter ihren Patientinnen und Kunden. Das
besondere Problem dabei: Viele Antibiotika und Fiebersäfte für Kinder, die
zur Behandlung dieser Krankheiten benötigt werden, sind zurzeit nur
eingeschränkt oder überhaupt nicht erhältlich!

Die Sternstunde der Wissenschaft ereignete sich vor 95 Jahren:  Der damals
47 Jahre alte schottische Mikrobiologe Alexander Fleming (1881 – 1955)
stieß auf das „Heilmittel des Jahrhunderts“, auf das Antibiotikum
Penicillin. Eines Tages im September 1928 – das genaue Datum ist nicht
mehr bekannt – erkennt Flemming die Bakterien abtötende Wirkung der
Nährlösung, in der er den Schimmelpilz Penicillium gezüchtet hatte. Er
kann jedoch die antibakterielle Substanz nicht isolieren und verfolgt
seine Entdeckung nicht weiter. Erst um 1940 erkennen der australische
Pathologe Howard W. Florey und der Berliner Biochemiker Ernst Boris Chain
die Bedeutung der Entdeckung, und nennen das Produkt ihrer
Schimmelpilzkultur „Penicillin“. 1945 bekommen die drei Forscher den
Nobelpreis für Physiologie und Medizin „für die Entdeckung des Penicillins
und seiner Heilwirkung bei verschiedenen Infektionskrankheiten“.

Penicillin gilt nach wie vor als das wichtigste Medikament zur Bekämpfung
von Streptokokken, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Diese
Bakterien, von denen mittlerweile 120 verschiedene Arten bekannt sind,
werden in Gruppen unterteilt, die zu unterschiedlichen Infektionen führen.
Zu den drei häufigsten krankheitsauslösenden Streptokokkenarten zählen die
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae), die Gruppe A-Streptokokken
(Streptococcus pyogenes) und die Gruppe B-Streptokokken (Streptococcus
agalactiae). Das Bakterium Streptococcus pyogenes wird meistens durch
direkten Kontakt von Speichel oder Nasensekret übertragen und soll
weltweit jährlich rund 700 Millionen Infektionen verursachen.

Die kettenförmig angeordneten Streptokokken der Gruppe A besiedeln häufig
die Schleimhäute auch gesunder Menschen im Nasen-Rachen-Raum, ohne dass
die Träger selbst erkranken. Sie sind jedoch häufige Erreger einer
Streptokokken-Angina, also einer fiebrigen Hals-Rachenmandel-Entzündung
(Fachbezeichnung: Tonsillopharyngitis). Sie können aber auch andere
schwere Infektionen verursachen, zum Beispiel Mittelohrentzündungen
(Otitis media), Lungenentzündungen (Pneumonie), Hirnhautentzündungen
(Meningitis) und andere Krankheiten, von denen besonders Säuglinge,
Kleinkinder sowie ältere und abwehrgeschwächte Personen betroffen sind.

Auch Großeltern können sich anstecken
Wie das Robert Koch-Institut Berlin in seinem Epidemiologischen Bulletin
(8/2023) berichtet, gab es im 4. Quartal 2022 einen für die Jahreszeit
ungewöhnlich frühen und starken Anstieg von schweren Infektionen durch
Gruppe-A-Streptokokken. Am stärksten betroffen war die Gruppe über
65-jähriger Menschen. Ein Ende des Anstiegs ist jedoch noch nicht
abzusehen: Zurzeit erkranken vor allem Kinder unter 15 Jahren und Menschen
zwischen 25 und 44 Jahren an Scharlach und an von A-Streptokokken
ausgelösten Infektionen.
Diese Krankheiten waren bisher nicht meldepflichtig. Angesichts der
beunruhigenden Lage haben jedoch die kinderärztlichen Fachgesellschaften
unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische
Infektiologie (DGPI) kurzfristig ein Meldesystem für Gruppe-A
-Streptokokken-Infektionen und weitere komplizierte (Atemwegs-)Infektionen
bei stationär behandelten Kindern eingerichtet.

Der typische Verlauf einer Scharlach-Infektion
Der Scharlach ist eine Sonderform der Streptokokken-A-Infektion, der durch
spezielle Streptokokken-Typen hervorgerufen wird. Sie sind in der Lage,
ein besonderes Scharlachgift zu produzieren, das den typischen
Scharlachausschlag auslöst. Im Grunde ist Scharlach also eine
Streptokokken-Angina mit Ausschlag.
Zwei bis sieben Tage nach der Ansteckung steigt plötzlich die Temperatur
stark an. Das Kind klagt über Schüttelfrost, Halsschmerzen und
Schluckbeschwerden. Oft muss es auch erbrechen.
Ein bis zwei Tage später beginnt dann der typische Ausschlag in den
Achselhöhlen und an der Innenseite der Oberschenkel und breitet sich dann
auf den ganzen Körper aus.

Eine Haut wie Sandpapier
Der Scharlachausschlag besteht aus winzigen, höchstens
stecknadelkopfgroßen, dicht beieinander liegenden Flecken. Wenn man mit
der Handfläche über die Haut streicht, fühlt sie sich an wie Sandpapier
oder eine leichte Gänsehaut. Die Erhebungen des Ausschlags sind zunächst
zartrosa, später flammend rot (eben scharlachrot). Die Gesichtshaut
dagegen ist glatt, aber intensiv gerötet. Die Mund- und Kinnpartie bleibt
jedoch blass und wie ein Milchbart von der Rötung ausgespart.
Der Rachen des Kindes ist düster rot. Auf der Zunge entsteht zunächst ein
weißgelber Belag, der nach ein bis zwei Tagen abgestoßen wird. Danach ist
die Oberfläche der Zunge auffallend gerötet und sieht wie eine Erdbeere
oder Himbeere aus. Fast immer sind auch die Lymphknoten am Kieferwinkel,
oft auch am Hals geschwollen. Nach einigen Tagen beginnt sich die Haut
insbesondere an den Handinnenflächen und an den Fußsohlen zu schuppen. An
den Händen und Füßen lassen sich oft ganze Fetzen abziehen, während sich
am Bauch feine Schuppen ablösen. Dieses Abschuppen dauert drei, manchmal
auch mehrere Wochen.

Es gibt auch Scharlach ohne Ausschlag
Weil die Krankheit häufig leicht verläuft, ist der Ausschlag am Körper
oft nur blass rosa und tritt lediglich wenige Stunden lang auf. Es gibt
auch Fälle, die völlig ohne Ausschlag verlaufen. Das Kind hat nur
Schluckbeschwerden, Heiserkeit und Husten. Erst nach einigen Tagen zeigt
das Abschuppen seiner Haut, dass es Scharlach durchgemacht hat.
Bekommt ein Kind hohes Fieber und zeigt Scharlachsymptome, sollten die
Eltern auf jeden Fall mit einem Kinder- und Jugendarzt Kontakt aufnehmen,
empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Diagnostiziert der Arzt
Scharlach, wird er dem Kind in aller Regel Penicillin verordnen. Sollte
dieses Antibiotikum nicht anschlagen oder nicht gut vertragen werden, kann
auf ein anderes Antibiotikum, z. B. auf orale Cephalosporine ausgewichen
werden. Die antibiotische Behandlung dauert in der Regel etwa sieben bis
zehn Tage.
„Von größter Wichtigkeit ist die unbedingte Einnahme des vom Arzt
verordneten Antibiotikums, so lange, wie es vom Arzt vorgeschrieben ist“,
betont Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko,
Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck. „Mit
Hilfe der Penicillin-Behandlung geht es dem Kind zwar schon nach 24 bis
spätestens 48 Stunden wieder gut. Das Verschwinden der Beschwerden
bedeutet aber nicht, dass damit auch die Bakterien beseitigt sind! Die
Behandlungsdauer von meist zehn Tagen ist notwendig, um alle Bakterien
abzutöten. Bleiben Reste im Organismus, könnte die Krankheit wieder
aufflackern. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich die Erreger an das
Antibiotikum gewöhnen, also eine Resistenz entwickeln“.

Bei Fieber reichlich trinken
Solange das Fieber hoch ist, braucht das Kind reichlich Wasser, Obstsäfte
oder Tee mit Milch zum Trinken. Gegen die Halsschmerzen helfen Gurgeln
(mit Salbei-, Eibischtee oder desinfizierenden Lösungen) und warme
Halswickel. Kühle Getränke oder Eis lindern ebenso. Da einem erkrankten
Kind das Schlucken schwerfällt, sollten Eltern ihm weiche oder flüssige
Nahrung wie Suppen anbieten.
Mögliche Komplikationen sind Entzündungen des Mittelohres, der
Nebenhöhlen und der Lunge. Eher seltene, aber gefürchtete Spätfolgen
sind das akute rheumatische Fieber mit Entzündungen der großen Gelenke
wie den Kniegelenken, des Herzmuskels, des Herzbeutels oder der
Herzklappen sowie Entzündungen der Nieren. In solchen Fällen können
bleibende Schäden entstehen. Komplikationen werden häufiger beobachtet,
wenn der Scharlach nicht mit Antibiotika behandelt wurde oder die
Antibiotika-Therapie vorzeitig abgebrochen wird.
Hat ein Kind die Erkrankung überstanden, ist es in Zukunft vor dem
jeweiligen Giftstoff des Erregers geschützt. Da die Bakterien aber
unterschiedliche Giftstoffe bilden, ist es leider möglich, mehrfach an
Scharlach zu erkranken, betont die Stiftung Kindergesundheit.

Dank Antibiotika schneller gesund
Kinder oder Jugendliche, die an Scharlach erkrankt sind oder bei denen der
Verdacht auf Scharlach besteht, dürfen Gemeinschaftseinrichtungen wie
Schulen oder Kindergärten vorübergehend nicht besuchen. Die Eltern
müssen die Einrichtung über die Erkrankung ihres Kindes informieren.
Scharlachkranke Kinder ohne Penicillinbehandlung gelten drei Wochen lang
als „infektiös“.

Auch erkrankte Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten, wie
z. B. Lehrkräfte oder Erzieherinnen und Erzieher, dürfen dort, solange
sie ansteckend sind, keine Tätigkeit ausüben, bei denen sie Kontakt zu
den Kindern haben.
Wann die Tätigkeit wieder aufgenommen bzw. die Gemeinschaftseinrichtung
wieder besucht werden kann, entscheidet die behandelnde Kinderärztin oder
der behandelnde Kinderarzt oder das zuständige Gesundheitsamt. Nach einer
Antibiotika-Gabe ist das in der Regel am zweiten Tag möglich, ansonsten
nach Abklingen der Beschwerden. Ein schriftliches ärztliches Attest ist
nicht erforderlich.

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